Zum jetzigen Zeitpunkt wäre der Vorstoß von Friedrich Merz folglich ein Modell, von dem vor allem der gehobene Mittelstand und Gutverdiener profitieren würden. Jene Menschen jedoch, die am stärksten von Altersarmut bedroht sind - prekär Beschäftigte, alleinerziehende Mütter etc. -, würde sein Vorschlag kaum nützen. Hier muss sich der Millionär und Finanzlobbyist den Vorwurf gefallen lassen, dass er einseitig die Interessen seiner Klientel im Blick hat. "Was er vorschlägt, ist ein riesiger Schritt in die Privatisierung der Rente", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Montag. "Das ist ein milliardenschwerer Gefallen für Reiche und vor allem für seine Kollegen bei Blackrock."

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Kritik kommt jedoch auch von wirtschaftsnaher Seite. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Michael Hüther, sagte der "Rhein-Neckar-Zeitung": "Keine neue Förderung, sondern bestehende Systeme überprüfen", das sei die Lösung. "Es gibt grundsätzlich keinen Grund, bestimmte Anlageformen - wie Aktien oder Renten - steuerlich für die Altersvorsorge zu begünstigen." Zumal es mit Riester und Rürup ja schon eine staatliche Förderung der Altersvorsorge gebe: die sich aber in Zeiten niedriger Zinsen als umstritten entpuppt, weil sie eben vor allem auf den Zinsmarkt zugeschnitten ist. Wer riestert, kann von den hohen Kapitalerträgen an den Aktienmärkten aktuell kaum profitieren.

Vorbild USA? Mehr Altersvorsorge über Aktien - und ähnliche Probleme des Rentensystems

Dass Aktien als Altersvorsorge auch funktionieren können, zeigen Staaten wie die USA. Jeder vierte Amerikaner hält derzeit Aktien, auch wenn die Zahl der Aktionäre zuletzt rückläufig gewesen ist. Das amerikanische Rentensystem gilt dabei als ähnlich leistungsfähig wie das deutsche.

In den Staaten fußt das Alterseinkommen ebenfalls auf den drei Säulen gesetzliche, private und betriebliche Altersvorsorge. Allerdings unter dem Vorbehalt, dass die gesetzliche Rente dort ein niedrigeres Absicherungsniveau verspricht. Die Beschäftigten zahlen 6,2 Prozent Beitrag in die Rentenkasse ein, der Arbeitgeber schießt ebenfalls 6,2 Prozent zu. Freiberufler müssen die vollen 12,4 Prozent entrichten. Bei Angehörigen der Mittelschicht machten die Rentenbezüge gegenwärtig etwa 42 Prozent ihres früheren Einkommens aus.

Die private Altersvorsorge wird hingegen stärker über Rentensparpläne bedient, bei denen zum Beispiel in Aktien, ETFs, Indexfonds oder Mischfonds investiert wird. Diese sind in der Ansparphase steuerlich begünstigt und werden direkt vom Gehalt bedient, müssen aber in der Rentenphase normal versteuert werden. Der Arbeitgeber kann die private Vorsorge freiwillig aufstocken. Ähnliche Systeme der Förderung gibt es auch in Schweden und Niederlanden.

Demografische Probleme und Vorsorgelücke

Doch funktioniert das Renten-System der USA besser als das deutsche? De facto schlägt es sich mit ähnlichen Problemen herum. In den kommenden Jahren werden in den Staaten 76 Millionen Baby-Boomer in den Ruhestand wechseln: Das belastet nicht nur die Rentenkasse, sondern auch die privaten Vorsorge-Anbieter.

Und es droht auch in den Staaten eine gewaltige Vorsorgelücke. Die künftigen Rentner der Jahrgänge 1946 bis 1964 haben nach einer Studie der Investment-Firma Legg Mason Vermögensansprüche in Höhe von 263.000 US-Dollar erworben, private Sparpläne eingerechnet. Sie würden aber aufgrund der steigenden Lebenserwartung 650.000 US-Dollar benötigen, also circa das Doppelte. Vielen Rentnern droht also im Alter das Geld auszugehen. Beunruhigend sind auch die Zahlen mit Blick auf die betriebliche Altersvorsorge. Nach Informationen der US-amerikanischen Regierung hat aktuell nur jeder vierte Ruheständler Anspruch auf eine Betriebsrente erworben.

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Viele Amerikaner haben gar keine Vorsorge, sondern leben von Gehaltscheck zu Gehaltscheck. Zwei Drittel der US-Bürger hätten Schwierigkeiten, eine unerwartete Ausgabe von 1000 Dollar (890 Euro) zu meistern: Das geht aus einer gemeinsam durchgeführten Umfrage der Nachrichtenagentur AP und dem NORC Center for Public Affairs Research hervor. Eine weitere Zahl: Jeder fünfte US-Amerikaner im Rentenalter über 65 Jahren geht aktuell noch einer Arbeit nach, berichtet die Statistikbehörde Bureau of Labor Statistics.

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