Die deutsche Wirtschaft brummt und die Mieten steigen: Dieser Eindruck dominiert, wenn man die Wirtschaftsseiten der letzten Wochen und Monate liest. So konnte die Zeit im August verkünden: „Deutsche Wirtschaft wächst stärker als erwartet“. Und die Frankfurter Rundschau vermeldete Anfang September: „Deutsche Wirtschaft wächst und wächst“. Das Münchner Ifo-Institut hat seine Wachstumsprognose für 2018 und 2019 auf jeweils 1,9 Prozent nach oben korrigiert, weil es besser läuft als angenommen.

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Die Situation: „brummende Wirtschaft“ und Mietpreisexplosion

Zugleich aber führen steigende Mieten insbesondere in Ballungsräumen zu sozialen Verwerfungen. Rund 40 Prozent der Haushalte in Deutschlands Großstädten müssen mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens ausgeben, um ihre Bruttokaltmiete zu bezahlen, so eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Besonders drastisch formuliert das Problem der Journalist Niklas Maak in einem Beitrag für die FAZ. Aufgrund der „absurden Mietpreissteigerungen“ in den Städten stellte er die provokante These auf: „Das Jahr 2018 wird in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem die deutsche Städtebaupolitik kollabierte.“

Insbesondere Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen geraten, trotz der boomenden Wirtschaft, in den Ballungsräumen unter Druck. Die Bundesregierung möchte mit einer „Wohnraumoffensive“ gegen steigende Mieten vorgehen und hat 1,5 Millionen neue Wohnungen für die aktuelle Legislaturperiode versprochen. Jedoch gerät sie mit diesen Zielen laut IG Bau schon im ersten Jahr stark in Rückstand.

Kosten von selbst genutztem Wohneigentum durchschnittlich unter den Mietkosten für eine vergleichbare Immobilie

Doch in Zeiten niedriger Zinsen gibt es eine vermeintliche Lösung für das Problem explodierender Mietkosten. Stark zugespitzt: Wer seine Miete nicht zahlen kann, der solle einfach selbst bauen. Denn noch nie sei es so günstig gewesen, eine Immobilie zu finanzieren.

Der Wohnkostenreport 2018, ein im Auftrag der Accentro Real Estate AG erstelltes Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), bringt es auf den Punkt: Noch nie in der fast 70-jährigen Geschichte der Bundesrepublik war es so günstig wie heute, den Kauf einer Immobilie über einen Kredit zu finanzieren. Grund dafür ist die Zinsentwicklung: Im Zeitraum 2010 bis 2017 sind die Zinsen insgesamt deutlich stärker gefallen, als die Preise für Wohnraum gestiegen sind. So betrug der durchschnittliche Hypothekenzins für zinsgebundene Darlehen mit zehnjähriger Laufzeit 2017 gerade einmal 1,67 Prozent. Trotz steigender Nachfrage nach Wohneigentum und trotz steigender Kaufpreise wirkte sich diese Zinsentwicklung günstig auf die monatlichen Kosten von selbstgenutztem Wohneigentum aus.

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Der IW-Wohnkostenreport sollte ermitteln, wer günstiger wohnt: Mieter oder Besitzer von Wohneigentum? Hierzu verglichen die Autoren Michael Voigtländer und Björn Seipelt die Miet- und Wohnnutzerkosten von 401 deutschen Städten und Landkreisen, wobei Parameter wie die Entwicklung der Mieten, die Kaufpreise und die Kaufnebenkosten für Immobilien, die Hypothekenzinsen und die entgangenen Zinsen auf alternative Eigenkapitalanlagen in die Analyse einflossen. Das überraschende Ergebnis: Die monatlichen Wohnnutzerkosten liegen derzeit durchschnittlich um ein Drittel unter den Mietkosten für eine vergleichbare Immobilie. Selbst genutztes Wohneigentum verschafft also einen deutlichen Kostenvorteil gegenüber Wohnungen zur Miete!

Wohneigentum als Ausweg bei hohen Mieten für Haushalte mit geringerem Einkommen?

In einer Situation, in der Wohneigentum günstiger scheint als Wohnen zur Miete, wird der Erwerb von Wohneigentum durch Zuschüsse vom Staat noch attraktiver. Mit dem neu eingeführten Baukindergeld verfolgt die Bundesregierung das Ziel, auch jenen „Eltern und ihren Kindern die Tür zu den eigenen vier Wänden zu

öffnen“, die sich Wohneigentum ohne die Zuschüsse nicht leisten könnten. Mit einem Zuschuss in Höhe von 1.200 Euro im Jahr für jedes kindergeldberechtigte Kind unter 18 Jahren wird der Kauf oder Bau einer selbstgenutzten Immobilie gefördert, solange das zu versteuernde Familieneinkommen 75.000 Euro plus 15.000 Euro je Kind nicht überschreitet. Da die Förderung auf zehn Jahre angelegt ist, könnte zum Beispiel eine dreiköpfige Familie mit 36.000 Euro für den Erwerb oder Bau von selbstgenutztem Wohneigentum bezuschusst werden.

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Wohneigentum lohnt sich in Zeiten niedriger Zinsen und hoher Mieten für den, der es sich leisten kann, denn es verschafft bei vergleichbaren Wohnobjekten gegenüber der Miete einen Kostenvorteil. Freilich ist das Verhältnis zwischen Selbstnutzer- und Mietkosten nicht überall gleich günstig. Und hier kommt wieder das Problem der Ballungszentren in den Blick: aufgrund unterschiedlicher Miet- und Kaufpreisniveaus sowie abweichender Grunderwerbssteuern ist das Verhältnis in einigen ländlichen Regionen besonders günstig, in Ballungsräumen hingegen tendenziell eher weniger gut.

Die jährlichen Kosten für ein Eigenheim im thüringischen Saale-Orla-Kreis zum Beispiel lägen mit 2.300 Euro laut IW-Report 62 Prozent unter der Miete: ein Spitzenwert. In München hingegen ist die Vorteilhaftigkeit am geringsten: Für eine Eigentumswohnung mit einer Größe von 100 Quadratmetern und Kosten von 11.600 Euro im Jahr beträgt sie 26,4 Prozent.

Nun sind in Ballungsräumen die Kostenvorteile nicht nur geringer, die Kosten für Wohneigentum sind auch wesentlich höher. Wer nicht die Möglichkeit hat, zum Beispiel durch Pendeln in günstigere ländliche Regionen auszuweichen, der wird bei niedrigem Einkommen die hohen Kosten für Wohneigentum in Ballungsräumen kaum stemmen können.

Baukindergeld könnte die Preisblase bei den Immobilien weiter aufpumpen

Der starke Kostenvorteil einiger ländlicher Regionen erklärt sich aber gerade durch eine geringe Bevölkerungsdichte aufgrund von Abwanderung in die Städte. So liegt auch die Bevölkerungsdichte des Saale-Orla-Kreises mit 72 Einwohnern pro Quadratkilometer weit unter dem Landesdurchschnitt. Ein geringer Kaufpreis und geringe Kaufnebenkosten verweisen auf eine geringe Nachfrage nach Wohnraum; nicht selten verbergen sich hinter dieser geringen Nachfrage fehlende Perspektiven insbesondere für jüngere Menschen. Wer von Jobs in Ballungsräumen abhängig ist und nicht die Möglichkeit des Pendelns hat, für den ist das kostengünstigere Wohneigentum auf dem Land keine Lösung.

Zudem sind die Kostenvorteile auch von den Bedingungen des Kredits und der Stabilität der Finanzierung abhängig. Als besonders günstig erweisen sich laut den Verfassern des IW-Reports lange Zinsfestschreibungen, hohe Eigenkapitalquoten sowie kontinuierliche Tilgungen. Jene Haushalte aber, die aufgrund geringer Einkommen besonders unter hohen Mieten leiden, können diese Stabilität schwerer erreichen als Haushalte mit höherem Einkommen.

Hohe Mieten verhindern sogar das Ansparen von Eigenkapital für viele Geringverdiener und verhindern letztendlich für diese Gruppe den Erwerb von Wohneigentum. Das hätte auch Auswirkungen auf die Förderung des Staates. In einer Stellungnahme sah selbst der Bundesrechnungshof die Gefahr eines Mitnahmeeffekts: Stehe doch zu befürchten, dass Geringverdiener die Eigenheime der Besserverdienenden mitfinanzieren müssen.

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Und mehr noch: das Baukindergeld könnte in Ballungsräumen sogar die Preisblase bei den Immobilien weiter aufpumpen und damit Immobilien und Mieten noch mehr verteuern: Eine Gefahr, die u.a. auch Michael Voigtänder sieht, einer der Autoren der IW-Studie.

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