Jetzt kann ich gerade nicht sparen!
Seit einigen Tagen geht eine knapp 20-jährige Grafik in verschiedenen Maklergruppen auf Facebook viral - oder wie man altbacken sagen würde: Es wird häufig für gut befunden und geteilt.
Doch was macht die Verkaufshilfe aus, bei der es sich um die schnöde Aussage "Jetzt kann ich gerade nicht sparen!" handelt. Die Illustration soll vor knapp 20 Jahren im Hause von Pioneer Investments gebaut worden sein, so berichten es eifrige Makler auf den sozialen Kanälen. Die wahrscheinlichen Initiatoren sind im Dezember 2016von der französischen Fondsgesellschaft Amundi übernommen worden. Der Versicherungsbote hat dort nachgefragt. Dort konnte man sich nicht direkt an die Grafik erinnern. Doch nach längerer Recherche in verschiedenen Bereichen konnte wenigstens eine Nachfolge-Grafik gefunden werden. Die ursprüngliche Datei ist jedoch verloren gegangen oder liegt irgendwo in Umzugskartons.
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Dabei ist die zwei Dekaden alte Grafik aktueller denn je: Schließlich dreht sich alles um den richtigen Zeitpunkt, mit dem Sparen anzufangen. Und: Jeder Vermittler hat die besagten Ausreden schon X-mal gehört.
Für Ausreden und Vorwände gibt es übrigens keine Altersgrenze und damit hat jede Altersgruppe andere Befindlichkeiten. Einhergehend damit gibt es auch andere Ausreden. Gerade in Zeiten der Niedrigzinsphase und der Krise der Lebensversicherer mit schmalen Zinsen auf klassische Leben- und Rentenprodukte fehlt vielen Verbrauchern der Antrieb zu sparen. Eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Forsa im Auftrag von Union Investment aus dem Vorjahr unterlegt die Denke vieler Deutschen mit Zahlen. Denn viele Verbraucher sparen lieber für den Urlaub als für die eigene Rente. Demnach entschieden sich über die Hälfte (57 Prozent) der Bürger für den Urlaub und nur 36 Prozent für die Altersvorsorge. Für Reisen sparten viele Deutsche monatlich mehr als 200 Euro.
Für Vermittler ist der Umgang mit den Kunden deshalb nicht einfach. Denn der Deutsche möchte doch beim Sparen auch eine gewisse Sicherheit haben. Da ist es nicht verwunderlich, dass das Sparbuch, laut einer Umfrage im Auftrag von J.P. Morgan, mit 53 Prozent die meist genutzte Anlageform ist. Lediglich 15 Prozent der Deutschen legten ihr Geld in Fonds an. Zwar gibt es bei den aktuellen Bedingungen am Markt nicht viele Optionen zum Sparen. Doch vor dem Sparbuch sollte dann doch lieber der Konsum stehen und damit würde sich der Kreis zum Urlaub schließen.
Dank Rating gewinnen alle Teilnehmer...nicht!
Damit es Vermittlern einfacher fällt, ihre Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen, haben die Versicherer und Investmenthäuser schon immer ein großes Arsenal an Verkaufshilfen parat. Da werden beim Kunden regelmäßig scharfe Geschütze aufgefahren. Mit haptischen Helferlein, über Broschüren bis hin zum 2.023em Rating das jeder Versicherer gewonnen haben will, gibt es eigentlich nichts, was es nicht gibt. Inzwischen ist die Gier nach Ratings, Siegeln, Eulen und Sternen fast unerträglich - man könnte fast sagen pervers geworden. Da kann es bei einem BU-Rating mit in Summe 340 Tarifen, die die Bestbewertungen erhielten, schon mal eng auf dem Siegerpodest werden. Wenn dann das Produkt nix kann, dann wird sich wenigstens eine Top-Bewertung für den Service ans Revers geheftet. Immerhin kann man super Mails beantworten und ans Telefon gehen.
Früher war doch nicht alles schlecht
Dabei gibt es bereits seit längerem Kritik an der wahren Flut an besten Bewertungen in den bekannten Ratings. Diese kommt nicht nur von Verbraucherschützern. Einigen Analysehäusern darf dann vielleicht auch ein gewisses Eigeninteresse unterstellt werden. Schließlich würden viele Unternehmen mit Testsiegeln gutes Geld verdienen. Versicherer, die mit dem Original-Signet um Kunden werben wollen, müssen oft Lizenzgebühren zahlen. Locker einige tausend Euro kann es beispielsweise kosten, das Logo von Focus Money oder der Stiftung Warentest zu verwenden.
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Aber: Eigentlich ist das rausgeschmissenes Geld. Das zeigt nicht zuletzt die alte Grafik aus dem Internet. Dass diese bei den Vermittlern so gut ankommt, ist kein Zufall. Denn diese etwas angestaubte Idee wirkt heute wie vor 20 Jahren und das nicht nur auf der Verkäuferseite. Für den Kunden ist es der Spiegel, der ihm vorgehalten wird. Nun kann er vielleicht nicht mehr mit der kläglichen Ausrede kommen. Manch ein Vermittler sehnt sich viel öfter nach diesen klassischen Verkaufshilfen aus der Schublade der Einwandbehandler und Vertriebswundertüten. Also bitte Versicherungswirtschaft: Es war doch früher nicht alles schlecht.