Dass „aufgeschoben“ aber nicht „aufgehoben“ bedeutet, ließ Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nun in einem Interview mit dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) wissen. Im nächsten Jahr werde man die geplante „Respekt-Rente“ einführen. Den Gesetzentwurf hierfür kündigt Heil für die erste Jahreshälfte 2019 an. Der Sozialdemokrat sieht im geplanten Vorhaben einen „wichtigen Schritt gegen Altersarmut“.

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Mütterrente: „Technische Umstellung“ benötige "etwas Zeit“

Auch zur Erhöhung der Mütterrente äußerte sich der Minister. Um anerkannte Erziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder und ab 1992 geborene Kinder anzugleichen, wird ab 1. Januar 2019 für jedes vor 1992 geborene Kind ohne Einschränkung ein halbes Erziehungsjahr und damit ein zusätzlicher halber Entgeltpunkt gutgeschrieben. Erziehungsleistungen für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, werden nun also besser berücksichtigt.

Während aufgrund eines seit 1992 geltenden Gesetzes für Kinder, die ab 1992 geboren wurden, drei Entgeltpunkte für die Rente angerechnet werden, können seit Beginn des neuen Jahres für vor 1992 geborene Kinder immerhin 2,5 Entgeltpunkte angerechnet werden – und damit ein halber Entgeltpunkt mehr als bisher.

Sofort erhalten den höheren Geldbetrag jene Rentnerinnen und Rentner, die aktuell in Rente gehen und zugleich Erziehungsleistungen für vor 1992 geborene Kinder geltend machen. Wer aber bereits die Rente bezieht, muss ein wenig auf die Auszahlung des Mehrbetrags warten. Benötige doch die „technische Umstellung etwas Zeit“, wie Heil erklärt. Da die Auszahlung jedoch rückwirkend zum 1. Januar erfolge, gehe kein Geld verloren, beschwichtigt der Minister. Ursache der verzögerten Auszahlung sind technische Probleme der IT-Abteilung der Deutschen Rentenversicherung (DRV), wie unter anderem der Versicherungsbote berichtete.

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Ein voller Entgeltpunkt entspricht aktuell einem Rentenwert von 33,05 Euro Monatsrente für Westdeutschland und 31,89 Euro für Ostdeutschland.

Ist man auf Grundsicherung angewiesen, fällt Erhöhung der Mütterrente aus

Allerdings haben jene Rentnerinnen und Rentner nichts von dieser Erhöhung der sogenannten „Mütterrente“, die auf Grundsicherung angewiesen sind. Maßgebend für die Grundsicherung ist der Regelbedarf nach entsprechenden Regelbedarfsstufen. Ab dem 1. Januar 2019 gilt für Alleinstehende zum Beispiel ein Regelbedarf von 424,00 Euro und für Partner und Bedarfsgemeinschaften ein Regelbedarf von 382,00 Euro je Person. Hinzu kommen angemessene Kosten für die Unterkunft sowie für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Bleibt also einer Person unter Berücksichtigung dieser Kosten weniger als der Regelbedarf zum Leben, erhält sie die Differenz als Grundsicherungsleistung.

Jedoch wird die Mütterrente als Einkommen auf die Grundsicherung angerechnet, weswegen insbesondere Frauen, die im Alter Grundsicherung beziehen, nichts von der erhöhten Mütterrente haben. Im Interview wird Hubertus Heil direkt gefragt, ob er diesen Umstand „gerecht“ finde. Er wirbt um Verständnis: Die Grundsicherung richte sich nach dem Bedarf und decke das Existenzminimum ab. Heil mahnt also an, den Unterschied zu berücksichtigen zwischen existenzsichernden Sozialleistungen und Zahlungen aus dem Umlageverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Einführung der „Respekt-Rente“ hingegen gehe das Thema Altersarmut „grundsätzlicher an“.

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Rentnerinnen mit Grundsicherung: Armutsrisiko durch Kindererziehung bleibt bestehen

Ob Heil mit diesem Argument richtig liegt, muss mit Blick auf ein weiteres Interview zumindest diskutiert werden. Gelten doch durchbrochene Erwerbsbiographien und insbesondere Erwerbsbiographien von Frauen bei Scheidung als Armutsrisiko für das Alter, wie zuletzt Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, gegenüber der Berliner Morgenpost ausführte (der Versicherungsbote berichtete). Gerade Menschen mit derartigen Erwerbsbiographien werden die 35 geforderten Beitragsjahre für die neue Grundrente jedoch nicht erfüllen. Durch Anrechnung der Mütterrente auf die Grundsicherung wird auch die Erziehungsleistung dieser Menschen erneut nicht anerkannt.

Ausgerechnet durch die geplante Grundrente bestehe laut Roßbach zudem die Gefahr, existenzsichernde Sozialleistungen und Zahlungen aus dem Umlageverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung auf unsachgemäße Weise zu vermischen. Die Diplom-Verwaltungswirtin mahnte an, die zusätzlichen Leistungen nur aus Steuermitteln zu finanzieren.

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Auch empfahl die DRV-Chefin einen Freibetrag für die gesetzliche Rente, den Rentnerinnen und Rentner auch dann behalten dürfen, wenn sie Grundsicherung beziehen. Eine keineswegs neue Idee – in der Vergangenheit wurde ein solcher Vorschlag bereits von Sozialverbänden vorgebracht. Explizit für die Mütterrente empfiehlt der Sozialverband VdK Deutschland e. V. zum Beispiel einen Freibetrag von 200 Euro, um auch die Erziehungsleistung der Frauen anzuerkennen, die aufgrund der Kindererziehung nur wenige Beitragsjahre vorweisen können.

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