BREXIT: Drohendes "No Deal"-Szenario noch immer nicht abgewendet


Noch immer gilt für den Brexit: Sollte die Mehrheit der britischen Abgeordneten gegen das mit der EU mühsam ausgehandelte Brexit-Abkommen stimmen, droht im März ein "No Deal"; und damit ein EU-Austritt Großbritanniens ohne Abkommen mit der Europäischen Union. Das berichtet die Tagesschau.

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Schon jetzt zeigen sich erste Auswirkungen auch für Versicherungsnehmer. Denn da durch den Brexit Verträge englischer Lebensversicherer ungültig werden könnten, reagierten Unternehmen wie Standard Life oder Royal London bereits im Vorfeld und kündigten die Gründung von Tochtergesellschaften in Irland an, um Verträge mit Kunden aus EU-Ländern (ausgenommen Großbritannien) auf diese Tochtergesellschaften zu übertragen. Nun greift ein weiterer Versicherer zu einem ähnlichen Schritt: Wie auf der Internetseite der Scottish Widows Limited (SWL) zu lesen ist, wurde die Gründung einer Tochtergesellschaft in Luxemburg in die Wege geleitet, um das europäische Portfolio des Versicherers (mit Ausnahme der Verträge aus Großbritannien) dorthin zu übertragen.

Betroffen sind unter anderem die Altverträge des ehemaligen Lebensversicherers Clerical Medical Investment Group (CMIG), denn im Jahre 2016 wurde der Name des Versicherers in Scottish Widows Limited (SWL) geändert (nachzulesen im Journal der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht/ BaFin vom März 2016). Der britische Traditionsversicherer verkauft seit 1995 in Deutschland seine Versicherungspolicen, sodass nicht wenige Versicherungsnehmer auch in Deutschland von der angekündigten Übertragung betroffen sind. Die neu gegründete Gesellschaft soll den Namen Scottish Widows Europe S.A. (SWE) tragen und eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der SWL sein. Jedoch müsse die luxemburgische Versicherungsaufsichtsbehörde Commissariat Aux Assurances (CAA) noch ihr OK geben, wie der Versicherer weiter informiert. Die Zulassung werde bis zum 14. März 2019 erwartet.


Keine Änderungen "an den Einzelheiten der Verträge"

In einem „Leitfaden für Versicherungsnehmer“ weist der Versicherer darauf hin: Es werde „keine Änderungen an den Einzelheiten“ der Verträge oder „hinsichtlich des Markennamens“ geben. So bleibt auch die Marke "Clerical Medical" bestehen. Hingegen ersetzt werden müssten Verweise zur neuen Tochtergesellschaft, denn statt auf die SWL müsse künftig auf die SWE verwiesen werden. Aus diesem Grund erhalten Versicherungsnehmer unter anderem eine neue Gläubiger-Identifikationsnummer, die eindeutig der SWE zugewiesen wird.

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Ansonsten aber gelten nach wie vor die durch die Verträge garantierten Bedingungen. Keine Änderungen gebe es auch mit Blick auf die Vertragskündigung sowie Optionen zur Änderung der Verträge. Laut Versicherer gelte also weiterhin wie bisher, was durch die abgeschlossenen Clerical Medical- und SWL- Verträge garantiert ist. Das sollte aber auch selbstverständlich sein, möchte man aus Sicht der Verbraucher anmerken.

Änderungen bei Abgeltungssteuer: Leitfaden missverständlich

Für einige Verwirrung sorgt unterdessen eine Formulierung, die aus Sicht eines Servicemitarbeiters der SWL "unglücklich" getroffen wäre. Fragen doch Makler im Netz bereits: Fällt durch die Übertragung auch die Steuerfreiheit für vor 2005 abgeschlossene Verträge weg? Grund der Verunsicherung ist der Satz: "Bei in Deutschland ansässigen Steuerzahlern, die derzeit Kapitalerträge (gemäß § 20 EstG) erhalten, unterliegen sämtliche Kapitalerträge, die sie nach der Übertragung erhalten, der Abgeltungssteuer." Dieser Satz wurde fälschlicherweise so verstanden, dass auch für steuerbefreite Altverträge nun Abgeltungssteuern anfallen würden.

Der Versicherungsbote wollte es genau wissen und erkundigte sich bei einer für deutsche Kunden eingerichteten Hotline. Und wir können Entwarnung geben: Zumindest laut Aussage des Servicemitarbeiters gibt es keine Veränderungen bei der Höhe der zu zahlenden Steuern. Die Bedingungen für Verträge mit steuerfreiem Mantel (zum Beispiel für Kapitalabfindungen nach mindestens 12 Jahren Laufzeit ab dem 60. Lebensjahr) oder für vor 2005 abgeschlossene Altverträge, die unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei bleiben, ändern sich durch die Übertragung nicht.

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Verändert würde jedoch das formelle Vorgehen bei der Abgeltungssteuer. Vor der Übertragung wurde den Versicherungsnehmern eine Bescheinigung auch für Kapitalerträge (gemäß § 20 EstG) zugestellt, erst aufgrund der Steuererklärung des Versicherungsnehmers wurden diese Erträge in der Folge berücksichtigt. Jedoch wurden Steuern auf Kapitalerträge nicht direkt „abgegolten“, dieser Weg war möglich aufgrund des Sitzes des Versicherers in Großbritannien. Das ändere sich nun. Denn die neue Tochtergesellschaft in Luxemburg führt nach erfolgreicher Übertragung der Verträge die Abgeltungssteuer (25 Prozent der Kapitalerträge plus Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls plus Kirchensteuer) direkt an die deutschen Steuerbehörden ab, wie es auch normalerweise üblich sei.

Verbraucherschützer sehen geringeren Insolvenzschutz ... und mahnen dennoch Gelassenheit an

Ein beunruhigender Knackpunkt, der sowohl für die Übertragung der SWL-Verträge nach Luxemburg als auch für Übertragungen der Verträge anderer Lebensversicherer nach Irland ausgemacht wurde: Der Insolvenzschutz könnte abnehmen. Denn in Großbritannien wurde mit dem Financial Services Compensation Scheme (FSCS) ein Fond eingerichtet, der Lebensversicherer vor Pleiten bewahren soll und vergleichbar ist mit dem seit 2002 in Deutschland existierenden „Protektor“-Fond. Weder in Luxemburg noch in Irland gibt es aber ein vergleichbares Entschädigungssystem. Darauf verweisen die Verbraucherschützer von "test.de", jedoch informiert der Leitfaden der SWL zur Übertragung der Verträge fairerweise auch zu dieser Tatsache.

Und dennoch rät ein informierender Artikel der Verbraucherschützer ausdrücklich von überstürzten Handlungen und insbesondere von einer überstürzten Kündigung der Verträge ab. Bestehe doch „kein dringender, kurzfristiger Handlungsbedarf“, weswegen man verschiedene Möglichkeiten zwischen einer Kündigung und einer Fortführung des Vertrags prüfen könne. Weitere Möglichkeiten werden genannt: eine „Kapitalzahlung“, ein „Verkürzen“ des Vertrags, ein „Beitragsfrei- Stellen“ des Vertrags oder gar ein "Verkauf" des Vertrags an Anbieter, die Lebensversicherungen aufkaufen. Hier kann ein professionelles Beratungsgespräch behilflich sein.

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Beruhigen kann aber auch eine Erklärung des Versicherers zum gewählten Standort. Gelten doch auch in Luxemburg Solvabilitätsanforderungen nach europäischem Maßstab. Zumal auch in Luxemburg das laufende Geschäft der neuen Gesellschaft einer Regulierungsaufsicht unterliege, wie der Versicherer außerdem beschwört. Somit existieren auch am neuen Standort Schutzmaßnahmen, die eine Insolvenz unwahrscheinlich machen würden.

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