Versicherer und Vertrieb fragen vermehrt nach Mitarbeitern mit Fachstudium
Die Versicherungsforen Leipzig vermitteln als Think Thank und Dienstleister zwischen universitärer Forschung und der Praxis der Versicherer: Unter anderem veranstaltet das Unternehmen Fachkongresse und Messen. Ein guter Ansprechpartner also, um die neue Weiterbildungspflicht nach dem IDD-Umsetzungsgesetz zu bewerten. Die Antworten gaben Diana Ehrenberg und Dr. Manuela Wolf, beide Projektmanagerinnen Kompetenzteam „Vertrieb & Service“ bei den Versicherungsforen Leipzig.
Versicherungsbote: Welche Mindestqualifikation sollten Vermittler Ihrer Meinung nach haben? Reicht die Ausbildung zum/zur Versicherungsfachmann/-frau?
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Diana Ehrenberg: Generell beinhaltet die Ausbildung zum Versicherungsfachmann ja schon ein breites Grundwissen über den Versicherungsmarkt und die Produkte. Aber gerade in Unternehmen, die sich auf bestimmte Bereiche wie bAV oder Industrieversicherung spezialisiert haben, sind zusätzliche Weiterbildungen unerlässlich. Zudem stellen häufig spezialisierte Maklerunternehmen an ihre Mitarbeiter diesbezüglich konkrete Anforderungen, wie z. B. eine Fachwirtausbildung. Je nach Zielgruppe, die beraten wird, kommen Versicherungsfachleute um zusätzliche Weiterbildungen kaum herum.
Manuela Wolf: Ebenfalls nehmen wir wahr, dass immer mehr Versicherer und deren Exklusivvertriebe sowie Großmakler als Ausbildungseinstieg nicht mehr allein den Beruf des Kaufmannes für Versicherungen und Finanzen anbieten, sondern gezielt jungen Nachwuchs über ein duales Studium anwerben. Dabei werden Studium und Praxis sinnvoll miteinander verknüpft und man gewinnt dringend benötigte Nachwuchsführungskräfte.
Wie bewerten Sie die gesetzlichen Regelungen zur Weiterbildung von Vermittlern und Angestellten?
Manuela Wolf: Wir begrüßen die gesetzliche Regelung zur Weiterbildung, denn vor allem das Image der Branche kann durch solche Anforderungen gewinnen. Schließlich ist es ein deutliches Zeichen für die Kunden, wenn Weiterbildungspflichten auferlegt werden. Vor der nationalen Umsetzung der IDD hatten viele den Verwaltungsaufwand für die Nachweise der Weiterbildung gefürchtet. Wie sich nun aber zeigt, ist eher das Gegenteil der Fall und die Nachweise sind im Vergleich zu „gut beraten“ sogar vereinfacht. Die IHK darf nur anlassbezogene Nachweiskontrollen durchführen. Damit ist auch stichprobenartig zu rechnen, weil die BaFin verpflichtet ist, einen Rechenschaftsbericht bei der EIOPA vorzulegen. Insgesamt muss man aber sagen, dass Vermittler, die ihr Geschäft ernst nehmen, sich auch schon vor der Verabschiedung der IDD regelmäßig weitergebildet haben.
Hat das Interesse nach Weiterbildung durch das IDD-Umsetzungsgesetz noch einmal zugenommen?
Diana Ehrenberg: Wie sich das Interesse nach Weiterbildung durch das IDD-Umsetzungsgesetz entwickelt hat, lässt sich schlecht beurteilen. Medienberichten zufolge hat zum Beispiel „gut beraten“ im letzten Jahr noch einmal einen deutlichen Zuwachs verzeichnen können. Auch wir glauben, dass Vermittler und Makler die Weiterbildung als einen wichtigen Bestandteil ihrer Arbeit sehen, um zukunftsfähig und erfolgreich zu bleiben.
Hat sich das Angebot an Weiterbildungen für die Versicherungswirtschaft in den letzten Jahren verändert und vergrößert?
Manuela Wolf: In den letzten Jahren nehmen ein stetig wachsendes Angebot an Weiterbildungen für die Assekuranz wahr. Immer mehr externe Weiterbildungsanbieter haben heute Schulungen für die Versicherungswirtschaft im Angebot. Die Versicherungsforen Leipzig und die Maklerforen Leipzig bieten z. B. ebenfalls Seminare, Workshops, unternehmensübergreifende Erfahrungsaustausche und Fachkonferenzen an, bei denen vertriebsnahe Mitarbeiter die erforderlichen Weiterbildungsnachweise nach IDD sammeln können. Mit dem Angebot der „Forenakademie“ (www.forenakademie.de) geht dies bei uns seit vergangenem Jahr übrigens auch online.
Welche Trends werden sich in den kommenden Jahren auf dem Weiterbildungs-Markt speziell in der Branche durchsetzen?
Diana Ehrenberg: Wir sehen auf dem Weiterbildungsmarkt aktuell einen Trend zum E-Learning. Es zeigt sich, dass Präsenzveranstaltungen an Bedeutung verlieren und Versicherer beispielsweise mehr Webinare anbieten, um ihre Vermittler zu schulen. Dabei muss jedoch die Lernerfolgskontrolle der Teilnehmer gemäß IDD sichergestellt werden. Nahmen Versicherer in der Vergangenheit noch verstärkt unternehmensübergreifende Weiterbildungen wahr, so spüren wir derzeit die Verlagerung in die Häuser zurück. Dies ist sicherlich dem steigenden Kostendruck der Branche geschuldet. Allerdings mangelt es ohne unternehmensübergreifenden Austausch am Marktblick. Darüber hinaus bedauern wir, dass viele Weiterbildungen aktuell auf die Vermittlung von Fachkompetenzen abzielen. Sozial- und Methodenkompetenz werden häufig vernachlässigt, obwohl sie eine maßgebliche Rolle im Kundenkontakt spielen.
Reichen Ihrer Meinung nach 15 Stunden Weiterbildung im Jahr aus?
Manuela Wolf: Aus unserer Sicht ist das wenig – Themen wie komplexer werdende Produkte, neue Gesetze sowie der digitale Wandel lassen erworbenes Wissen schnell veralten. Wir befürworten eine Mindestanforderung an die Weiterbildung. Die meisten Vermittler überschreiten diese ohnehin – beispielsweise durch das Lesen aktueller Fachartikel, Gesetzesänderungen oder Produktinformationsblätter. Zudem hat jeder Unternehmer – und die meisten Vermittler sind selbständig – schon ein ureigenes Interesse, sich weiterzubilden und das erworbene Wissen nicht veralten zu lassen. Auch „gut beraten“ hat bestätigt, dass die durchschnittliche Weiterbildungszeit der registrierten Teilnehmer die geforderten 15 Stunden im vergangenen Jahr mit durchschnittlich 21,4 Stunden deutlich überschritten hat. Und hier reden wir nur von den anerkannten Stunden in Form von Seminaren usw. Allgemeines Selbststudium kommt hier natürlich noch hinzu. Letztendlich kommt es vor allem auf das Thema an, mit dem sich der Vertrieb konkret beschäftigt. Industrieversicherung und bAV sind hier beispielsweise Themen mit besonderen Anforderungen, wobei wir die Komplexität des Privatkundengeschäftes auf keinen Fall in Abrede stellen wollen. Auch dort gibt es zahlreiche gesetzliche Regelungen, die beachtet werden müssen.
Versicherungsvermittler haben uns gegenüber kritisiert, dass sie hohe Qualifikationsanforderungen erfüllen müssen, andere nicht. Weder die Mitarbeiter der Verbraucherzentralen müssen nachweisen, dass sie kompetent in Sachen Versicherungen sind, noch Call-Center-Mitarbeiter großer Onlinemakler, Verbraucherverbände oder Tippgeber. Herrscht hier eine Ungleichbehandlung vor?
Diana Ehrenberg: Die Begründung, dass Verbraucherzentralen und -verbände aufgrund ihres Non-Profit-Gedankens weder einer Qualifikation noch einer ständigen Weiterbildung unterliegen, empfinden wir ebenfalls nicht richtig. Wer Beratung anbietet, sollte auch in seinem Fachgebiet qualifiziert sein. Das erwartet der Kunde unabhängig, ob man als Verbraucherzentrale, Callcenter, Tippgeber bzw. Vermittler auftritt.
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Die Fragen stellte Björn Bergfeld