Vergleichsportale: Die Illusion von Objektivität

Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox erwecken die Illusion, besonders unabhängig und ohne Eigeninteresse Angebote zu vergleichen, und zwar aus Sicht des Kunden. Dies aber ist oft gar nicht der Fall. Vielmehr nehmen sie die meisten Gelder über gezahlte Provisionen für vermittelte Angebote ein. Rund 90 Prozent der Einnahmen verdanken Vergleichsportale – branchenübergreifend – den Provisionen, die entweder bei Vermittlung eines Angebots oder für die Versicherungsbranche auch als Bestandsprovisionen fließen können. Das geht aus einem Konsultationspapier des Bundeskartellamts hervor (der Versicherungsbote berichtete).

Anzeige

Das Interesse der Portale am Provisionsgeschäft steht demnach in einem nicht unproblematischen Spannungsverhältnis zum Kundeninteresse an einem objektiven Vergleich. Die Bedingungen dieses Geschäfts sind Kunden aber oft nicht ersichtlich. Um dies zu ändern, hat die EU-Kommission im April des vorigen Jahres einen Verordnungsvorschlag erarbeitet und – mit Datum vom 26.4.2018 – an verschiedene Akteure in Wirtschaft und Politik verschickt.

Positionspapier des GDV: Regulierungsvorgaben werden begrüßt

Letzten Mittwoch veröffentlichte nun der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sein Positionspapier zu diesem „Vorschlag für eine Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten“. Das GDV-Papier zeigt: Auch die Versicherer wünschen eine strengere Regulierung der Portale. "Begrüßt" man doch die "Intention des Verordnungsvorschlags" im Sinne eines "fai­ren und trans­pa­ren­ten Wett­be­werbs". Selten aber findet man ein Positionspapier des Interessenverbands, das strenge Regulierungsvorgaben derart gutheißt und darüber hinaus einfordert. Die Portale, so könnte man pointieren, sollen in einem sprichwörtlichen Sinne an die kurze Leine.

Gefordert: Verbot von Bestpreis-Klauseln

Dabei wirken die Forderungen zunächst ganz aus dem Geiste des Verbraucherschutzes erdacht: Zielen sie doch dort auf Transparenz oder fordern gar Verbote, wo das Geschäftsmodell der Vergleichsportale Objektivität vortäuscht, um zugleich hohe Provisionen von den Versicherern zu erwirtschaften. Am deutlichsten wird dies an der Forderung nach einem Verbot von "Exklusiv-Vertriebsvereinbarungen" oder einem Verbot der „Verwendung sogenannter Bestpreis-Klauseln“. Soll es doch den Portalen in Zukunft nicht mehr erlaubt sein, sich exklusive Vertriebskonditionen im unmittelbaren Geschäft mit den Versicherern zu erstreiten. Bestpreisklausel bedeutet stark vereinfacht, der Versicherer soll zusichern, dass ein Tarif anderswo nicht billiger zu haben ist; mitunter nicht einmal auf der eigenen Webseite.

Der Hintergrund dieser Forderung: Vergleichsportale profitieren von einem Exklusivitäts-Versprechen: Jedes Portal will den Kunden mit dem besten Angebot locken. Dabei jedoch stehen Portale in einem harten Wettbewerb sowohl untereinander als auch im Wettbewerb mit anderen Vertriebswegen. Während man außerdem dem Kunden das beste (und häufig zugleich auch billigste) Angebot verheißt, findet das wesentliche Geschäft zwischen den Portalen und den verglichenen Unternehmen statt. Neben möglichst hohen Provisionen könnten Portale versuchen, möglichst exklusive Bedingungen zu erstreiten. Was läge da näher, als die Kunden mit "Bestpreisen" zu ködern, die man zuvor mit dem eigentlichen Geschäftspartner, zum Beispiel mit einem Versicherungsunternehmen, ausgehandelt hat?

Sobald ein Portal aber eine große Reichweite und damit eine große Marktmacht hat, könnte ein solcher Versuch den freien Preisbildungsprozess für andere Vertriebswege oder auch andere Wettbewerber manipulieren. Die Portale könnten es zur Bedingung des Geschäfts machen, dass der Versicherer über andere Vertriebswege nicht günstiger anbieten darf. Von vorn herein stünde also fest: Günstiger als bei einem Portal darf es nicht werden, egal, wie viel Provision das Portal kassiert. Eine derartige Erpressung im Dienste des eigenen Vergleichs-Geschäfts aber soll es nicht geben dürfen. Aus diesem Grund sollen Vertriebsvereinbarungen wie Bestpreis-Klauseln in Zukunft europaweit „unzulässig“ sein, wenn es nach dem Interessenverband der Versicherer geht.

Gefordert: mehr Transparenz

GDV-Forderungen zur Transparenz lesen sich ebenfalls zunächst, als wären sie von Verbraucherschützern formuliert. So soll laut Papier „auf einfachem Wege erkennbar sein, welche Anbieter in den Vergleich einbezogen werden und welche nicht“. Verbraucherrechtliches Problemfeld hinter dieser Forderung ist die Marktabdeckung des Vergleichs.

Keineswegs nämlich vergleichen die Portale alle am Markt verfügbaren Angebote. Portale weisen zum Beispiel mitunter einen Tarif dann nicht aus, wenn bei Vertragsabschluss durch den Kunden keine Provisionen an das Portal fließen. Auch werden zum Teil keine Tarife ausgewiesen, die online gar nicht abschließbar sind. Die Kunden jedoch erfahren oft nicht, dass sie nur eine begrenzte Auswahl der am Markt verfügbaren Angebote durch ein Portal dargeboten bekommen.

Zahlen zur Marktabdeckung von Versicherungsportalen nennt hierbei das vom Bundeskartellamt vorgelegte Konsultationspapier. Vorausgesetzt sei: Die Zahlen entstammen einer Selbsteinschätzung der Portale. Trotz dieses Einwands sprechen aber bereits diese ermittelten Zahlen für sich und offenbaren: Die Tarifangebote bilden oft nur einen Teil des Marktes ab.

So machten für das Papier fünf Portale Angaben zur Marktabdeckung im Bereich der Haftpflicht- und Hausratsversicherung. Im Durchschnitt dieser Anbieter ergab sich für den Gesamtmarkt eine Marktabdeckung, die nur zwischen 55 Prozent und 56 Prozent lag. Für die Online-Marktabdeckung ergab sich ein Wert zwischen immerhin 71 Prozent und 72 Prozent. Das bedeutet aber auch: Schon nach Selbsteinschätzung der Portale werden fast 30 Prozent der online verfügbaren Haftpflicht- und Hausrat-Tarife nicht durch die Portale erfasst.

Für den Kfz-Markt ist außerdem relevant, dass der Marktführer bei Kfz-Versicherungen, die HUK-Coburg, ganz auf den Vertrieb über Vergleichsportale verzichtet und die Allianz mit ihren Kfz-Versicherungen nur bei Verivox "ins Auto stieg" (der Versicherungsbote berichtete). Keineswegs ist diese Zurückhaltung der Marktführer gegenüber den Portalen nur für die Kunden ärgerlich. Denn eine begrenzte Reichweite des Vergleichs kann auch als Argument gegen ein Portal wirken. So versucht mit Check24 der Marktführer unter den Vergleichsportalen sogar, Tarife der HUK-Coburg aufzulisten trotz verweigerter Kooperation – wenngleich ohne Preisangaben. Die HUK-Coburg klagte gegen diese Praxis, musste jedoch vor dem Landgericht Köln eine Niederlage hinnehmen (der Versicherungsbote berichtete).

Wenngleich die begrenzte Marktabdeckung demnach nicht nur für Kunden ein Problem ist, verbergen die Portale lieber derartige Probleme. So ging bisher nur Verivox den Weg, Kfz-Anbieter überhaupt aufzulisten, die nicht für einen Vergleich zur Verfügung stehen. Das jedenfalls erwähnt das Konsultationspapier des Bundeskartellamts. Bei der Reichweite des eigenen Vergleichs halten sich die Anbieter dann doch lieber bedeckt. Umso mehr könnte dies zutreffen, sobald ein Anbieter aufgrund von Exklusivverträgen und Preisabsprachen gar nicht alle Anbieter listen will, die dem Kunden vorenthalten werden. Auch deswegen ist die Forderung des GDV im Sinne der Verbraucher: Portale sollen in Zukunft auch kenntlich machen, welche Anbieter und Angebote nicht gelistet werden!

Gefordert: Dokumentationspflicht ... für Vergleichsparameter

Eine weitere Forderung im Dienste der Transparenz: Portale sollten die wichtigsten, das Ranking bestimmenden Parameter offenlegen. Doch damit nicht genug – denn keinesfalls soll ein Offenlegen genügen. Auch eine Dokumentationspflicht für diese Parameter fordern die Versicherer, was zu einigem Aufwand für die Portale führen dürfte. Sollten doch „zur besseren Nachvollziehbarkeit und Beweisbarkeit“ die Parameter auch „separat dokumentiert werden“ müssen. Legt man diese Forderung streng aus, müssten Portale dann auch für die Vergangenheit nachweisen, zu welchen Bedingungen und mit welchen Parametern zu einem bestimmten Zeitpunkt die Tarife gewichtet wurden. Hier lässt sich vermuten, dass den Versicherern oft selbst nicht transparent ist, weshalb ein Tarif an welcher Stelle im Ranking auftaucht.

Anzeige

Hinzu kommen Transparenz-Forderungen für die sogenannte „ „Position 0“ und damit für angezeigte Tarife auf jener Position, die Benutzer der Portale beim Aufrufen einer Seite zuerst sehen, ohne Filter gesetzt oder andere Voreinstellungen verändert zu haben. Das Bundeskartellamt verdeutlichte für sein Konsultationspapier: Solche Positionierungen sind äußerst wichtig, denn rund ein Viertel der Kunden, die über ein Portal einen Vertrag abschließen, würden sich für ein derart erstplatziertes Angebot entscheiden. Die Gefahr: Portale könnten durch höhere Provisionsforderungen oder Werbekostenzuschüsse eine solche Platzierung an Unternehmen „verkaufen“. Allerdings gilt das Problem bisher eher für andere Branchen wie zum Beispiel für den Vergleich von Energie-Anbietern. Für die Versicherungsbranche hingegen sind explizite Zusatzvergütungen für solche Platzierungs-Vorteile bisher nicht üblich, wie das Bundeskartellamt ebenfalls ausführt.

Portale sollen Kenntnisse über Produktmerkmale nicht nutzen dürfen

Das es den Versicherern aber keineswegs nur um das Kundenwohl bei den Forderungen gehen könnte, diesen Verdacht erweckt eine weitere Forderung. Schreiben sich die Versicherer doch auch ins Positionspapier: Kenntnisse über Produktmerkmale der gewerblichen Nutzer sollen nicht zu deren Lasten ausgenutzt werden dürfen. Was aber ist damit gemeint? Zwar sprechen die Erklärungen von „nicht öffentlichen“ Informationen. Jedoch wird, daran anknüpfend, ausgeführt: Den Online-Vermittlungsportalen sollte „untersagt werden, das Wissen über die Merkmale von Produkten ihrer gewerblichen Nutzer selbst wirtschaftlich zu nutzen.“ Eine recht ungenaue Formulierung, zumal auch „eine Rechtsfolgenregelung mit Beweislastumkehr oder Beweislasterleichterung zugunsten der gewerblichen Nutzer“ gefordert wird.

Die Frage ist nun: Zählen auch Merkmale unter diese Forderung, die im Sinne des Vergleichs gegen einen Tarif sprechen und diesen demzufolge im Vergleich schlecht dastehen lassen? Sollte also auch jenes Wissen über Nachteile eines Tarifs nicht mehr in einen Vergleich Eingang finden, das für Kunden von großer Wichtigkeit ist?

Anzeige

Hier kommt ein wichtiger Punkt zum Zuge aus dem Konsulationspapier der Kartellbehörde: Da nämlich das Verkaufen einer guten Positionierung über explizite Zusatzvergütungen bei Versicherungsportalen bisher nicht üblich wäre, können durchaus qualitative Anforderungen an die Angebote die herausgestellte "Position 0" der Portale mitbestimmen. So zeigt sich momentan vor allem ein Verbrauchermehrwert der herausgehobenen Positionierung, wenngleich bei fehlender Regulierung ein Missbrauch der hervorgehobenen Positionierung von Angeboten für die Zukunft nicht auszuschließen ist. Und dieser Verbrauchermehrwert bringt Versicherer natürlich in Zugzwang: Versicherungstarife müssen im Sinne der Kunden angepasst werden. Das zeigten in der Vergangenheit vor allem Ratings von Experten:

Im Nachhinein änderten Versicherungen Bedingungen der Tarife, sobald Vergleiche zu Kritik Anlass gaben, und zwar im Sinne der Kunden (der Versicherungsbote berichtete). Wirken sich schlechte Bedingungen für Kunden, die über den Vergleich transparent werden, doch als Wettbewerbsnachteil aus. Manche Tarife wurden in der Folge sogar ganz vom Markt genommen. Ein solcher Druck im Interesse des Kunden könnte nun auch durch Vergleichsportale entstehen. Und diesen Vergleichs-Druck könnten die Versicherer fürchten. Hierbei gilt es aber zu bedenken, dass die Produkttester oft auch Anbieter von Vergleichssoftware und von Beratungen sind: Sie haben also ebenfalls ein Eigeninteresse, wenn sie Tarife danach benoten, ob sie die eigenen Qualitätsstandards erfüllen. Im Zweifel wird ein Versicherer abgestraft, weil er nicht für die Services des Produkttesters zahlen will.

Ein weiteres wichtiges Motiv, weshalb die Versicherer eine Missbrauch von Produktmerkmalen fürchten könnten: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Onlineportale irgendwann selbst als Versicherer agieren wollen und eigene Policen entwickeln. Hier könnte den Versicherern daraus ein Nachteil entstehen, dass die Portale sehr genaue Kenntnis über Tarife und Online-Kundenstamm der jeweiligen Versicherer haben.

Fakt jedenfalls ist: Forderungen zu Regulierung stoßen beim GDV normalerweise eher auf Skepsis. Bei den Portalen hingegen, die den Wettbewerbsdruck auf Versicherer verstärken, ist man für ein „Mehr“ in dieser Hinsicht dann doch offen. Das könnte auch die Furcht der Versicherer vor dem Wettbewerbs- und Preisdruck neuer Vertriebswege zeigen, wie er bei der Kfz-Versicherung während der sogenannten "Wechselsaison" Herbst für Herbst besonders anschaulich wird (der Versicherungsbote berichtete). Eine solche Vermutung freilich ändert aber dennoch nichts an der Tatsache, dass eine Verordnung, wie sie von der EU-Kommission geplant und nun durch die Versicherer begrüßt wird, vor allem einer Gruppe nutzen würde: Den Endverbrauchern als Nutzern der Vergleichsportale.

Anzeige


Seite 1/2/