Rechtsschutzversicherung - Kosten für Rechtsstreite immer teurer
Die Kosten für Rechtsschutz sind erneut gestiegen. Allein zwischen 2012 und 2016 haben sich die durchschnittlichen Ausgaben der Rechtsschutz-Versicherer um knapp ein Fünftel verteuert, warnt aktuell die Versicherungswirtschaft. Viele Bürger könnten künftig davon ausgeschlossen werden, ihr Recht vor Gerichten durchzusetzen, weil für sie Rechtsstreite nicht mehr bezahlbar sind. Der mit Abstand größte Batzen entfällt dabei auf Anwaltskosten.
Wer in Deutschland in einen Rechtsstreit verwickelt wird oder selbst klagen will, muss dafür immer höhere Kosten einplanen. Das berichtet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am Donnerstag in einem Pressetext. Nach einer GDV-Analyse von jährlich 1,4 Millionen Rechtsschutzfällen haben sich die durchschnittlichen Ausgaben für Anwälte und Gerichte von 2012 bis 2016 um knapp ein Fünftel (19 Prozent) erhöht.
Anzeige
Allein im Jahr 2017 mussten die Rechtsschutzversicherer für 4,1 Millionen Streitfälle rund 2,7 Milliarden Euro zahlen, so schreibt der Verband weiter. Der größte Anteil entfällt dabei auf Anwaltshonorare, die für etwa 85 Prozent der Zahlungen verantwortlich seien. Doch auch die Gerichtskosten seien deutlich gestiegen. Weitere Kosten, etwa für Sachverständigen-Gutachten, sind hierbei noch nicht berücksichtigt.
Der GDV warnt nun, viele Bürger könnten komplett davon ausgeschlossen werden, ihr Recht wahrzunehmen, weil die finanziellen Hürden zu hoch seien. Damit Recht auch künftig bezahlbar bleibt, schlagen die Versicherer unter anderem vor, bei bestimmten, für Anwälte weniger aufwändigen Verfahren eine Gebührenminderung ins Kostenrecht aufzunehmen. Die in einem Prozess unterlegene Partei muss in der Regel sowohl die Gerichtskosten als auch die Gebühren für den eigenen und den gegnerischen Anwalt übernehmen.
Rechtsstreit im VW-Dieselgate: 6.500 Euro Kosten in der ersten Instanz
Mit welch hohen Kosten die Bürger rechnen müssen, wenn sie vor Gericht klagen wollen, verdeutlicht der GDV am Dieselgate-Skandal. Der Autobauer VW und einige andere Konzerne haben die Käufer mit beschönigten Abgaswerten getäuscht. Doch statt Schadensersatz wie in den USA zu erhalten, wo VW in Summe 7,4 Milliarden Dollar an 350.000 Kunden ausschütten musste, gingen deutsche Fahrer leer aus. Sie sollten mit einer Software-Nachrüstung Vorlieb nehmen, deren Nutzen zweifelhaft ist. Deshalb zogen viele enttäuschte Autofahrer vor Gericht und klagten.
Allein bis ein Urteil in erster Instanz ergehe, müsste ein VW-Kunde im Schnitt 6.500 Euro für Gerichts- und Anwaltskosten einplanen, rechnet der GDV vor. Nicht berücksichtigt seien hierbei Gutachterkosten, etwa um nachzuweisen, dass das eigene Auto selbst weit mehr Schadstoffe ausstößt als angegeben. Hierfür kann noch einmal eine drei- bis vierstellige Summe zusätzlich anfallen. Der Streitwert einer Diesel-Klage liege bei gut 23.000 Euro, berichtet der Verband weiter.
Dass der Klagewille der Geschädigten groß ist, zeigen ebenfalls Zahlen des Branchenverbandes. Nach aktuellen Zahlen der deutschen Versicherer hätten bis Ende 2018 etwa 144.000 Diesel-Fahrer ihre Rechtsschutzversicherung genutzt, um gegen Autobauer zu klagen.
Weitere knapp 400.000 Autokäufer haben sich einer sogenannten Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) angeschlossen: dieses Instrument soll es Verbrauchern ermöglichen, gemeinsam gegen einen Konzern zu klagen. Wer sich in ein Klageregister eintragen lässt, kann hierbei klären lassen, ob generell Anspruch auf Schadensersatz besteht. Seit dem 1. November 2018 gibt es diesen Klageweg im deutschen Recht.
Musterfeststellungsklage löst aktuell nicht das Kostenproblem
Die Krux daran: Der Erfolg einer Musterklage bedeutet nicht automatisch, dass die Verbraucher Schadensersatz erhalten. Danach muss jeder Verbraucher individuell einzeln klagen, wenn auch unter vereinfachten Bedingungen. Gerichts- und Anwaltskosten müssen dann trotzdem zunächst vorgeschossen werden, auch ist eine Niederlage vor Gericht trotz erfolgreicher Musterfeststellungsklage nicht ganz auszuschließen. So könnte die gegnerische Partei etwa argumentieren, dass der festgestellte Musterfall im konkreten Einzelfall gar nicht zutreffe (der Versicherungsbote berichtete). Gerade nach einem solchen Musterverfahren könnten Anwaltskosten künftig gedeckelt werden, argumentiert nun der GDV.
Anzeige
Bereits im Juni 2018 hatte der Versicherer-Dachverband vor den explodierenden Kosten von Rechtsstreiten gewarnt und weitere Beispiele genannt. Ein Rechtsstreit über eine Mietminderung wegen Schimmel in der Wohnung kostete 2016 knapp 5.000 Euro für ein erstinstanzliches Urteil: auch hier allein für Gerichts- und Anwaltskosten. Noch im Jahr 2012 mussten „nur“ circa 1.600 Euro für einen solchen Streit eingeplant werden. Wollen sich Mieter dagegen wehren, dass sie der Vermieter wegen Eigenbedarf aus der Wohnung werfen will, fallen knapp 2.950 Euro an Streitkosten bis zum ersten Urteil an. Und wer einen Mittelklasse-Wagen wegen Mängeln rückabwickeln will, muss mit Kosten von mehr als 8.000 Euro rechnen (der Versicherungsbote berichtete).