Versicherungsmanager fürchten Populismus und Überregulierung
Der aktuelle Global CEO Survey der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC offenbart: Manager*innen schauen weniger optimistisch als noch 2018 auf die Weltwirtschaft. Bei den gefürchteten Bedrohungen gibt es zudem einige Überraschungen: Insbesondere der Terrorismus als Gefahr für Unternehmen verliert an Relevanz. Schaut man konkret auf die Versicherungswirtschaft, werden Populismus und Überregulierung weit stärker als Bedrohung wahrgenommen als in anderen Branchen.
- Versicherungsmanager fürchten Populismus und Überregulierung
- Versicherungsbranche: Populismus als besondere Gefahr
Weltwirtschaftswachstum: Korrektur der Erwartungen
Alljährlich befragt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC Topmanager*innen und geschäftsführende Vorstände und stellt Ergebnisse ihres Global CEO Survey auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vor. Und es ist auch Tradition, dass wenig später die Umfragen einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert werden. Das trifft nun auch für die 22. Ausgabe des Global CEO Survey zu, die für das Jahr 2019 Erwartungen der Managerinnen und Manager erfragte. Die Umfrage zeigt: Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Stimmung eingetrübt.
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So rechnen laut Global CEO Survey 29 Prozent der Befragten mit einem Rückgang des Weltwirtschaftswachstums in den kommenden zwölf Monaten. Eine Zahl, die insbesondere im Vergleich zum Vorjahreswert an Aussagekraft gewinnt – denn 2018 waren es nur fünf Prozent, die mit einem Rückgang des Wirtschaftswachstums rechneten. Hinzu kommt: Auffallend ist der Wert sogar für einen Zahlenvergleich über einen längeren Zeitraum hinweg. In den zurückliegenden sieben Jahren rechneten nämlich einzig im Jahr 2012 mehr Teilnehmende an der Umfrage mit einem Rückgang des Weltwirtschaftswachstums – die damaligen 48 Prozent Pessimisten dürften sich durch die unmittelbare Erfahrung der Finanzkrise ab 2011 erklären. Bestimmen also Krisenstimmung und Pessimismus die aktuelle Wahrnehmung der Manager*innen?
Ein anderer Zahlenwert relativiert den Eindruck und zeigt: Aktuelle Umfragewerte gleichen eher einer Bewölkung nach einer Schönwetter-Phase denn einem Umwetter. Noch immer nämlich ist die Zahl derer groß, die mit einer Verbesserung der Weltwirtschaft rechnen. Zwar gingen zwischen 2018 und 2019 optimistische Antworten ebenfalls um 15 Prozentpunkte zurück – aktuell rechnen noch etwa 42 Prozent der Befragten mit einer Verbesserung des Weltwirtschaftswachstums. Dennoch steht dieser Umfragewert des 22. CEO Survey keineswegs für eine Krisenstimmung: Mit 42 Prozent erwarten für 2019 noch mehr Manager*innen eine Verbesserung der Weltwirtschaft als für 2015 (mit damaligen 37 Prozent) und 2016 (mit damaligen 27 Prozent). Zu Beginn des Jahres 2017 erwarteten sogar nur 17 Prozent, dass es mit der Weltwirtschaft aufwärts geht. Die Eintrübung der aktuellen Umfrage kommt also keineswegs einem allgemeinen Pessimismus gleich.
Politische Unsicherheiten als neue Bedrohung
Was aber fürchten die Führungskräfte der Unternehmen am meisten? Jedes Jahr erfragt der Global CEO Survey auch Gefahren, die aus Sicht der Managerinnen und Manager das Geschäft des eigenen Unternehmens bedrohen. Hierfür wird den Manager*innen eine Liste vorgelegt. Bei möglicher Mehrfachnennung sollen allerdings nur jene Risiken und Gefahren der Liste genannt werden, aufgrund derer die Manager*innen wirklich „äußerst besorgt“ („extremely concerned“) sind. Das Angstbarometer des CEO Surveys zeigt diesjährig auffallende Veränderungen gegenüber den Vorjahresergebnissen.
Terrorismus als Bedrohung verliert an Relevanz
Zwar: Noch immer, wie eh und je, fürchten Unternehmen aufgrund einer Überregulierung der Märkte um ihren Geschäftserfolg. So steht diese Gefahr, wie schon im Vorjahr, als Top-Bedrohung ganz oben auf der Liste der Unternehmensängste. Allerdings ist die Tendenz rückläufig: Statt 42 Prozent in 2018 nannten in 2019 nur noch 35 Prozent „Overregulation“ als „Top-Threat“. Neue Bedrohungen jedoch rücken zunehmend in den Fokus der Furcht und bisherige Bedrohungen verlieren an Gewicht. Das wird an jenem Risiko deutlich, das neben der Überregulierung ebenfalls lange meist-gefürchtet wurde: Der Terrorismus verliert an Relevanz in der Sicht der Manager*innen.
In 2018 nannten noch 41 Prozent der Manager*innen den Terrorismus als eine Bedrohung, die Anlass zu äußerster Sorge für das eigene Unternehmen gibt. Aktuell jedoch sind es nur noch 13 Prozent, die sich für „Terrorism“ als „Top-Threat“ entscheiden. Die Bedrohung fällt ab von Rang zwei auf Rang 23 der Unternehmensängste.
Hingegen wurde durch die Umfrage in 2019 erstmals eine Bedrohung vorgegeben, die durch 35 Prozent Nennungen sogar gleichauf mit der Überregulierung liegt: Politisch bedingte Unsicherheiten („Policy uncertainty“). Man könnte das dahinterstehende Teilergebnis der Umfrage wiefolgt pointieren: Zwar wissen viele Manager*innen noch nicht, wohin sich das politische Umfeld entwickelt. Die aktuelle Situation jedoch gibt Anlass zur Sorge – Ursachen jedoch werden zunehmend im traditionellen Umfeld der Politik gesehen und immer weniger im extremistischen Handeln von Terroristen.
Welche Bedrohungen aber spielen für 2019 noch eine Rolle in der Wahrnehmung der Manager*innen? Es landet auf Rang drei des Barometers der Unternehmensängste: Der Fachkräftemangel beziehungsweise das Fehlen von Schlüsselqualifikationen ("Availability of key skills") mit 34 Prozent Nennungen. Letztjährig stand diese Bedrohung noch auf Rang fünf der Liste. 2019 auf Rang vier der gefürchteten Bedrohungen: Handelskonflikte ("Trade conflicts"), die erstmalig durch den Survey vorgegeben wurden. Sofort offenbart diese Bedrohung durch eine hohe Platzierung und 31 Prozent Nennungen ihr Bedrohungspotential in der Wahrnehmung der Unternehmen.
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Auf Platz fünf der Liste: Cyber-Gefahren durch die zunehmende Digitalisierung ("Cyber threats"), die letztjährig noch auf Rang vier der Liste landeten. Pointierend lässt sich feststellen: Politisch bedingte Unsicherheiten bestimmen ebenso die Wahrnehmung der Manager*innen wie die Angst, fähige Fachkräfte zu finden oder wie Gefahren durch neue Technik. Nimmt man mit Rang sechs und 30 Prozent Nennungen noch die geopolitischen Unsicherheiten („Geopolitical uncertainty“) als gefürchtete Bedrohung hinzu, scheint sich im politischen Handel von Akteuren ein neuer Schwerpunkt der Unternehmensängste zu zeigen – Handelskriege wie der aktuelle Konflikt zwischen den USA und China spielen in der Wahrnehmung von Manager*innen ebenso eine Rolle wie eine zunehmend unvorhersehbare Politik auch der Industrienationen.
Versicherungsbranche: Populismus als besondere Gefahr
Der 22. CEO Survey stellt auch einige ausgewählte Ergebnisse für jene Manager*innen vor, die nur im Versicherungssektor tätig sind. Und mit Blick auf die Risiken gibt es einen auffallenden Unterschied zur übergeordneten Auswertung. Zwar: Auch innerhalb der Branche fürchten Manager*innen die Überregulierung am meisten – und zwar sogar mehr als der Durchschnitt aller Branchen. Denn statt 35 Prozent verzeichnet die gesonderte Branchenauswertung sogar 47 Prozent Nennungen für „Overregulation“ auf Platz eins aller Bedrohungen. Noch immer also ist die Überregulierung eine relevante Bedrohung aller Branchen mit herausgehobener Relevanz für die viel regulierte Versicherungsbranche.
Hier sei daran erinnert, dass die Versicherer nicht nur den enormen bürokratischen Aufwand von Solvency II und anderen Regulierungsvorgaben kritisiert haben. Sie fürchten auch, dass sich große Tech-Wettbewerber wie Google und Amazon dadurch einen Vorteil verschaffen, dass sie weit weniger streng reguliert sind. Entsprechend haben sich Axa-Chef Thomas Buberl und Signal-Iduna-Chef Ulrich Leitermann zuletzt positioniert und von einem "unfairen Wettbewerbsvorteil" der großen Weltkonzerne aus Silicon Valley gesprochen. Sie könnten, zugespitzt formuliert, "Too big to be regulated" sein.
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Auffallend aber an der branchenspezifischen Auswertung ist eine weitere Abweichung, und diese betrifft Rang zwei der Bedrohungs-Liste. Erneut nämlich und wie im Vorjahr wird im Versicherungssektor „Populismus“ als zweithäufigste Bedrohung genannt mit äußerstem Anlass zur Sorge für das Unternehmensgeschäft. Zwar gingen für den Populismus Nennungen in 2019 zurück – statt 50 Prozent Nennungen für 2018 wurden nur noch 30 Prozent in der aktuellen Umfrage für die Versicherungsbranche registriert. Und dennoch fällt auf: Statt auf Rang acht der branchenübergreifenden Auswertung landet der Populismus auch in 2019 auf Rang zwei der gefürchteten Bedrohungen für die Versicherungsbranche. Populistische Meinungen und populistische Politik scheinen demnach für Unternehmen der Versicherungsbranche relevanter als für andere Branchen, wie erneut durch den aktuellen CEO Survey ersichtlich wird.
Hintergrund:
Für das 22. CEO Survey befragte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC Topmanager*innen und geschäftsführende Vorstände, insgesamt nahmen 1.378 CEOs aus 91 Ländern an der Umfrage teil. Antworten von 140 Teilnehmenden der Studie flossen in eine gesonderte Auswertung für die Versicherungsbranche ein. Studienergebnisse werden online vorgestellt. Zudem kann eine PDF-Broschüre mit ausgewählten Informationen zur Studie auf der Seite des Beratungsunternehmens heruntergeladen werden.
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Zusammenfassende Artikel auf Seiten des Unternehmens stellen zudem branchen- und länderspezifische Ergebnisse vor. Insbesondere für länderspezifische Auswertungen werden jedoch durch die Studienmacher nur ausgewählte Ergebnisse zugänglich gemacht. So unterliegt laut Unternehmen zum Beispiel die Teilnahmezahl deutscher Manager*innen dem Datenschutz, weswegen die Datenbasis einer deutschlandspezifischen Auswertung leider verborgen bleiben muss (wie eine Anfrage des Versicherungsboten ergab).
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