P&R-Skandal: Erstmals Vermittler zu Schadensersatz verurteilt
Im Skandal um den insolventen Container-Investor P&R gibt es ein erstes Urteil, das den Anlegern Hoffnung macht. Ein Vermittler wurde vom Landgericht Erfurt zu Schadensersatz verurteilt, weil er seinen Kunden nicht über Risiken des Investments aufgeklärt hat und damit Informationspflichten verletzt. Zuvor waren häufig Makler Sieger der Streite. Rechtskräftig ist das Urteil freilich noch nicht (Urteil vom 22.02.2019, Az. 9 O 736/18).
- P&R-Skandal: Erstmals Vermittler zu Schadensersatz verurteilt
- Lücken im Prospekt
Die Milliardenpleite des Container-Investors P&R-Gruppe droht für viele Privatanleger zum Desaster zu werden. Die Firma ist in die Insolvenz geschlittert, der Firmengründer Heinz R. muss sich wegen Betruges verantworten. Von den angeblich 1,6 Millionen Containern, die das Unternehmen aus Grünwald bei München besessen haben soll, waren nur circa 618.000 Stück auffindbar. Es spricht vieles dafür, dass schon seit langer Zeit nicht mehr alle neu eingesammelten Gelder in Container investiert wurden, sondern nötig waren, um laufende Forderungen zu begleichen. Viel zu holen ist für die Kundinnen und Kunden da nicht mehr. 54.000 Anleger haben 3,5 Milliarden Euro investiert, das macht die P&R-Pleite zu einem der größten Finanzskandale in der Geschichte der Bundesrepublik.
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Es sei denn, die Geschädigten können einen Vermittler bzw. Bankberater haftbar machen und ihm Falschberatung nachweisen. Dann nämlich muss dessen Vermögensschadenhaftpflicht für den erlittenen Schaden einspringen. Genau ein solches Urteil ist nun vom Landgericht Erfurt ergangen, wie mehrere Anwaltskanzleien und die Verbraucherzentrale Hamburg berichten.
Totalverlustrisiko verharmlost und verschwiegen
Im konkreten Rechtsstreit wendeten sich die Kläger gegen den Geschäftsführer eines Erfurter Finanzdienstleisters, der heute als Finanzanlagenvermittler nach §34f registriert ist. Bereits im Jahr 1992 waren den Geschädigten erstmals Verträge mit den insgesamt vier operativ tätigen P&R-Gesellschaften vermittelt worden. Sie hatten einen sechsstelligen Betrag investiert. Diese Investments wurden zunächst 1999 und 2013 aufgefrischt. Nach der Insolvenz des Geldhauses fordern die Privatanleger Schadensersatz.
Konkret sah das Geschäftsmodell so aus: P&R verkauft Seecontainer an Investoren und Kleinanleger, um sie dann zurückzumieten. Dann boten die Bayern die gemieteten Container wiederum selbst auf dem internationalen Handelsmarkt an und vermieteten sie an große Leasinggesellschaften. Zum einen versprach P&R den Anlegern garantierte Mieteinnahmen, die quartalsweise ausgezahlt wurden. Zum anderen erhielten die Anleger nach fünf Jahren ein Rückkaufangebot für den Container von 65 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises. Insgesamt vier Tochtergesellschaften von P&R waren beteiligt.
Streitgegenstand ist im vorliegenden Urteil nur das Geld aus dem letzten Investment, also von 2013. Doch bereits in früheren Verkaufsgesprächen habe der Vermittler die Anlage als „absolut sicher und verlässlich“ dargestellt, so heißt es nun in der beglaubigten Abschrift des Urteils, die auf der Webseite der Verbraucherzentrale Hamburg einzusehen ist. P&R-Investments seien „das Beste, was es gibt“, so sei den Anlegern versprochen wurden. Explizit hätten die Kläger den Vermittler darauf hingewiesen, dass sie das Investment als Altersvorsorge planen und es weniger auf Rendite ankomme, sondern auf Sicherheit.
Tatsächlich hatten die Klagenden vor Gericht Erfolg. Dem Kläger stünde Schadensersatz zu, weil der Finanzdienstleister „die ihr obliegenden Auskunftspflichten bei der Vermittlung der Kauf- und Verwaltungsverträge mit den P&R-Gesellschaften schuldhaft verletzt hat“, betonte das Landgericht Erfurt. Es berief sich dabei auf § 280 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
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Als die Anleger 2013 erneut den Rat des Anlagevermittlers suchten, sei es stillschweigend zu einem Auskunftsvertrag gekommen, begründeten die Richter ihr Urteil. Dabei hätten sich die Anleger darauf verlassen können, dass der Vermittler aufgrund seiner Sachkunde zu einer „vollständigen und richtigen Auskunft“ über das Anlageprodukt verpflichtet gewesen sei. Diese Auskunftspflichten hätte der Beklagte verletzt, indem er über Risiken des Anlagemodells nicht aufgeklärt habe.
Lücken im Prospekt
Auf einen Punkt hoben die Richter besonders ab: So hätte der Vermittler auch Lücken im Prospekt erklären müssen. Die Kauf- und Verwaltungsverträge hätten den Käufern suggeriert, dass die zu erwartenden Mieten „garantiert“ seien und eine Versicherung gegen alle Risiken daraus bestehe, so dass im Falle eines Totalverlusts den Anlegern ein gleichwertiger Container übertragen wird. Das sei nicht der Fall gewesen. Stattdessen hätten die übernommenen Garantien unter dem Vorbehalt erheblicher Risiken gestanden:
- P&R hatte keine Mietausfallversicherung abgeschlossen, um die Mieten abzusichern
- Die "garantierten" Miet-Einnahmen waren im Falle einer Insolvenz gefährdet.
- Falls kein Nachmieter für einen Container gefunden werden konnte, wenn der bisherige Mieter abspringt oder in Zahlungsschwierigkeiten gerät, sei ebenfalls mit einem Ausfall der Mieten zu rechnen gewesen. Speziell nach der Finanzkrise, als der Welthandel einbrach, hatte P&R Probleme, die Container an Reedereien zu vermieten.
„Darüber, dass in diesem Fall ein Totalverlustrisiko bis hin zur Privatinsolvenz der Anleger besteht, schweigen die Prospekte“, heißt es zur Begründung des Urteils. Der Vermittler hätte über die Risiken aufklären müssen. Rechtskräftig ist der Richterspruch noch nicht.
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Andere Urteile zu Gunsten der Vermittler
Vielen Geschädigten macht dieses Urteil Hoffnung. Das Handelsblatt weist jedoch in einem Artikel darauf hin, dass auch mehrere Privatanleger vor Gericht unterlegen gewesen seien. So habe das Landgericht Flensburg zwei Klagen von Anlegern abgeschmettert, die jeweils 17.000 Euro und 32.000 Euro bei P&R investiert hatten. Ein ähnliches Urteil fällte das Landgericht in Ansbach (Az. 3 O 557/18, ebenfalls nicht rechtskräftig).
Das Gericht "ging hierbei von einer reinen Containerbestellung aus, so dass den beklagten Vermittler keine Aufklärungspflichten trafen", erklärt Jan C. Knappe aus der Münchener Kanzlei Dr. Roller & Partner dem "Handelsblatt". Hier spiele vor Gericht auch der feine Unterschied zwischen Beratung mit Aufklärungspflicht und reiner Vollstreckung einer Kauforder ("execution only") eine Rolle.
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Anmeldefristen beachten!
Die Verbraucherzentrale Hamburg argumentiert: "Nun ist jeder Fall anders gelagert, doch zeigt das Urteil der Erfurter Richter, dass Anleger durchaus mit Aussicht auf Erfolg Schadensersatz von ihren Vermittlern verlangen können, wenn diese sie nicht vollständig über die mit der Investition verbundenen Risiken aufgeklärt haben". Das Gericht habe die Pflichten von Finanzvermittlern, die P&R-Verträge vermittelt haben, sehr detailliert aufgezeigt. Dabei gelte es auch, Verjährungsfristen zu beachten, wenn man in der Sache klagen will. Um Forderungen in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen von P&R-Chef Heinz Roth geltend zu machen, ende die Anmeldefrist am 18.04.2019.
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