Man könnte Aussagen, die Grünen-Politiker Gerhard Schick jüngst in einem Interview mit dem Portal dasinvestment.com zur Finanzberatung äußerte, als pauschalisierende Polemik abtun: Schwarze Schafe „zu vielen Tausenden“ sieht der kritische Ökonom unter den Finanzberatern und spricht von „Fällen“ in denen „Menschen glücklich gewesen wären, wenn sie einen bestimmten Finanzberater nie getroffen hätten.“ Die Aussagen betreffen direkt die Versicherungsbranche: Schick zeichnet das Bild einer deutschen Vorsorgearchitektur, in der die meisten Menschen gar nichts oder nur wenig für das Alter zur Seite legen können – und tun sie es dennoch durch private Altersvorsorge, finanzieren sie mit einem großen Teil ihrer geringen Habe auch noch eine aufgeblähte Branche.

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Empörung durch die Versicherungswirtschaft aufgrund solcher Aussagen ist zu erwarten. Mit einer Zurückweisung sollte man jedoch nicht zu schnell sein – denn Schick wirft Fragen auf, zu denen die Versicherungsbranche liefern muss, will sie sich nicht selber das Wasser abgraben. Dabei aber übersieht Schick in seiner Interview-Polemik gegen den "Finanzberater" ein Problem: Die Beratung benötigt auch gute Produkte.

Eine neue Bürgerbewegung will die "Finanzwende"

Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen und langjähriger Bundestagsabgeordneter, bekundete im September 2018 eine ungewöhnliche Entscheidung: Schick beschloss, sein Bundestagsmandat niederzulegen, um sich ab Beginn 2019 in der von ihm gegründeten "Bürgerbewegung Finanzwende" zu engagieren.

Ungewöhnlich wirkte die Entscheidung schon deswegen, weil Schick zum einen lange – zwischen 2005 und 2018 – im Bundestag wirkte, er sich zudem in verschiedene Gremien und Ausschüsse zu wirtschaftspolitischen Fragen einbrachte. Als Mitglied im Finanzausschuss und als stellvertretendes Mitglied des Haushaltsausschusses war er in der Vergangenheit auch öffentlich präsent. Er bekleidete zudem das Amt des finanzpolitischen Sprechers seiner Partei, verschaffte sich Gehör. Das erklärt seine Bekanntheit: Als markt- und regierungskritischer Finanzexperte rückte Schick über den Bundestag in die Riege der Polit-Prominenz auf.

Überraschend also kam für viele der selbst gewählte Abschied aus dem Parlament. Jedoch hatten sich für Schick Einflussmöglichkeiten als Parlamentarier erschöpft – weswegen der Politiker einen neuen Weg suchte, für eine „Finanzwende“ in seinem Sinne zu streiten. Über eine zivilgesellschaftliche und parteiübergreifende Bewegung möchte er nun politischen Einfluss nehmen, ohne in seinem Engagement an Parteiinteressen und parlamentarische Beschränkungen gebunden zu sein. Ziel seiner Bewegung ist nichts Geringeres als eine grundlegende Veränderung der Finanzpolitik und der Märkte unter den Schlagworten der Nachhaltigkeit und Stabilität: Die Finanzwirtschaft „soll den Menschen dienen und nicht umgekehrt“, wie es auf der Seite der neuen Bewegung heißt.

Die Bewegung könnte Zuspruch finden

Zwei Kernthemen der Finanzpolitik haben sich hierbei für Schick über die Jahre herauskristallisiert. Das eine Kernthema sind Fehlentwicklungen der Finanzwirtschaft, die offenkundig wurden in der Finanzkrise seit 2008 und die zum Beinahe-Crash des weltweiten Finanzsystems führten. Das andere Kernthema sind Fehlentwicklungen, die in der Folge zur so genannten „Eurokrise“ führten. Unterthemen wie „intransparente Märkte", „Bankenrettung zu Lasten der Bevölkerung“, „Interessengeflecht aus Staat und Konzernen“ bestimmten den Diskurs.

Besonderer inhaltlicher Schwerpunkt war für Schick in den letzten Jahren das „Prinzip Gier“ an den Märkten sowie der Steuerbetrug: In seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter initiierte Schick mit weiteren Oppositionspolitikern einen Untersuchungsausschuss zu so genannten „Cum-Ex-Geschäften“, um aufzuklären, wie Großaktionäre sich durch Wertpapier-Transaktionen rund um den Dividendenstichtag vom Staat Milliardenbeträge ergaunerten – durch Rückerstattung von Steuern, die sie nie bezahlt hatten. Als Berichterstatter wirkte er an dem 830 Seiten umfassenden Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses mit, wurde zudem als Sachverständiger im Europäischen Parlament angehört. Das muss in der Auseinandersetzung mit der neuen Bewegung bedacht werden: Wer Schick und seinen Mitstreitern die Expertise abspricht, macht es sich zu leicht.

Und etwas Weiteres gilt es zu bedenken: Schicks Positionen beschränken sich keineswegs auf standardisierte Antworten nach „mehr Staat“ und „weniger Markt“, wie sie viele Linke vorbringen. Im Gegenteil: Ein fairer Wettbewerb und ein transparenter Markt sollen Fehlentwicklungen beseitigen. Diese Anschlussfähigkeit der Standpunkte dürfte seiner Bewegung Zulauf sichern: Sie spricht auch Menschen an, die sich eher nach Antworten möglicher schwarz-grüner Koalitionen als nach einer neuen linken "Internationale" sehnen. Zu den Geldgebern der Bewegung zählt auch die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung sowie die European Climate Foundation. Schon dies zeigt: Auch, wer die neue Bewegung als politischen Akteur nicht ernst nimmt, macht es sich zu leicht.

Schicks Argumentation: Aus Interessenskonflikten ernährt sich die Branche

Warum aber sollte man Schick zuhören? Der Grund ist einfach. Im Interview mit dem Finanzportal greift Schick eine Argumentation auf, die längst parteiübergreifend bis in Regierungskreise hinein diskutiert wird. Dahinter stehen Fragen, die nach Antworten durch die Versicherungsbranche verlangen. Das wird bei dem Thema „Altersvorsorge“ offensichtlich: Schick kritisiert Vorsorgeprodukte wie die Riester-Rente als „Branchenlösung“, bei der „ganz viele Leute die Hand aufhalten“. Für die Altersvorsorge sind derartige Branchenlösungen aus Sicht des Grünen-Politikers fatal: Sie führen zu einer hohen Abgabenlast. So könne ein Groß der Menschen nichts für das Alter zurücklegen. Wenn aber Menschen dann doch mühsam etwas Geld für das Alter absparen, bleibe ein großer Teil des wenigen Geldes in der Beratung, bei den Provisionen und den hohen Kosten der Gesellschaften hängen.

Aus Sicht des Politikers ist dieses Geld für die Beratung aber keineswegs gut investiert, wie eine besonders scharf wirkende Äußerung verdeutlicht: Auf den Hinweis, in anderen Ländern wie Großbritannien wären aufgrund eines Provisionsverbots viele Menschen von der teurer gewordenen Honorarberatung abgeschnitten, rechtfertigt Schick seine Forderung mit den Worten: „Ich habe viele Fälle gesehen, in denen Menschen glücklich gewesen wären, wenn sie einen bestimmten Finanzberater nie getroffen hätten.“ Hält Schick demnach Finanzberatung für gänzlich überflüssig? Oder plädiert er für eine Marktbereinigung? Es steht mehr dahinter, wie seine weiteren Ausführungen zeigen.

Für ein ganzes Marktsegment der Altersvorsorge scheint nämlich auch die ansonsten ins Feld geführte Honorarberatung überflüssig – und zwar just für jenen Kreis der Vorsorgesparer, die durch die Riester-Rente angesprochen werden sollen. Das offenbart der Politiker durch eine rhetorische Frage, auf die er sich zuvor schon die Antwort gab. Sie zielt auf eine schwedische Lösung auch für die deutsche Vorsorgelücke im Alter: „Wenn der schwedische Staat es schafft, seinen Bürgern zur Altersvorsorge etwas anzubieten, das extrem niedrige Kosten hat und eine deutlich bessere Rendite bringt als die meisten Riester-Produkte in Deutschland, dann muss man sich schon fragen: Warum können die Schweden das und wir nicht?“

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Die Antwort wurde zuvor durch den Grünen-Politiker zwar indirekt, aber deutlich gegeben: Der Staat tut nicht genügend gegen provisionsbasierte Vermittlung, da er mit Aufrechterhaltung der Interessenkonflikte auch bestimmte Brancheninteressen bedient. Bedeutet doch eine hohe Abgabenbelastung bei der Altersvorsorge auch stets: Ein nicht geringer Teil der Abgaben nährt verschiedene Akteure der Versicherungsbranche.

Die Schweden als Vorbild: gut und günstig vorsorgen

Die Lösung des Problems fehlender Altersvorsorge sieht Schick also beim Staat, der wie in Schweden auf eine kapitalgedeckte Rente als Ergänzung zum umlagefinanzierten System setzen soll. Denn in Schweden fließen – verpflichtend – 2,5 Prozent des Lohns einer jeden Person mit gesetzlichem Rentenanspruch über die so genannte „Prämienrente“ in die kapitalgedeckte Altersvorsorge. Diese Gelder können entweder in eine vorgegebene Auswahl von etwa 800 Anlageprodukten investiert werden. Oder das Geld fließt automatisch in den staatlichen Fonds AP7. Hinzu kommen für das schwedische Cocktail kapitalgedeckter Altersvorsorge 4,5 Prozent des Einkommens, die „quasi-obligatorisch“ in die Betriebsrente fließen. Insbesondere der Erfolg des schwedischen Prämienrentensystems jedoch hat es Kritikern der teuren deutschen „Branchenlösung“ Riester-Rente angetan.

Denn das schwedische System arbeitet weit kosteneffizienter als das deutsche Riester-System – und das bei beeindruckenden Erfolgen. So führt ein Forschungsbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) aus dem Jahre 2017 aus: Das kapitalgedeckte Prämienrentensystem der Schweden als verpflichtende Ergänzung des umlagefinanzierten Systems hat nur zwei Kostenelemente: Gebühren für das Fondsmanagement sowie Verwaltungsgebühren der Schwedischen Rentenagentur. Diese Gebühren sind erstaunlich niedrig: Im Jahre 2015 lagen die anteiligen Verwaltungskosten bei 0,07 Prozent des verwalteten Kapitals und die Kosten für das Fondsmanagement (aufgrund eines mit den Fonds ausgehandelten Rabattsystems) bei 0,23 Prozent des Kapitals. Solche Werte wirken unschlagbar und bilden für Kritiker der deutschen Vorsorgelandschaft wie Gerhard Schick einen willkommenen Kontrast insbesondere zu den oft hoch wirkenden Abschluss-, Beratungs- und Betreuungskosten für zusätzliche Vorsorgeprodukte in Deutschland.

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Riester-Rente: Gesamtkosten bis 41 Prozent

In diesem Kontext ist eine Tabelle der Studie interessant, die mit einem früheren Stand von 2013 die Gesamtkosten bei hohen Kapitalerträgen gegenüberstellt: Für den schwedischen AP7-Fonds fallen für „hohe Kapitalerträge" mit einem jährlichen Ertrag von 8 Prozent auf Aktien und 5 Prozent auf Anleihen insgesamt Kosten von 6,4 Prozent an. Im Kontrast dazu stehen Kosten für verschiedene Riester-Verträge: In 2013 wurden hier Kosten zwischen 28 Prozent (für den günstigsten Fall) oder sogar 41 Prozent (für den teuersten Fall) ermittelt. Solche Zahlen überzeugen.

Denn Ideen für ein rein staatlich organisiertes Standardprodukt zum Selbstkostenpreis bestimmen nicht nur den Diskurs der Grünen oder den Diskurs von Kritikern branchennaher Marktlösungen. Schon die Tatsache, dass ein ganz ähnlich gelagertes Modell – die Deutschland-Rente mit ihrer Opt-out—Lösung eines „Heraus-Kommens“ aus dem Staatsfonds nur bei explizitem Widerspruch – auch von der CDU in Hessen mitgetragen wurde, zeigt: Über Parteigrenzen hinweg liebäugeln Politiker mit Lösungen wie jenen des schwedischen Staates. Es war sogar die CDU, die das Thema neu für die Landtagswahlen entdeckte (der Versicherungsbote berichtete).

Altersarmut bringt Politik in Zugzwang

Wer demnach meint, es wäre nach der letzten Bundestagswahl Ruhe beim Konzept der so genannten „Deutschland-Rente“ eingetreten, der könnte sich schnell täuschen. Und das hat seinen Grund. Denn beängstigende Versorgungslücken im Alter und drohende Altersarmut, wie immer wieder prognostiziert, verlangen Antworten durch die Politik. Altersarmut in großen Teilen der Bevölkerung wirkt sich für Betroffene verheerend aus und gefährdet letztendlich auch die politische Stabilität und die Demokratie eines Landes. Politiker sind im Zugzwang. Und auch die Versicherungsbranche ist im Zugzwang, wenn sie nicht große Teile des Marktes an den Staat abgeben will.

Setzten Versicherungen das Vertrauen aufs Spiel?

Hier kommt eine Eigenschaft privater Vorsorgeprodukte zum Tragen, mit der sich obligatorische Rentenlösungen nicht herumschlagen müssen: Gerade für Menschen mit niedrigem Einkommen ist das Zurücklegen fürs Alter eine Frage des Vertrauens. Wer nicht viel hat, muss umso früher anfangen, fürs Alter vorzusorgen und Kapital aufzubauen. Solange das Vertrauen auf dem Spiel steht oder intransparente Produkte Misstrauen erregen, reicht hingegen ein Beschwören der Vorsorgelücke nicht aus, damit Produkte der Versicherungswirtschaft diese Lücke stopfen.

Solange hingegen intransparente Produkte Misstrauen erregen, reicht ein Beschwören der Vorsorgelücke nicht aus, damit Produkte der Versicherungswirtschaft diese Lücke stopfen. Reagieren Versicherer angemessen auf diesen Umstand? Öffentliche Diskurse der letzten Zeit zur Lebensversicherung und zur Riester-Rente erwecken eher den Eindruck, so mancher Anbieter ist sich seiner Verantwortung kaum bewusst.

"Run-Offs" und "doppelte Abschlusskosten": Das Spiel mit dem Kunden-Vertrauen

So bestimmten Pläne der Generali, rund vier Millionen hochverzinste Lebensversicherungen an den Run-off-Experten Viridium zu verkaufen, das Bild der Lebensversicherung in der Öffentlichkeit bis hinein in Polit-Talkshows wie „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg. Die Ergo als Konzerntochter der Munich Re plante ähnliches ausgerechnet bei Altverträgen einstiger Traditionsmarken der Ergo Leben und der Victoria – und machte vielleicht nur aufgrund öffentlicher Kritik einen Rückzieher (der Versicherungsbote berichtete).

Zwar mögen viele Ängste der Kunden in Verbindung mit Run-offs unbegründet sein. Das Signal aber ist deutlich: Vertrauen in langjährige Vertragsbindungen wird „belohnt“ durch Auslagerung und Abgabe von Altverträgen, sobald diese den Versicherern unrentabel erscheinen. Oder direkter gesprochen: Die Versicherer wollen sich ihrer Kunden entledigen, weil diese nicht mehr ausreichend Gewinn versprechen.
 Der Verbraucher schließt ja gerade deshalb einen Vertrag bei einem bestimmten Altersvorsorge-Anbieter ab, weil er genau diesem Anbieter vertraut und ihn als Partner für die Altersvorsorge gewinnen will. Laut einer Umfrage von YouGov betrachten folglich 76 Prozent der Sparer den Verkauf an einen Run-off-Anbieter als Vertrauensbruch.

Riester-Rente: Doppelte Abschlusskosten und Intransparenz


Ein solches Bild fataler Außenwirkung verbessert sich auch kaum beim Blick auf die angebotenen Riester-Produkte: Verbraucherschützer kritisieren kontinuierlich hohe Kosten und fehlende Transparenz – wie auch eine aktuelle Kontroverse um eine Studie des verbrauchernahen Bunds der Versicherten (BdV) zeigt. Die Studie trägt den bezeichnenden Titel "Das Kopfkissen - die bessere Riester-Rente?“. Nun mag die Branche beschwichtigen und darauf verweisen, dass bestimmte Vorwürfe der Verbraucherschützer nicht zutreffen. Aber kann sie das wirklich mit gutem Gewissen tun?

Die aktuellen Schlagzeilen jedenfalls werden bestimmt durch juristische Niederlagen der Versicherer aufgrund intransparenter Klauseln und Fehlberechnungen (der Versicherungsbote berichtete), durch doppelte Abschlusskosten (der Versicherungsbote berichtete), durch juristische Niederlagen aufgrund eines – wenngleich auch nur vermeintlichen – „Negativzins“ (wie jüngst bei Spiegel Online). Was aber – abgesehen von Absichtserklärungen und Forderungen an die Politik – noch immer Mangelware ist, sind verständliche Produkte zu geringen Kosten. Ein solches müsste auch jene Vorsorgesparer ansprechen, die durch niedriges Einkommen besonders von einer Versorgungslücke betroffen sind.

Die Versorgungslücke jedenfalls wird durch die Riester-Rente kaum gestopft, zumal jede fünfte Riester-Rente ruhend gestellt ist – die Sparer zahlen also keine Beiträge mehr ein. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hervor (der Versicherungsbote berichtete). Aus solchen Fakten aber erwächst eine Gefahr: Ein Staatsfonds wie der schwedische spricht nicht nur Geringverdiener an. Auch weitere Vorsorgesparer könnten weniger in private Vorsorgeprodukte investieren, wenn der Staat Teile der Vorsorge übernimmt.

Eine "schwedische Lösung" als Konkurrenz sollte die Branche demnach fürchten. Denn ohne Zugeständnisse an Wünsche der Kunden auch mit „kleinem Geldbeutel“ durch ein transparentes und einfaches Riester-Produkt sägen die Versicherer, über kurz oder lang, an einem wichtigen Geschäftszweig. 


BDVM-Makler: Unter fairen Bedingungen zu Kompromissen bereit

Ein „Finanzberater“ im Sinne eines Versicherungsberaters freilich kann nur Produkte anbieten, die ihm auch zur Verfügung stehen. Und diese Tatsache wird zu wenig gewürdigt, wenn Schick im aktuellen Interview mehrfach rhetorisch auf den „Finanzberater“ zielt. Gerade als Sachverwalter des Kunden bleibt zum Beispiel einem Makler bei schlechten Produkten oft nur, Schaden für den Kunden zu begrenzen. Womit hier keineswegs abgestritten werden soll, dass es auch bessere Anbieter und Tarife auf dem Markt gibt. Dennoch: Der Beratungsaufwand bei Riester-Policen ist auch deshalb hoch, weil die Produkte oft komplex und dem Kunden schwer zu erklären sind.

Das Versagen des Marktes für ein bestimmtes Kundensegment aber schließt Staatsversagen nicht aus. Denn wer garantiert letztendlich, dass es bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge über einen Staatsfonds nicht auch ein Staatsversagen geben kann? Keineswegs nämlich ist gesichert, dass andere Staaten ihre Fonds ebenso erfolgreich managen wie Schweden. Auch müssten die dort angesparten Gelder vor dem Zugriff des Staates geschützt werden: Wer sagt denn, dass in Zeiten knapper Kassen keine Begehrlichkeiten entstehen? Sollte also von vorne herein ein Markt in Frage gestellt werden, der auch für den sprichwörtlichen "kleinen Geldbeutel" zur Altersvorsorge berät und vermittelt?

BDVM: Für eine faire Chance arrangiert man sich auch mit Provisionsdeckel

In diesem Kontext macht eine Positionierung hellhörig, die jüngst der geschäftsführende Vorstand des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler (BDVM), Hans-Georg Jenssen, gegenüber dem Versicherungsbote äußerte. In einem ausführlichen Interview, das auszugsweise in der nächsten Print-Ausgabe des Versicherungsboten erscheinen wird, zeichnete Jenssen ein umfangreiches Panorama der aktuellen politischen Situation und ging auf Probleme wie Altersarmut oder hohe Mieten in Ballungsräumen, aber auch auf aktuelle Pläne der Regierung für den Immobilienmarkt oder die Deutschland-Rente ein.

Er zog ein überraschendes Fazit für seinen Verband: Der BDVM setze sich dafür ein, dass die private Altersvorsorge und mit ihr auch das Makler- und Vermittler-Geschäft eine faire Chance haben. Zu diesem Einsatz aber gehören aus Sicht des Verbands auch Zugeständnisse an die Kundinnen und Kunden — denn schon vor Jahren gab sich der Verband eine Leitentscheidung, den Abschlussanteil bei der Vergütung abzusenken und den Betreuungsanteil zu erhöhen.

Aus diesem Grund könne sich der Verband sogar mit jenem in der Branche zu großen Teilen abgelehnten Provisionsdeckel in der Lebensversicherung arrangieren. Bedingung: Der Deckel müsste vernünftig gewählt und ausreichend hoch sein. Sogar mit dem Vorschlag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) könne man sich arrangieren, also maximal 2,5 Prozent Courtage auf die Beitragssumme + zusätzlich 1,5 Prozent, wenn strenge Qualitätskriterien erfüllt werden. Gilt es doch, eine Haltung abzuwägen zwischen den Chancen für den Kunden und der Vermittlervergütung.

Versorgungslücke: Gefahr des Systemwechsels droht

Der Verband hält es für vernünftig, dass ein Interessenausgleich stattfindet, der auch das Vertrauen des Kunden stärkt. Zumal schon aktuell an Lösungen gearbeitet wird, die die Branche weit härter treffen könnten als der aktuelle Provisionsdeckel. Das wird anschaulich unter anderem durch einen Kostendeckel für das Basisprodukt der geplanten europäischen Standard-Rente PEPP: Nicht mehr als ein Prozent der Beiträge eines Jahres sollen als Gebühren fließen dürfen (der Versicherungsbote berichtete).

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Letztendlich sieht der Verband durch derartige Pläne und durch die dahinter stehende Entwicklung eine konkrete Gefahr: Wenn die Versorgungslücke nicht gestopft wird und sich auch trotz Zugeständnissen des Gesetzgebers bei der Betriebsrente durch das so genannte Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) nicht mehr bei der privaten Altersvorsorge tut, wird es einen Systemwechsel geben. Dann nämlich lautet die Option nicht mehr: „Provisionsdeckel in der Lebensversicherung – ja oder nein“. Sondern dann reißt der Staat große Teile der privaten Altersvorsorge an sich. Und die Vermittler sind raus aus dem Geschäft.

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