Ein engagierter Artikel im aktuellen „Finanztest“-Heft der Stiftung Warentest informiert Leser mit einem kritischen Tenor in Richtung Gesetzgeber. Denn die Beitragslast für Renten aus der Berufsunfähigkeitsversicherung und der Verletztenrente ist durch Sozialabgaben hoch, sofern bei Berufsunfähigkeit kein Anspruch auf die günstige Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) besteht. Der Versicherungsbote hat sich den Artikel genauer angesehen und stellt einige wichtige Hinweise in Auswahl vor. Gilt doch auch für die Beratung zur BU-Versicherung: Man bedenke Einbußen durch Sozialversicherungsbeiträge im Leistungsfall.

Anzeige

Berufsunfähigkeitsschutz ein „absolutes Muss“

Zu einer der wichtigsten Versicherungen, die immer wieder dem Verbraucher nahegelegt werden, gehört die Berufs­unfähigkeits­versicherung. Das wird sogar von Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützern stetig hervorgehoben, wie ein Zitat der gemeinnützigen Verbraucherzentrale NRW nahelegt: Ein ausreichender Berufsunfähigkeitsschutz sei ein „absolutes Muss“, zu dieser Versicherung gäbe es „praktisch keine Alternative“.

Das gilt umso mehr, seit die gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente infolge einer Rentenreform im Jahr 2001 de facto abgeschafft wurde. Für Arbeitnehmer, die nach dem 1. Januar 1961 auf die Welt kamen, erbringt die Rentenkasse seitdem nur noch eine Leistung für Erwerbsminderung. Bedingungen hierfür sind im 6. Sozialgesetzbuch (SGB VI) über Paragraph 43 definiert. Die Hürden des Gesetzgebers aber für eine solche Rente sind groß – und deswegen beziehen auch nur Menschen eine solche Rente, die wirklich aufs Äußerste eingeschränkt sind.

Die medizinischen Voraussetzungen für eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung sind erst dann erfüllt, wenn Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung weniger als drei Stunden täglich arbeiten können – und zwar nicht nur in einem Beruf, sondern in allen Berufen. Zwar gibt es auch eine Rente für teilweise erwerbsgeminderte Menschen, sobald diese in allen Berufen außerstande sind, wenigstens sechs Stunden zu arbeiten. Zahlen aber, die das aktuelle Finanztest-Heft nennt, sprechen für sich: Von 342.000 Anträgen im Jahr auf eine Erwerbsminderungsrente werden 44 Prozent abgelehnt.

Berufsunfähigkeit: Neben Einschränkungen drohen unliebsame Jobs

Aufgrund der Erschwernisse für die Erwerbsminderungsrente wird nun ein Szenario sehr wahrscheinlich: Berufsunfähigkeit kann weit eher eintreten als eine Erwerbsminderung. Die Berufsunfähigkeit orientiert sich – anders als die Erwerbsminderung – an dem bisher ausgeübten Beruf. Auch gilt ein Mensch schon durch geringere Einschränkungen als bei der Erwerbsminderung als „berufsunfähig“. Da nach der Gesetzesform von 2001 die Berufsunfähigkeit wesentlich zu einem exklusiven Belang für Versicherer geworden ist, gibt derzeit Paragraph 172 Absatz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) die wichtigste gesetzliche Grundlage für die Berufsunfähigkeit vor: „Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.“

Weitere Bedingungen für die Berufsunfähigkeit werden anhand der Versicherungsbedingungen für die BU-Versicherung genauer definiert, etabliert hat sich hierbei jedoch als Richtwert: Wer wegen einer Krankheit oder eines Unfalls weniger als 50 Prozent berufsfähig ist, erfüllt das Kriterium der Berufsunfähigkeit.

Wie aber soll man sich für eine solche Situation finanziell absichern, in der man durch große Einschränkungen zwar berufsunfähig ist, jedoch nicht in jenem äußersten Maße der Erwerbsminderung? Diese Frage erklärt, warum ein BU-Schutz derart wichtig ist. Erfüllen Betroffene nicht Kriterien der Erwerbsminderung, sind sie nicht gesetzlich gegen finanzielle Ausfälle ihrer bisherigen Tätigkeit abgesichert. Zumal durch die gesetzlichen Bestimmungen eine weitere Gefahr droht: Neben der Berufsunfähigkeit müssen dann für das eigene finanzielle Aus- und Durchkommen noch unliebsame Jobs angenommen werden ohne Rücksicht auf den bisherigen Beruf. Zu den stark erschwerten und einschränkenden Bedingungen einer Berufsunfähigkeit kann dann noch eine unliebsame Arbeit hinzukommen, um überhaupt den Lebensunterhalt zu bewältigen. Hier hilft nur private Vorsorge, zum Beispiel durch eine Berufs­un­fähig­keits­ver­si­che­rung.

BU- und Verletztenrente: freiwillig in KVdR Versicherte zahlen hohe Sozialabgaben

Aber es gibt ein Problem in dieser Situation privater Absicherung durch den BU-Schutz, und dieses Problem betrifft die hohe Last durch Sozialversicherungsbeiträge. Bezieht jemand einzig eine private BU-Rente, hat er keinen Anspruch auf die günstige Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Dieser Anspruch erwirbt erst, wer unter bestimmten Bedingungen noch eine Erwerbsminderungsrente bezieht. Ist man aber nicht in KVdR pflichtversichert, bleibt nur die freiwillige Mitgliedschaft in der KVdR – dann aber werden relativ hohe Beiträge fällig.

Das Problem betrifft sogar jene, die dauerhaft aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit eine so genannte Verletztenrente über die Berufsgenossenschaft beziehen oder eine Verletztenrente und zusätzlich noch eine private BU-Rente beziehen. Denn auch eine Verletztenrente tritt im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit mit größerer Wahrscheinlichkeit ein als eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Befristeter Anspruch auf eine Verletztenrente existiert bereits, sobald die Erwerbsfähigkeit ab dem Versicherungsfall länger als 27 Wochen um mindestens 20 Prozent gemindert ist. Sobald die Minderung dauerhaft ist, besteht Anspruch auf eine dauerhafte Rente. Gesetzliche Grundlage des Anspruchs auf Verletztenrente ist der Paragraph 56 des 7. Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Dass jemand – zum Beispiel nach einem Arbeitsunfall – in eine Situation kommt, dauerhaft eine Verletzten- und zusätzlich eine BU-Rente zu beziehen, ist demnach durchaus denkbar auch ohne Erwerbsminderung.

Gut vorgesorgt/ schlecht abgesichert: Das Beispiel eines Postboten

Wie aber äußerst sich hohe Beitragslasten für jene, die aufgrund der Berufsunfähigkeit nur eine freiwillige Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner erreichen, konkret? Obwohl Finanztest verschiedene Modellrechnungen vornimmt, wird das Problem an einem Schicksal veranschaulicht: Der Leser macht durch den Artikel Bekanntschaft mit einem Postboten, der durch einen Arbeitsunfall mit einem Motorroller schwere Verletzungen an den Beinen erlitt. Mehrere Operationen musste dieser Mann schon aufgrund dieses Unfalls überstehen. Weitere Operationen stehen ihm noch bevor. Dennoch versucht der Mann weiterhin, seiner Arbeit nachzugehen – solange er dazu noch in der Lage ist. Wie lange die Verletzungen aber noch ein Weiterarbeiten ermöglichen, ist ungewiss.

Anzeige

Sehr wahrscheinlich ist also, dass der Mann über kurz oder lang berufsunfähig wird. Trotz dieses Unglücks bleibt der Trost verantwortungsbewusster Vorsorge: Eine Berufsunfähigkeitsversicherung garantiert dem Mann für diesen Fall eine Rente in Höhe von 1.100 Euro monatlich. Da der Unfall mit dem Roller als Arbeitsunfall gilt, hat der Mann zudem bei Berufsaufgabe Anspruch auf Verletztenrente in Höhe von 460 Euro. Ist der Postbote demnach bei Berufsunfähigkeit finanziell abgesichert? Laut Artikel ist er es nicht. Errechnet doch Finanztest für diesen Postboten: Nach Abzug der Beiträge für die Pflege- und die Rentenversicherung würden dem Mann monatlich noch 57 Prozent seines derzeitigen Nettodienstes durch beide Renten bleiben. Finanztest geht aber davon aus, dass 70 Prozent des Nettoeinkommens nötig wären, um wirklich den eigenen Lebensbedarf abzusichern. Grund der geringen Rentenleistung – die freiwillige Mitgliedschaft in der KVdR.

Die hohe Last: Modellrechnungen

Um die Höhe der Beitragslast für freiwillig Versicherte in der KVdR zu veranschaulichen, nimmt Finanztest mehrere Modellrechnungen vor. Zum einen wird davon ausgegangen: Ein Mensch mit Berufsunfähigkeit würde nur eine private BU-Rente beziehen. Dieser Mensch müsste sich freiwillig in der KVdR versichern. Ebenfalls freiwillig versichern müsste sich zudem ein Mensch, der aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit eine Verletztenrente der Berufsgenossenschaft und zusätzlich eine private BU-Rente bezieht.

Kontrastierend zu diesen Beispielen aber wird eine dritte Modellrechnung vorgenommen für einen Pflichtversicherten in der KVdR. In dieser Modellrechnung bezieht der Pflichtversicherte sogar drei Renten:

Anzeige

  • Eine BU-Rente,
  • eine Verletztenrente und zusätzlich
  • eine Erwerbsminderungsrente

– die Erwerbsminderungsrente sichert ihm zu bestimmten Bedingungen die günstige Pflichtmitgliedschaft. Dieser Pflichtversicherte erhält den höchsten Geldbetrag, durch seine Erwerbsminderungsrente aber zahlt er wesentlich geringe Sozialversicherungsbeiträge.

Zu beachten ist aber für die Kontrastrechnung: Die Notwendigkeit geringer Sozialversicherungsbeiträge für diesen letzten Fall der Erwerbsminderung soll keineswegs hinterfragt werden. Wer derart stark eingeschränkt ist, dass er eine Erwerbsminderungsrente bekommt, der zahlt mit gutem Recht nur wenig für die Kranken- und Pflegeversicherung. Wesentlich wichtiger für den Vergleich ist das Veranschaulichen hoher Beträge für jene Menschen, die berufsunfähig, aber nicht pflichtversichert sind.

Bezieher privater BU-Renten und Verletztenrenten: Für alles ist zu zahlen

Bezieht jemand eine BU- oder Verletztenrente oder beides, muss er sich freiwillig in der KVdR versichern – Sozialbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind dann relativ hoch. Freiwillig Versicherte tragen – anders als Pflichtversicherte – ihren Beitragssatz für die Krankenversicherung allein. Laut Finanztest werden 14 Prozent als ermäßigter Satz (gegenüber 14,6 Prozent als voller Satz) fällig, hinzu kommt ein möglicher Zusatzbeitrag der Krankenkassen von durchschnittlich 0,9 Prozent in 2019. Ebenfalls hinzugerechnet werden muss der Beitragssatz zur Pflegeversicherung, der derzeit bei 3,05 Prozent liegt (und bei Kinderlosen aufgrund des Kinderlosenzuschlags bei derzeit 3,3 Prozent liegt).

Besonders nachteilig für Bezieher mehrerer Renten wirkt sich eine weitere Tatsache aus: Sowohl Krankenversicherungsbeiträge als auch Pflegeversicherungsbeiträge fallen bei freiwilliger Mitgliedschaft in der KVdR für alle Rentenleistungen an. Für Bezieher, die sowohl eine BU- als auch eine Verletztenrente erhalten, bedeutet das: Auf beide Renten sind sowohl Krankenversicherungsbeiträge als auch Beiträge zur Pflegeversicherung zu zahlen, ebenso auf weitere mögliche Einkünfte. Denn bei freiwillig versicherten Rentnern hat die Krankenkasse für die Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, dazu gehören auch zusätzliche Versorgungsbezüge oder gehören Rentenleistungen wie die Verletztenrente.

Für die (leicht gerundete) Modell-Rechnung des Finanztest-Magazins wirkt sich das wie folgt aus: Erhält jemand aufgrund seiner BU-Versicherung einzig eine private BU-Rente in Höhe von 1.000 Euro, muss er 180 Euro aufgrund von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen zahlen. Ihm bleiben 820 Euro von seiner BU-Rente übrig. Erhält jemand 1.000 Euro BU-Rente und zudem 500 Euro Verletztenrente durch die Berufsgenossenschaft, muss er für beide Renten insgesamt 269 Euro zahlen – ihm bleiben in der Summe noch 1.231 Euro übrig.

Pflichtversichert: die Kontrastrechnung

Wesentlich vorteilhafter hingegen wirkt sich die Modellrechnung aus für einen Bezieher von Erwerbsminderungsrente, der durch Bezug dieser Rente Anspruch auf eine Pflichtmitgliedschaft in der KVdR erworben hat. Gesichert ist diese Pflichtmitgliedschaft, sobald die Person weitere Kriterien erfüllt – gesetzliche Grundlage ist Paragraph 5 Abs. 1 Satz 1 Punkt 11 des 5. Sozialgesetzbuches (SGB V). Demnach wird eine sogenannte „Vorversicherungszeit“ zur Bedingung gemacht für die Pflichtmitgliedschaft: Seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zum Renteneintritt muss mindestens 9/10 der zweiten Hälfte dieses Zeitraums eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden haben.

Zwei Bedingungen sichern nun die wesentlich günstigere Rechnung für Pflichtversicherte. Zum einen werden die Krankenversicherungsbeiträge paritätisch zwischen Rentenversicherungsträger und Rentner aufgeteilt. Gerechnet werden muss hier laut Zeitschrift mit den vollen Satz von 14,6 Prozent sowie den 0,9 Prozent Zusatzbeitrag – von beidem zahlt der Pflichtversicherte nur die Hälfte. Der Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 3,05 Prozent hingegen wird auch bei Pflichtmitgliedschaft in voller Höhe allein getragen.

Wichtig aber ist die zweite Bedingung der günstigen Rechnung: Bei Pflichtmitgliedschaft sind einzig auf die gesetzliche Rentenleistung die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten – anders als bei der freiwilligen Mitgliedschaft wird hier keineswegs die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt. Das bedeutet mit Blick auf die Vergleichsfälle: bezieht der Pflichtversicherte eine Erwerbsminderungsrente, darüber hinaus aber auch eine monatliche BU- sowie eine monatliche Verletztenrente, wird dennoch einzig und allein die Erwerbsminderungsrente zur Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge herangezogen.

Für die Modellrechnung des verbrauchernahen Blatts wirkt sich das wie folgt aus: Bezieht ein versicherungspflichtiger Rentner eine BU-Rente von 1.000 Euro, eine Verletztenrente von 500 Euro sowie eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von ebenfalls 500 Euro, muss einzig die Erwerbsminderungsrente mit einem Prozentsatz von 10,8 Prozent bedacht werden. Bei Rentenleistungen von in der Summe 2.000 Euro müssen demnach nur 54 Euro an Beiträgen bezahlt werden. Dem Rentner bleiben demnach für sich noch 1.946 Euro laut dieser Modellrechnung übrig.

Anzeige

Hintergrund:

Diese und weitere Modellrechnungen sowie weitere Tipps zu Sozialabgaben für die BU-Versicherung sind in der aktuellen Ausgabe (4/2019) des Finanztest-Hefts der Stiftung Warentest enthalten. Das Heft sowie einzelne Artikel dieses Hefts können auf dem Internetportal von "test.de" kostenpflichtig heruntergeladen werden.

Seite 1/2/