Versicherungsbote: Mit dem IDD-Umsetzungsgesetz und der neuen Versicherungsvermittlungsverordnung hat der Gesetzgeber eine 15-stündige Weiterbildungspflicht für Versicherungsvermittler festgeschrieben. Wie bewerten Sie diesen Schritt? Weshalb braucht es eine Pflicht zur Weiterbildung?

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Katharina Höhn: Die Idee, Weiterbildung gesetzlich zu verankern, entspringt dem Gedanken des Verbraucherschutzes. Sich selbst weiterzubilden, ist allerdings eine grundlegende Voraussetzung für beruflichen und persönlichen Erfolg, und deshalb tun dies professionelle Vermittlerinnen und Vermittler bereits im eigenen und im Interesse ihrer Kunden.

Als Branche haben wir uns vor rund 5 Jahren auf ein gesundes Niveau von 30 Stunden Weiterbildung im Jahr verständigt. Das ist doppelt so hoch wie das, was der Gesetzgeber jetzt als Minimum vorgibt. Die gesetzlich geforderten 15 Stunden bringen sicher keinen Vermittler aus der Ruhe. Natürlich bedeutet es zusätzlichen Aufwand, seine Weiterbildung nicht nur gegenüber der jeweiligen Aufsicht, sondern auch gegenüber dem Arbeitgeber oder dem Produktgeber nachzuweisen. Mit 5 Jahren Erfahrung bei der Brancheninitiative gut beraten haben wir aber gesehen, wie eine Verpflichtung zur Weiterbildung – freiwillig oder gesetzlich verordnet – den Stellenwert der Weiterbildung und die Qualität der Bildungsmaßnahmen erhöht. Die Chance, einen weiteren Beitrag für die Reputation des Vertriebs zu leisten, sollten und werden wir als Branche nutzen.

Welche Mindestqualifikation sollten Vermittler Ihrer Meinung nach haben? Reicht die Ausbildung zum/zur Versicherungsfachmann/-frau?

Dr. Katharina Höhn, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied beim BWV Bildungsverband e.V.BWVVor über 20 Jahren hat die Branche freiwillig die Qualifikation Versicherungsfachmann/ -fachfrau BWV konzipiert und eingeführt. Das war ein großer Schritt für die Branche, denn die Prüfungsanforderungen waren für Quereinsteiger neu und hoch. Der Gesetzgeber hat 2007 diese Prüfungsform in die Versicherungsvermittlerverordnung übernommen. Wer diese Prüfung – bestehend aus einem schriftlichen und einem praktischen Prüfungsteil - bestehen möchte, muss dafür tüchtig lernen, und es besteht längst nicht jeder.

Als Geprüfte Versicherungsfachleute oder als „Geprüfte Fachfrau oder Geprüfter Fachmann für Versicherungsvermittlung IHK“ – wie die neue Bezeichnung der Sachkundeprüfung nach der VerVermV lautet - sind Vermittlerinnen und Vermittler zunächst einmal gut für ihre Aufgabe qualifiziert. Denn die Prüfung deckt den gesamten Privatkundenbereich ab, und sie prüft nicht nur das grundlegende Fachwissen, sondern auch, wie dieses Wissen im Gespräch mit dem Kunden angewandt wird.

Dies halten wir für eine gute Basis. Sie reicht selbstverständlich nicht für das weitere Berufsleben aus, aber dafür haben wir ja die Weiterbildung, die darauf aufsetzt.

Neben den Versicherungsvermittlern, die ihren Sachkundenachweis zur Erlangung der Erlaubnis der Aufsichtsbehörde vorlegen müssen, besteht übrigens auch für Ausschließlichkeitsvermittler, für die ein Versicherungsunternehmen die Haftung übernimmt, der Branchenkonsens zur Erbringung des Sachkundeprüfungsnachweises.

gut beraten ist eine brancheneigene Weiterbildungs-Initiative, die seit ihrer Gründung 2013 stark gewachsen ist. Wie ist der aktuelle Stand? Hat das Interesse durch das IDD-Umsetzungsgesetz noch einmal zugenommen?

Die IDD hat zum Jahresbeginn 2018 der Weiterbildung der vertrieblich Tätigen unserer Branche zweifellos einen deutlichen Schub gegeben. Die Bilanz aus 2018 ist hervorragend: Mehr als 34.500 neue Teilnehmer im Jahr 2018 bedeuten für uns einen außerordentlichen Vertrauensbeweis, auf die Wachstumsquote von 26,3 Prozent blicken wir nicht ohne Stolz.

gut beraten ist ja selbst kein Bildungsanbieter, sondern arbeitet heute mit 550 Bildungsdienstleistern zusammen, die bei ihren Bildungsangeboten den gemeinsamen Branchenstandard anlegen und an der Qualitätssicherung teilnehmen. Das Ziel von gut beraten war und ist es, das Weiterbildungsengagement der Vermittlerinnen und Vermittler transparent und bekannt zu machen und für Vertrauen zu werben.

Wir können mit gut beraten zeigen: Die vertrieblich Tätigen investierten 2018 fast 3,6 Millionen Stunden in ihre Qualifikationen – eine beeindruckende Zahl! Im rechnerischen Durchschnitt kann also jeder Teilnehmer bei gut beraten 21,4 Stunden Weiterbildung im Jahr 2018 auf seinem Bildungskonto nachweisen.

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Wir haben mit gut beraten vor fünf Jahren einen Standard eingeführt, der in der Branche breit etabliert ist. Die Initiative genießt in der Politik hohes Vertrauen. Das wollen wir erhalten und ausbauen.

...Produktschulungen: "Ein Makler muss sich intensiv und regelmäßig mit Produkten auseinandersetzen"

Versicherungsbote: Wir hatten den Eindruck, dass eine Weiterbildungspflicht teils gegen den Widerstand der Branche durchgesetzt werden musste, trotz wachsender Anforderungen an den Vertrieb. Auch gut beraten wurde unseres Wissens erst gegründet, als eine solche Pflicht im Gespräch war. Hat die Versicherungswirtschaft das Thema zu lange verschlafen? Wenn ja, weshalb?

Katharina Höhn: Die Branchenverbände verständigten sich Anfang 2012 in wenigen Wochen geschlossen auf die Einführung einer regelmäßigen Weiterbildung von 30 Stunden pro Jahr und der Einrichtung einer überbetrieblichen Weiterbildungsdatenbank, nebst Qualitätssicherung der Bildungsmaßnahmen auf den individuellen Bildungskonten für die Vermittler. Für die Ausgestaltung der Regeln, die Programmierung der Weiterbildungsdatenbank und die Schaffung des Qualitätssicherungssystems mit Akkreditierung und Auditierung der Bildungspartner haben wir dann 24 Monate gebraucht – das ist recht zügig für ein solches Mammutprojekt, an dem die gesamte Branche beteiligt ist.

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Und ja, wir haben im Jahr 2012 schon eine EU-Verordnung am Horizont gesehen und uns daran erinnert, dass es im Bildungsbereich bis jetzt immer gut war, mit einer eigenen Lösung vorweg zu gehen, die auf den Bedarf der Branche und ihrer Kunden passt.

Hat sich das Angebot an Weiterbildungen für die Versicherungswirtschaft in den letzten Jahren verändert und vergrößert? Welche Trends beobachten Sie auf dem Weiterbildungs-Markt speziell in der Branche?

Wir sehen, dass deutlich mehr Online-Angebote nachgefragt werden. Das können kleinere Lerneinheiten sein, die vollständig webbasiert sind, aber auch beispielsweise im Rahmen von längeren Lehrgängen eingesetzt werden, die mit immer höheren Online-Anteilen ausgestattet werden.

Erkennbar ist auch, dass dediziert Qualifikationsmaßnahmen gefragt sind, die Anrechnung im Sinne der IDD finden. Sowohl Unternehmen als auch Teilnehmende achten verstärkt darauf, dass die Weiterbildung als Bildungszeit anerkannt werden kann. Es ist auch wichtig, hier gut hinzuschauen. Bei gut beraten haben wir für Bildungsmaßnahmen, die auf den Bildungskonten eingetragen werden, eine transparente Qualitätssicherung hinterlegt.

Eine weitere Beobachtung ist, dass Unternehmen ihr Weiterbildungsangebot für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Innendienst ausbauen. Durch die Erweiterung des IDD-Anwendungsbereichs auf diesen Personenkreis ist hier ein neuer Bedarf entstanden. Und natürlich bildet sich auch ein gesellschaftlicher Trend in unserer Branche ab: Akademische Abschlüsse wie zum Beispiel der Bachelor, insbesondere berufsbegleitende akademische Weiterbildungen, sogar bereits parallel zur Ausbildung, werden verstärkt gesucht.

Wie sichern Sie die Qualität der Bildungsangebote bei gut beraten? Es ist ja denkbar, dass Verkaufstrainings und Produktschulungen einfach als Weiterbildung deklariert werden - obwohl hier Inhalte denkbar sind, die den Verbraucherinteressen zuwider laufen. Gibt es eine Evaluation der vermittelten Inhalte?

Sollte eine Weiterbildungsmaßnahme tatsächlich Verbraucherinteressen zuwider laufen, würde dies im Auditverfahren auffallen. Außerdem sehen wir einen hohen Wettbewerb auch auf dem Bildungsmarkt, und eine inzwischen hohe Sensibilität bei Maklern und Vermittlern. Ein solches Angebot, das unter „gut beraten-Siegel“ auf dem Markt wäre, würde uns gegenüber bekannt gemacht werden. Einige wenige Fälle sahen wir zu Beginn der Initiative gut beraten in der Presse, und alle Beteiligten hatten eine steile und nachhaltige Lernkurve. Die Frage zu den Produktschulungen als solche begleitet uns schon seit Beginn der Initiative. Wir haben als Bildungsverband dazu eine klare Auffassung:

Versicherungslösungen sind in hohem Maße erklärungsbedürftig. Die Kenntnis der Produkte, deren Inhalte und Potentiale genauso wie deren spezifische gesetzliche Anforderungen stellen einen wesentlichen Teil der Fachkompetenz der Vermittler dar. Das ist in allen Berufen der Fall, in denen zu Produkten beraten wird. Auch die Experten vom Bundesinstitut für Berufsbildung sehen das so: Fachkompetenz bedeutet die Produkte zu kennen, die man vertreibt. Daher ist die Fachkenntnis zu Produkten auch elementarer Bestandteil klassischer Ausbildungsberufe, wie zum Beispiel dem Kaufmann im Einzelhandel („Warenkenntnisse“) und auch dem Kaufmann für Versicherungen und Finanzen.

Ein Makler muss sich intensiv und regelmäßig mit Produkten auseinandersetzen. Eine mögliche Quelle dieser Information sind Schulungen des Anbieters – dies wird häufig als „Produktwerbung“ bezeichnet. Doch worum geht es tatsächlich? Der Anbieter erläutert dem Makler die Vorteile und den speziellen Kundennutzen seines Produkts, gegebenenfalls auch die Vorzüge des neuen Angebots gegenüber bestehenden Lösungen. Das ist nach unserer Auffassung eine zulässige Informationsquelle für Vermittler und Makler. Die Merkmale eines Produkts im Vergleich zu anderen Produkten herauszuarbeiten, ist die Aufgabe des Maklers, die ihm gewiss kein Bildungsanbieter abnehmen kann.

Darüber hinaus verpflichtet bereits der Gesetzgeber mit dem VAG und die BaFin in ihren Rundschreiben die Produktanbieter dazu, vertrieblich Tätige in Bezug auf ihre Produkte zu schulen. Makler, die sich von Produktschulungen nichts versprechen, werden andere Weiterbildungsformen wählen, und auch dort wird Bildungszeit angerechnet.

Welche Voraussetzungen muss ein Bildungsanbieter erfüllen bzw. mit sich bringen, um im Rahmen von gut beraten Weiterbildungen anbieten zu können?

Bildungsdienstleister bei gut beraten kann sein, wer Bildungsmaßnahmen anbietet, durch die vertrieblich Tätige in der Versicherungswirtschaft ihre Fach- und Beratungskompetenz aufrecht erhalten oder erweitern können. Das können Bildungsabteilungen oder Akademien von Versicherungsunternehmen, Maklerhäusern oder Vertriebsgesellschaften sein, aber natürlich insbesondere klassische Bildungsanbieter auf dem Markt, ebenso wie Verbände der Versicherungswirtschaft, Banken, Hochschulen oder Industrie- und Handelskammern.

Bildungsdienstleister, die an gut beraten teilnehmen, verpflichten sich vertraglich, sich an den Anrechnungsstandard zu halten, den die Branche entwickelt hat, und der jetzt noch einmal strikt auf die Anforderungen der Versicherungsvermittlungsverordnung hin ausgerichtet wird. Unabhängige Auditoren überprüfen dann regelmäßig, ob die Bildungsdienstleister mit gut beraten-Siegel diese Anforderungen einhalten.

Erst wenn ein Bildungsdienstleister akkreditiert ist, darf er das gut beraten-Siegel nutzen und Bildungszeit für seine Maßnahmen auf den gut beraten-Konten der Teilnehmer gutschreiben. Ein akkreditierter Bildungsdienstleister muss nachvollziehbar darstellen, welche seiner Bildungsangebote mit Bildungszeit nach gut beraten angerechnet werden.

...der Vermittler entscheidet selbst, welche Weiterbildung zielführend ist!

Versicherungsbote: Welche Weiterbildungsformen halten Sie für Versicherungsvermittler und Makler für besonders sinnvoll und welche eher nicht?

Katharina Höhn: Wir gehen vom Leitbild eines professionellen Vermittlers und Maklers aus, der selbst entscheidet, welche Bildungsmaßnahme zur gegebenen Zeit für ihn zielführend ist. Er oder sie sollte sich in jedem Jahr die Frage stellen: Welche Kompetenzen habe ich heute, wo habe ich berufliche Erfolge erzielt, in welche Felder könnte ich mich inhaltlich hinein entwickeln? Das gleiche gilt natürlich für jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin in der Versicherungswirtschaft.

Es ist auch gut zu wissen, welcher Lerntyp man ist – ob man gerne in der Gemeinschaft mit anderen lernt, also in klassischen Seminarformen, oder ob man eher ein Selbstlerner ist, der sich konzentriert im „stillen Kämmerlein“ mit Themen beschäftigt. Es ist auch gut auszuloten, wie aufgeschlossen man gegenüber online-Lernformen ist wie etwa den verbreiteten Webinaren. Die Lernart hängt natürlich stark vom Inhalt ab. Wenn man einen Entwicklungsschub für sich selbst wünscht, dann sollte man sich tatsächlich Gedanken über eine umfangreichere Bildungsmaßnahme mit Abschluss machen. Solche Investitionen haben immer eine hohe Rendite, und die gesetzlichen Weiterbildungsvorgaben spielen dann bei solchen Überlegungen keine Rolle mehr.

Eine größere Herausforderung kann es sein, bei der Vielzahl an Angeboten den passenden Bildungsdienstleister zu finden. Ein Qualitätsmerkmal guter Bildungsanbieter ist es auch, bei der Auswahl der zur persönlichen Situation passenden Weiterbildung umfassend zu beraten. Unser Tipp: Auf der gut beraten-Homepage sind alle Bildungsdienstleister gelistet, die ein gut beraten-Siegel haben.

Reichen Ihrer Meinung nach 15 Stunden Weiterbildung im Jahr aus? Aus unserer Sicht ist das wenig - Themen wie komplexer werdende Produkte, neue Gesetze sowie der digitale Wandel lassen erworbenes Wissen schnell veralten. Wie ist Ihre Einschätzung hierzu?

Der Gesetzgeber hat eine Zahl von 15 Stunden bewusst als Untergrenze eingezogen. Für manche Tätigkeiten wird diese Stundenzahl sicherlich ausreichend sein. Wir sehen, dass die Unternehmen mit der Weiterbildung ihrer Angestellten verantwortungsvoll umgehen und deren Weiterbildungsaktivitäten bedarfsgerecht planen.

Für die vielen professionell agierenden Vermittler und Makler gehen wir nach wie vor davon aus, dass mindestens 30 Stunden im Jahr der angemessenere Anspruch ist. Das erklärt sich schon allein durch die vielen und schnellen Anpassungen bei Produkten, Technik und Regulatorik – von einer Weiterentwicklung in Richtung digitaler Zukunft ganz zu schweigen. Jeder Kontoinhaber bei gut beraten bekommt eine vorbereitete Erklärung mit Kontoauszug bei erreichten 15 Stunden, und darüber hinaus bei erreichten 30 Stunden ein zusätzliches Zertifikat. Damit möchten wir das hohe Engagement der Vermittler und Makler bei der Weiterbildung honorieren und weiter fördern.

Versicherungsvermittler haben uns gegenüber kritisiert, dass sie hohe Qualifikationsanforderungen erfüllen müssen, andere hingegen nicht. Weder Verbraucherschützer müssen nachweisen, dass sie kompetent in Sachen Versicherungen sind, noch Call-Center-Mitarbeiter großer Onlinemakler, Verbraucherverbände oder Tippgeber. Herrscht hier eine Ungleichbehandlung vor? Wenn ja: Sollte dagegen vorgegangen werden?

Immer dann, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Call-Centern zum Versicherungsschutz beraten, also vertrieblich tätig sind, unterliegen sie auch der genannten Weiterbildungspflicht. Die Umsetzung dieser Anforderung muss das Unternehmen gegenüber der Aufsicht nachweisen. Tippgeber vermitteln heute den Kontakt zum Vermittler und sind daher nicht vertrieblich tätig im Sinne der gesetzgeberischen Definition.

Grundsätzlich sind wir als Bildungsverband der Auffassung, dass jeder, der unter die gesetzgeberische Definition des „Versicherungsvertriebs“ fällt, die gleichen Qualifikationsanforderungen einschließlich des Nachweises erfüllen muss. Das gilt auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verbraucherzentralen, wenn sie zum Versicherungsschutz beraten.

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Die Fragen stellten Björn Bergfeld und Mirko Wenig

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