Hermes-Deckung — „Forderungsausfälle können existentiell bedrohlich sein!“
Der Bund bietet Unternehmen die Möglichkeit, Zahlungsausfälle im Ausland zu versichern: Der Schutz ist umgangssprachlich als „Hermes-Deckung“ bekannt. Warum aber gibt es dieses Instrument, wie funktioniert es und wie können deutsche Firmen es nutzen, wenn sie Geschäfte im Ausland machen wollen? Der Versicherungsbote hat bei Matthias Jansen nachgefragt, Pressesprecher von Euler Hermes, Berlin Liaison Office, in Deutschland.
- Hermes-Deckung — „Forderungsausfälle können existentiell bedrohlich sein!“
- "Geschäfte von kleinen und mittleren Unternehmen gelten als besonders förderungsfähig"
- Glossar: ausgewählte Begriffe
Versicherungsbote: Über Hermes-Deckungen gibt der Bund Kreditgarantien für den Export. Seit wann gibt es dieses Instrument? Und was bedeutet "Exportkreditgarantie" konkret, wie funktioniert ein solches Absicherungs-Instrument?
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Matthias Jansen: Die Exportkreditgarantien des Bundes feiern in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag. Sie sichern deutsche Exporteure und die sie finanzierenden Banken gegen politisch und wirtschaftlich bedingte Forderungsausfälle ab. Das Grundprinzip der Exportkreditgarantien ist seit ihrer Einführung 1949 im Wesentlichen unverändert geblieben. Das Risiko des Zahlungsausfalls wird vom Exporteur bzw. der den Export finanzierenden Bank zu einem großen Teil auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen. Hierfür zahlt der Deckungsnehmer eine risikoadäquate Prämie. Die Absicherungsmöglichkeiten erstrecken sich dabei über die gesamte Wertschöpfungskette und reichen von der Bietungsphase über die Produktionsphase und Lieferung bis zur Bezahlung der letzten Tilgungsrate des finanzierten Geschäfts.
Warum ist es für ein Unternehmen überhaupt wichtig, eine solche Absicherung zu haben?
Deutsche Unternehmen gewähren ihren Kunden jedes Jahr Kredite in Höhe von mehreren Milliarden Euro, indem sie Waren liefern und Leistungen erbringen, die sie erst später bezahlt bekommen. Das Risiko: Die Außenstände werden nicht rechtzeitig oder im schlimmsten Fall gar nicht beglichen.
Die Gründe für einen Zahlungsausfall können dabei ganz unterschiedlicher Natur sein. Neben dem Bonitätsrisiko des Bestellers gibt es auch eine Reihe politischer Risiken. Hermes-Deckungen sichern beides ab.
Gerade für mittelständische Unternehmen können Forderungsausfälle existenziell bedrohlich sein. Das zeigt folgendes Beispiel: Wird eine Lieferung von 100.000 Euro nicht bezahlt, ist bei einer Gewinnmarge von fünf Prozent ein zusätzlicher Umsatz von zwei Millionen Euro nötig, um den Verlust auszugleichen.
Exportkreditgarantien schützen jedoch nicht nur vor Forderungsausfällen. Sie erleichtern auch die Finanzierung eines Auslandsgeschäfts. Und nicht zuletzt haben Hermes-Deckungen einen positiven Beschäftigungseffekt, wie unabhängige Studien belegen.
Reine Staatlichkeit aber scheint auch bei den Hermes-Deckungen nicht zu bestehen. Es handelt sich ja zwar um eine staatliche Kreditversicherung. Jedoch ist sie wesentlich nach Euler Hermes benannt, einem privaten Spezialanbieter mit Sitz in Paris. Wie gestaltet sich dieses Miteinander aus staatlichen Garantien und privaten Versicherern bzw. wer ist für welche Aufgaben zuständig?
Der Bund hat die Euler Hermes Aktiengesellschaft mit Sitz in Hamburg mit der Bearbeitung der Exportkreditgarantien beauftragt. Daher rührt auch die in der Wirtschaft gebräuchliche Bezeichnung Hermes-Deckung. Als Mandatar des Bundes berät Euler Hermes Exporteure und Banken, bereitet die Deckungs- und Entschädigungsentscheidung vor und setzt die Entscheidungen und Vorgaben des Bundes um. Das private Versicherungsgeschäft von Euler Hermes ist vom Bundesgeschäft strikt getrennt.
Was müssen Unternehmen machen, wenn sie sich anhand einer Hermes-Deckung absichern wollen? An wen müssen sie sich wenden – und ist ein Antrag erforderlich?
Die Exportkreditgarantien des Bundes stehen grundsätzlich allen Exportunternehmen mit Sitz in Deutschland und allen Banken, die deutsche Exporte finanzieren, zur Verfügung – unabhängig von der Größe des Unternehmens oder des Geschäfts.
Welche Möglichkeiten der Absicherungen bestehen und ob das zugrundeliegende Geschäft deckungsfähig ist, klärt man am besten im direkten Gespräch mit den Beratern des Außendienstes. Die Firmenberater unterstützen auch bei der Antragstellung. Anschließend wird der Antrag geprüft und eine Deckungsentscheidung getroffen. Fällt die Entscheidung positiv aus, erhält der Antragsteller seine Deckungsurkunde mit allen relevanten Daten.
Inzwischen können Anträge auf alle gängigen Deckungen – wie zum Beispiel Lieferantenkreditdeckung, Finanzkreditdeckung, Fabrikationsrisikodeckung, Vertragsgarantiedeckung etc. – über das Kundenportal myAGA schnell und einfach auch online gestellt werden.
Gibt es Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um die Hermes-Deckung nutzen zu können? Zum Beispiel, dass nur bestimmte Waren exportiert werden dürfen oder die Geschäftspartner im Zielland ausreichend seriös sein müssen?
Maßgebliche Kriterien für die Übernahme einer Deckung sind die Förderungswürdigkeit und die risikomäßige Vertretbarkeit des Geschäfts. Bei der Förderungswürdigkeit sind zum Beispiel die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen oder aber der Erhalt oder die Erschließung von Absatzmärkten relevant. Auch die Einhaltung von bestimmten Nachhaltigkeitsstandards sowie der Anteil deutscher Wertschöpfung werden berücksichtigt. Als besonders förderungswürdig gelten Geschäfte aus dem Bereich der KMU.
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Risikomäßig vertretbar bedeutet, dass das Geschäft eine vernünftige Aussicht auf einen schadenfreien Verlauf hat. Bei der Risikobewertung werden sowohl die Länderrisiken analysiert als auch die Bonität des Bestellers oder Sicherheitengebers im Ausland geprüft. Diese Risikoanalyse ist eine der Hauptaufgaben von Euler Hermes.
"Geschäfte von kleinen und mittleren Unternehmen gelten als besonders förderungsfähig"
Versicherungsbote: In welchem Leistungsumfang sind finanzielle oder sogar weitere Risiken eines Exportgeschäfts abgedeckt? Es ist ja nicht nur mit Zahlungsausfall zu rechnen. Deutsche Firmen beschäftigen auch Mitarbeiter im Ausland, bauen Fabriken, schaffen Technik dorthin etc. Können auch Risiken aus solchen weitreichenden Investitionen über Hermes-Bürgschaften abgesichert werden?
Matthias Jansen: Die Exportkreditgarantien des Bundes sichern sowohl politische als auch wirtschaftliche Risiken ab. Politische Risiken sind beispielsweise Forderungsausfälle durch gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen, Krieg, Aufruhr oder Revolution, Kapitalverkehrskontrollen oder der Verluste von Waren, weil diese beschlagnahmt wurden. Das größte wirtschaftliche Risiko besteht darin, dass ein Besteller in Konkurs geht und deshalb seine offenen Rechnungen nicht mehr bezahlen kann. Aber auch die bloße Nichtzahlung durch den Auslandskunden ist gedeckt (sog. Protracted Default).
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Neben den Exportkreditgarantien gibt es noch die Investitionsgarantien des Bundes. Mit ihrer Hilfe können deutsche Unternehmen ihre Direktinvestitionen im Ausland wirksam gegen politische Risiken absichern.
Können auch kleine und mittlere Unternehmen von der Hermes-Deckung Gebrauch machen?
Geschäfte von kleinen und mittleren Unternehmen gelten sogar als besonders förderungswürdig. Und diese nutzen Hermes-Deckungen traditionell sehr stark. Aktuell liegt der KMU-Anteil bei den Exportkreditgarantien bei 79 Prozent.
Besonders für schwierige und risikoreiche Märkte sind Hermes-Deckungen für die exportierenden Unternehmen attraktiv. Aber warum übernimmt der Bund finanzielle Risiken für private Exportgeschäfte? Gibt es hierfür wirtschaftliche Gründe?
Die Außenwirtschaftsförderung ist seit Jahrzehnten ein zentraler Bestandteil der deutschen Wirtschaftspolitik. Entsprechend ihrer Bedeutung für Wohlstand und Wachstum unterstützt die Bundesregierung die deutsche Exportwirtschaft seit Jahrzehnten auf vielfältige Art und Weise. Für die Exportkreditgarantien des Bundes gilt dabei der Grundsatz: „Privat vor Staat“. Das bedeutet, dass Hermes-Deckungen dort zum Zuge kommen, wo die private Wirtschaft kein entsprechendes oder ausreichendes Absicherungsangebot zur Verfügung stellt. Folglich konzentriert sich das Geschäft des Bundes auf Exportkreditgarantien für Entwicklungs- und Schwellenländer. In vielen Fällen ermöglichen sie erst ein Ausfuhrgeschäft bzw. dessen Finanzierung.
Gibt es auch politische Gründe, um einheimischen Unternehmen Exportgeschäfte auf schwierigen und risikoreichen Märkten zu ermöglichen? Versteht man Hermes-Deckungen auch als Instrument der Außenpolitik? Und wenn ja: Was verspricht man sich davon?
Der Interministerielle Ausschuss (IMA) für Exportkreditgarantien ist das zentrale Entscheidungsgremium für die Übernahme einer Exportkreditgarantie des Bundes. Ihm gehören Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, des Bundesministeriums der Finanzen, des Auswärtigen Amtes sowie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung an. Die Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums zeigt bereits, dass auch andere Politikbereiche für die Wirtschaftsförderung in den Entscheidungsprozess mit einfließen. Die Entscheidung über die Absicherung eines Geschäfts treffen die vier IMA-Ressorts im Konsens, sodass die Kohärenz der Außen-, Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie der Entwicklungszusammenarbeit gewährleistet ist.
Fakt ist aber auch, dass die Exportkreditgarantien des Bundes am Ende ein Wirtschaftsförderinstrument zur Stärkung des deutschen Exports sind. Deshalb liegt die Federführung auch beim Bundeswirtschaftsministerium.
Gibt es Staaten, für die Sie keine Bürgschaft übernehmen, weil dort das Risiko zu hoch ist? Etwa Kriegsgebiete?
Der Interministerielle Ausschuss für Exportkreditgarantien legt für jedes Land eine risikoadäquate Deckungspolitik fest. Sie regelt, in welcher Form und zu welchen Bedingungen der Bund Hermes-Deckungen übernimmt. Diese Deckungspolitik wird kontinuierlich überprüft und wenn nötig angepasst. Weltweit gibt es aktuell nur sechs Länder, für die grundsätzlich keine Deckungsmöglichkeiten bestehen. Dies sind die DR Kongo, Nordkorea, Sierra Leone, Somalia, Sudan und Syrien.
Wie „rechnen“ sich Hermes-Bürgschaften? Wenn Exporte in Risiko-Märkte abgesichert werden: Ist das ein teures Zuschuss-Geschäft? Oder kann man sogar gute Gewinne machen?
Das Förderinstrument trägt sich durch Entgelte und Bearbeitungsgebühren mittelfristig selbst. Dies ist auch eine Vorgabe der Welthandelsorganisation. Die Deckungsnehmer zahlen für die Deckungsübernahme Bearbeitungsgebühren und eine risikoadäquate Prämie. Die Höhe der Prämie hängt dabei im Wesentlichen von vier Komponenten ab: der Länderkategorie, in die das Empfängerland von der OECD eingestuft ist, den Zahlungsbedingungen des Vertrags, der Risikokategorie des Zahlungsverpflichteten sowie der Einstufung des Bestellers.
2018 lag das Jahresergebnis bei 166 Millionen Euro. Seit Einführung 1949 haben die Hermes-Deckungen einen kumulierten Beitrag in Höhe von über 5,7 Milliarden Euro zum Bundeshaushalt beigesteuert.
Wie haben sich die Hermes-Bürgschaften in den letzten Jahren entwickelt? Konfliktherde sind ja weltweit zu beobachten, die sogenannte arabische Revolution oder der Syrienkonflikt lässt auch zunehmend Länder als unberechenbar erscheinen, die trotz Diktatur Jahre zuvor eine gewisse Stabilität für Investitionen boten. Haben Schadenssummen zugenommen, etwa durch ausgeweitete Konfliktregionen und zunehmende Instabilität?
Die Höhe des neu in Deckung genommenen Exportgeschäfts schwankt traditionell stark und wird maßgeblich davon bestimmt, ob im Betrachtungszeitraum Großprojekte gedeckt wurden oder nicht. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass die Nachfrage nach Exportkreditgarantien in wirtschaftlich und politisch schwierigen Zeiten tendenziell eher steigt. Beide Aspekte haben dazu beigetragen, dass das Deckungsvolumen 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 17,4 Prozent auf 19,8 Milliarden Euro gestiegen ist.
Gibt es auch einen privaten Versicherungsmarkt für Exportkreditgarantien? Und wenn ja: Welche Lücke schließt eine Absicherung über eine staatliche Bürgschaft, wenn auch ein privater Markt besteht?
Absicherungsmöglichkeiten gibt es sowohl von privater als auch von staatlicher Seite. Die beiden Anbieter stehen jedoch nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich. Grundsätzlich gilt, dass marktfähige Risiken von der privaten Versicherungswirtschaft abgesichert werden sollen. Exportkreditgarantien setzen dort an, wo das Angebot der privaten Versicherungswirtschaft endet.
Arbeiten Sie auch mit Versicherungsvermittlern zusammen und gibt es eine Art Vertrieb? Oder wie erreichen Sie überhaupt Ihre potentielle Zielgruppe?
Die Exportkreditgarantien des Bundes sind ein nachfrageorientiertes Instrument. Einen klassischen Vertrieb, wie man ihn in der privaten Versicherungsbranche kennt, existiert nicht. Stattdessen gibt es einen Beratungsaußendienst. Dieser bietet umfassende Expertise und Informationen rund um die Themen Exportabsicherung und -finanzierung. Die acht Firmenberater stehen Exporteuren und Banken bundesweit als Ansprechpartner zur Verfügung. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen suchen das Gespräch. Allein im vergangenen Jahr fanden mehr als 6.500 telefonische Beratungsgespräche statt. 1.280 Firmen wurden vor Ort besucht. Die Beratung ist übrigens kostenlos.
Die Fragen stellte Mirko Wenig
Glossar: ausgewählte Begriffe
Lieferantenkreditdeckung: Damit sichern Unternehmen eine einzelne Forderung – aus einer Warenlieferung oder Dienstleistung ins Ausland – zu kurz- oder mittel- bis langfristigen Zahlungsbedingungen ab. Sie bietet Schutz gegen einen wirtschaftlichen (z. B. Insolvenz des Bestellers) oder politisch (z. B. Aufruhr, Embargo) bedingten Zahlungsausfall.
Finanzkreditdeckung: Deckt das Risiko der Banken ab, wenn sie dem Besteller zur Bezahlung des Exportgeschäfts einen mittel- bis langfristigen Kredit geben. Eine Finanzkreditdeckung wird häufig zusammen mit einer Lieferantenkreditdeckung abgeschlossen.
Ausfuhr-Pauschal-Gewährleistung (APG): Sie kommt ins Spiel, wenn Exporteure mehrere Besteller in unterschiedlichen Ländern beliefern und ihre kurzfristigen Forderungen absichern wollen. Der deckungsfähige Exportumsatz muss mindestens 500.000 Euro betragen.
APG-light: Die APG-light ist – als „kleine Schwester der APG“ – eine besonders einfach zu handhabende Form der Sammeldeckung. Abgesichert werden Geschäfte mit Kreditlaufzeiten von weniger als vier Monaten. Mindestexportumsätze werden nicht verlangt.
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Weitere Informationen zu den Exportkreditgarantien und die Kontaktadressen der Firmenberater gibt es unter: www.agaportal.de
- Hermes-Deckung — „Forderungsausfälle können existentiell bedrohlich sein!“
- "Geschäfte von kleinen und mittleren Unternehmen gelten als besonders förderungsfähig"
- Glossar: ausgewählte Begriffe