Generali verliert im Raser-Prozess gegen Porschefahrer
Der Fahrer eines Porsche Carrera fährt mit mehr als 70 Stundenkilometern überhöhter Geschwindigkeit in den Gegenverkehr, ein anderer Verkehrsteilnehmer wird schwerstverletzt. Zuvor war er bereits lange auf der Straße gerast, lieferte sich mutmaßlich ein Rennen mit einem anderen Sportwagen. Dennoch muss die Generali nun seinen geschrotteten Sportwagen ersetzen — Vorsatz wollten die Richter des Oberlandesgerichtes München (OLG) nicht erkennen (Urteil vom 24.05.2019, Az.: 10 U 500/16).
Ein Fahrer rast mit seinem neuen Porsche Carrera viel zu schnell über die Landstraße, gefolgt von einem anderen Sportwagen. 140 Stundenkilometer ist er schnell, als er in eine Rechtskurve steuert und diese schneidet, obwohl der Gegenverkehr nicht einsehbar ist. Erlaubt sind an dieser Stelle maximal 70 km/h. Es kommt das beinahe Unvermeidliche: Der Mann kollidiert mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, verletzt einen anderen Fahrer schwer. Sein Porsche ist Schrott: 82.000 Euro verwandeln sich in einem Trümmerhaufen. Totalschaden.
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Dennoch muss die Generali nun den Kaskoschaden des Mannes voll erstatten, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet. Am Freitag gewann der Porschefahrer einen Berufungsprozess vor dem Oberlandesgericht München. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Eine Sprecherin der Generali behielt sich vor, in Widerspruch zu gehen und den Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zu verhandeln. Sie sprach von einer „Belohnung“ dafür, dass der Mann aus Nordrhein-Westfalen einen anderen Verkehrsteilnehmer schwer verletzt habe. Um weitere rechtliche Schritte zu prüfen, wolle die Generali aber erst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten.
Grob fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln?
Konkret musste der Vorsitzende Richter darüber entscheiden, ob der Mann mit seinem waghalsigen Manöver grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Er hatte den Vollkasko Premium-Tarif der Generali abgeschlossen: eine etwas teurere Police mit sehr umfangreichem Leistungskatalog. Während grob fahrlässiges Verhalten vom Versicherungsschutz gedeckt ist, schließt der Vertrag vorsätzliches Fehlverhalten sowie die „Teilnahme an Autorennen“ explizit aus.
Die Generali wollte nicht zahlen, weil sie darauf beharrte, der Mann habe sehr wohl an einem Autorennen teilgenommen. Sie berief sich dabei auf Zeugenaussagen. So sei der Porsche-Fahrer bereits vor dem Crash durch kilometerlanges Rasen aufgefallen: gefolgt von einem Audi Sportwagen. Beide hätten sich ein Duell geliefert und gegenseitig angespornt schneller zu fahren, Stoßstange an Stoßstange. So zumindest wertete es die Generali.
Dem entgegen betonte der Anwalt des Porsche-Fahrers, es habe kein solches Rennen gegeben. Beide Männer seien sich auf der Strecke zufällig begegnet, verabredet hätten sie sich nicht.
Rasen, um eigenes Auto zu schützen?
Es waren wiederum diese Zeugenaussagen, die den Mann entlasteten, berichtet dpa. So habe der Audifahrer den Porschefahrer bedrängt und von hinten gedrängelt. Immer wieder sei er so dicht aufgefahren, dass „kein Blatt mehr“ zwischen die Autos gepasst hätte. Folglich sei auch das Duell zwischen Porsche- und Audifahrer kein abgesprochenes oder spontanes Rennen gewesen, wie die Anwälte des Klägers argumentierten. Der Mann sei allein deshalb gerast, weil er sein Auto habe schützen wollen und den Drängler abzuschütteln versuchte. Rasen aus Notwehr sozusagen.
Folglich fuhr der Porschefahrer mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit und riskierte Leben und Gesundheit, weil er Angst hatte, sein wertvoller Sportwagen könne durch einen Drängler Schaden nehmen? Das mag kurios klingen — ist aber jene Interpretation, der sich der Vorsitzende Richter anschloss. Das Verhalten sei als fahrlässig zu bewerten, betonte das OLG München, die Generali muss zahlen.
Straffrei kam der Fahrer dennoch nicht davon. Vom Amtsgericht Siegburg wurde er bereits zu zwei Jahren Haft auf Bewährung sowie zwei Jahren Fahrverbot verurteilt. Zudem muss er eine Geldstrafe von 30.000 Euro zahlen. Immerhin: Der Mann zeigte sich laut dpa vor Gericht reumütig und gestand ein, "Mist gebaut" zu haben.
Überhöhte Geschwindigkeit ist häufigste Ursache für Verkehrstote
Wie gefährlich Rasen und zu schnelles Fahren sind, zeigt die Unfallstatistik des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Im Jahr 2017 kamen 1.077 Menschen auf deutschen Straßen bei Geschwindigkeitsunfällen ums Leben, 60.079 wurden verletzt.
Damit starb mehr als jeder Dritte (34 Prozent) aller im Straßenverkehr Getöteten bei Unfällen aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit: Es ist die häufigste Ursache, weshalb Menschen auf deutschen Straßen ihr Leben verlieren. Oft kommt dabei nicht nur der Fahrer selbst zu Schaden, sondern auch unbeteiligte Verkehrsteilnehmer sowie andere Insassen des Fahrzeuges.
“Unfälle durch nicht angepasste Geschwindigkeit haben nach wie vor die schlimmsten Unfallfolgen: Im Jahr 2017 gab es bei Unfällen, bei denen die Polizei mindestens einer Fahrzeug führenden Person zu schnelles Fahren zur Last legte, 24 Tote je 1 000 Unfälle mit Personenschaden. Bei allen Unfällen waren es 11 Getötete“, heißt es hierzu in der Broschüre „Unfallentwicklung auf deutschen Straßen 2017“ der Statistikbehörde.
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Auch die Zahl der Schwerverletzten sei mit 336 je 1.000 Unfällen mit Personenschaden überdurchschnittlich hoch, wenn der Hauptverursacher eines Unfalls zu schnell fuhr. Zum Vergleich: Bei allen Unfällen mit Personenschaden waren es durchschnittlich 220 Schwerverletzte je 1.000 Unfälle. Nicht eingerechnet sind hierbei die Toten oder Schwerverletzten, die durch zu dichtes Auffahren oder falsches Überholen zu beklagen sind.