One startet GPS-basierte Reiseversicherung
Der Digitalversicherer ONE will ab Montag eine Kurzzeit-Reiseversicherung anbieten, die über GPS individuell berechnet, wie viel Geld der Versicherte am jeweiligen Standort zahlen muss. Wer den Flughafen oder Bahnhof eines Reiselandes betritt, soll demnach automatisch einen Tarif vorgeschlagen bekommen, der das Risiko des jeweiligen Ortes berücksichtigt.
Es ist ein erster Testlauf, und doch soll er die Versicherungsbranche verändern: Am Montag startet der Digitalversicherer „One Insurance“ eine sogenannte standortbasierte Versicherung, die via App individuelle Versicherungsangebote errechnet. Über das Projekt berichtet aktuell die Deutsche Presse-Agentur (dpa).
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Bestandskunden des Berliner Start-ups sollen demnach eine Kurzzeit-Reiseversicherung für Sachschäden angeboten bekommen, die über GPS den jeweiligen Standort des Versicherten erfasst. Abhängig vom jeweiligen Aufenthaltsort werde dann das jeweilige Risiko berechnet: je nachdem, ob sich derjenige gerade in Rom, Mailand oder Prag befindet. Der Interessent müsse dann nur noch angeben, welche Sachgegenstände er versichern will und wie hoch die Deckung ist. Wenn der Reisende seinen Trip beendet, so ende auch der Versicherungsvertrag automatisch.
“Travel Light“ soll der Tarif heißen: tatsächlich wird er auf der Webseite von „One“ bereits beworben. Dort heißt es an die junge Zielgruppe gerichtet: “Mit Hilfe des GPS-Moduls könnt ihr beim nächsten Citytrip nach Athen, Rom, London oder Paris ein maßgeschneidertes Versicherungspaket für die Dauer eures Aufenthaltes mit nur einem Klick abschließen und euer Schutz wird deaktiviert sobald du wieder am Startflughafen landest. Cool, oder?“
Individualisierte Tarife als Zukunft der Versicherungsbranche?
Mit dem Angebot erproben die Berliner ein Modell, das viele Insurtechs als Zukunft der Versicherungsbranche sehen: Tarife, die das Risiko eines Kunden in Echtzeit berechnen und dann das passende Angebot erstellen, um automatisch den Schutz anzupassen. Quasi die Versicherung, die mitdenkt: ob auf Reisen, im Haushalt oder bei Krankheit. Bedingung ist freilich, dass der Versicherte tatsächlich ständig hochsensible Daten von sich preisgibt und via App seine Aktivitäten überwachen lässt.
One Insurance arbeite derzeit mit Mobilitätsprovidern zusammen, um das standortbasierte Angebot an ein breiteres Publikum zu adressieren, berichtet Stephan Ommerborn, CEO und Gründer von One, gegenüber dpa. Die Technologie könne künftig auch in anderen Branchen neue Geschäftsfelder eröffnen. "E-Werke verschicken heute nur Strom-Rechnungen an ihre Kunden“, wird Ommerborn zitiert. Mit Sensor- und Standortdaten könnten dagegen Nutzungsszenarien analysiert und ganz individuelle Services angeboten werden.
Inzwischen nutzten nach Angaben von One rund 80.000 Versicherungsnehmer die App. Der Versicherer gehört zur Wefox Group, einer in Zurich gegründeten Ideenschmiede. One selbst agiert von Berlin aus, ist aber in Liechtenstein lizensiert und vertreibt bisher ausschließlich Hausrat-, Haftpflicht- und Reiseversicherungen. Die Konzernmutter gehört zu den Hoffnungsträgern der deutschen Branche: Erst im März konnte Wefox in einer Finanzierungsrunde in Summe 125 Millionen US-Dollar frisches Kapital einsammeln (der Versicherungsbote berichtete).
Kritiker warnen vor Gefahren individualisierter Tarife
Während Insurtechs wie One vor allem den Kundennutzen von Echtzeit-Tarifen herausstellen, hat das Modell auch Risiken. Hier sei an die Debatte um sogenannte Pay-as-you-live-Tarife in der privaten Krankenversicherung erinnert. Bei diesen Angeboten lassen Versicherte per App, GPS und Gesundheitstracker Daten zum Fitness-, Schlaf- und Gesundheitsverhalten überwachen. Sie erhalten für gesundheitsbewusstes Verhalten Boni und Preis-Rabatte.
Kritiker befürchten aber, dass Versicherer die Kunden auf längere Sicht zur Weitergabe sensibler Daten zwingen könnten — und sie mit Preisaufschlägen „bestrafen“, wenn sie dies nicht tun oder sich derart verhalten, dass sie ein höheres Risiko haben. Wer sich zum Beispiel in den Skiurlaub begibt, muss dann unter Umständen deutlich mehr zahlen, weil er sein Risiko erhöht. Oder er erhält gar keinen Schutz mehr. Die Summe an gesammelten Daten könnte eine Rosinenpickerei der Versicherer begünstigen: nur "gute" Kunden erhalten preiswerte Policen.
Aus diesem Grund hat sich der frühere Bundesgesundheitsminister und jetzige Allianz-Kranken-Vorstand Daniel Bahr gegen solche Tarife ausgesprochen: zumindest in der Kranken-Sparte. Er befürchtet, die Idee des Versichertenkollektivs könnte zerstört werden, wenn sie sich durchsetzen: dass also Risiken nicht mehr auf vielen Schultern verteilt werden. Mit Blick auf private Krankenversicherungen sagte Bahr, der Versicherer dürfe den Tarif nicht vom persönlichen Verhalten abhängig machen. „Das ist in Deutschland nicht erlaubt, und auch nicht richtig“. Er erinnerte an ein Grundprinzip der PKV: “Das Risiko wird einmal eingeschätzt, bei Beitritt des Mitglieds, und dann nicht mehr verändert“ (der Versicherungsbote berichtete).
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Darüber hinaus ist fraglich, ob der Versicherungsnehmer die Vertragsklauseln ausreichend zur Kenntnis nimmt, wenn er einen Versicherungsvertrag in Sekundenschnelle per App abschließt. Stichwort: nachteilige Ausschlüsse. Generell gilt: Eine Versicherung sollte erst abgeschlossen werden, nachdem man die Vertragsbedingungen genauestens gelesen hat. Auf der Webseite von One sind die AGB aktuell nicht einsehbar.