Zahnersatz kann teuer werden. Beteiligen sich die Krankenkassen seit 2005 doch nur noch durch einen Festzuschuss an den Kosten. Alles weitere muss der Versicherte selber tragen – sowohl die Differenz des Zuschusses zu den Gesamtkosten (oft 50 Prozent) als auch zusätzliche Leistungen. Dieses Problem führt viele Menschen ins europäische Ausland, um bares Geld zu sparen.

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Denn aufgrund einer in Artikel 49 des Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) garantierten Dienstleistungsfreiheit kann auch für die Behandlung in EU-Ländern ein Festzuschuss bei der Krankenkasse geltend gemacht werden. Behandlungen im Ausland sind hierbei häufig wesentlich günstiger als Behandlungen in Deutschland. Ein wahrer Zahnersatz-Tourismus hat sich durch diese Tatsache bereits entwickelt: Zahnärzte in Polen, Tschechien und Ungarn, aber auch auf spanischen Urlaubsinseln haben sich auf die preiswertere Behandlung deutscher Patienten spezialisiert (der Versicherungsbote berichtete).

Aber es drohen auch rechtliche Fallstricke, wie nun eine Frau vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LGS) erfahren musste. Denn wer mit dem Grundsatz bricht, sich am deutschen Recht zu orientieren, der bleibt am Ende auf seinen Behandlungskosten sitzen. Das zeigt ein Urteil mit Datum vom 14. Mai 2019 (Az. L4 KR 169/17).

Die Behandlung: Billiger als der Festzuschuss des deutschen Plans

Was führte die Frau vor Gericht? Sie hatte ihre Krankenkasse verklagt. Ursache war folgender Vorgang: Die Frau benötigte Zahnersatz sowohl für den Ober- als auch Unterkiefer, ließ sich dafür einen Heil- und Kostenplan durch einen deutschen Zahnarzt erstellen. Der Eingriff hätte 4986,85 Euro gekostet und wurde durch die Krankenkasse genehmigt. 1433,53 Euro hätte die Patientin selber tragen müssen, denn aufgrund des Kostenplans genehmigte ihre Krankenkasse einen doppelten Festzuschuss in Höhe von 3553,32 Euro.

Da erkannte die Frau jedoch die Möglichkeit, durch Behandlung in Polen Geld zu sparen – eine polnische Zahnärztin orientierte sich am Heil- und Kostenplan des deutschen Arztes und führte die Behandlung für 3254,60 Euro durch. Ein neuer Heil- und Kostenplan der polnischen Praxis aber wurde der Krankenkasse nicht durch die Patientin vorgelegt. Warum auch? Meinte die Frau doch, eine Orientierung bei der Behandlung am alten Heil- und Kostenplan würde genügen.

Das führte zu einer bösen Überraschung: Obwohl die gesamte Behandlung sogar billiger war als der genehmigte Festzuschuss, verweigerte die Kasse nun einen Teil der Kostenübernahme, und zwar aus gutem Grund: Ein medizinisches Gutachten im Auftrag der Krankenkasse ergab, dass die Versorgung im Unterkiefer nicht den in Deutschland geltenden Qualitätskriterien entsprach. Also war die Krankenkasse einzig bereit, die Kosten von 1669,40 Euro für die erfolgte Versorgung im Oberkiefer zu übernehmen.

Das wollte die Frau so nicht hinnehmen, klagte zunächst vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig auf Erstattung weiterer Kosten in Höhe von 1883,92 Euro – und bekam in erster Instanz sogar recht (Az. S31 KR 124/14). Die verklagte Kasse jedoch ging in Berufung vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, verwies auf den fehlenden Heil- und Kostenplan und die nicht standardgerechte Versorgung – und konnte sich damit nun vor dem Landessozialgericht durchsetzen. Das Urteil des Sozialgerichts wurde aufgehoben und die Klage der Patientin wurde abgewiesen.

Auch für Auslandsbehandlung muss Heil- und Kostenplan genehmigt werden

Begründet ist das Urteil in Paragraf 87 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V): So muss jeder Arzt vor Behandlung einen Heil- und Kostenplan erstellen, der es der Krankenkasse erlaubt, jede Behandlung auf Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen. Die Genehmigung des Plans muss im Voraus durch die Kasse erfolgen – ansonsten besteht für die Versicherten kein Anspruch auf den Festzuschuss.

Dass die Prüfung auf sehr umfangreiche Weise möglich sein muss und auch Bedingungen enthält, die sich mit einem Praxiswechsel bzw. einem Wechsel des Arztes ändern, legt schon der Wortlaut des Paragraphen nahe: Der "Befund", die "Regelversorgung" und die "tatsächlich geplante Versorgung" ist "nach Art, Umfang und Kosten“ anzugeben. Der Paragraph nennt auch Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes oder Angaben des praxiseigenen Labors. Deutlich geht aus dem Wortlaut hervor, dass der durchführende Arzt den Plan zu erstellen hat. Und somit ist es eben nicht möglich, sich bei einer Behandlung einfach auf den Heil- und Kostenplan eines anderen Arztes zu berufen.

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Kostenplan entfaltet Bindungswirkung

Dies geht auch aus einer weiteren Tatsache hervor: Laut Urteil des Landessozialgerichts entfaltet ein genehmigter Heil- und Kostenplan eine Bindungswirkung der Krankenkasse im Verhältnis zum behandelnden Zahnarzt, die sich sowohl aus dem Grundsatz der Selbstbindung des Versicherungsträgers als auch aus der Forderung einer Leistung nach Treu und Glauben nach Paragraph 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergibt. Schon deswegen kann die Frau nicht davon ausgehen, dass ein erstellter Heil- und Kostenplan als Orientierung für einen anderen durchführenden Arzt bzw. eine Ärztin genügen würde.

Anwendung inländischen Rechts für Auslands-OP stellt keine Diskriminierung dar

Anders als von der Kläger-Partei der Patientin behauptet, stellt eine Orientierung an inländischem Recht (und damit z.B. dem Fünften Sozialgesetzbuch) auch keine Diskriminierung dar, welche die europarechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit behindern würde. Der Grundgedanke hinter dieser Argumentation freilich ist auf dem ersten Blick gar nicht so abwegig: Anspruchsvolle Bedingungen für Genehmigungen und Formulare können insbesondere für kleine ausländische Praxen zunächst ein Hindernis bei der Behandlung deutscher Patientinnen und Patienten darstellen, und zwar umso mehr, je mehr Sprachbarrieren die Einlösung formeller Maßgaben erschweren.

Und dennoch: Laut Urteil gelten Leistungsvoraussetzungen und Begrenzungen des Leistungsumfangs, die im nationalen Recht angelegt sind, uneingeschränkt. Dass eine derartige Orientierung an inländischem Recht laut Urteil auch keine Diskriminierung darstellt, wird durch Verweis auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verdeutlicht. Demnach liegt zum Beispiel auch keine Diskriminierung vor, wenn im europäischen Ausland für den Versorgungsanspruch mit Arzneimitteln und Laboruntersuchungen ein Arztvorbehalt gefordert wird, wie er durch Paragraph 15 SGB V definiert ist. Die Kasse muss also nicht im Ausland Leistungen abdecken, zu deren Abdeckung sie im Inland nicht verpflichtet wäre. Auch muss die Kasse keine Leistungen genehmigen, die zum Beispiel nicht deutschen Standards entsprechen.

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Auch ein solcher Hintergrund lässt sich leicht verstehen: Mit Blick auf ausländische Kassenleistungen würden ansonsten niedrige nationale Standards einen Wettbewerbsvorteil schaffen und Länder könnten versucht sein, ihren Dienstleistungsunternehmen und Praxen durch Absenkung rechtlich definierter Qualitätsstandards einen solchen Vorteil bei ausländischen Kunden und Patienten zu verschaffen. Wären doch Kassen dann zu einer Orientierung an den niedrigen Standards des Behandlungsortes gezwungen und müsste Leistungen zahlen, für die sie im Inland nicht zahlen müssten. Zum Glück aber ist das nicht der Fall, wie das aktuelle Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen oder wie Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zeigen. Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen kann bei www.sozialgerichtsbarkeit.de nachgelesen werden.

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