Klassische Lebensversicherung mit Aufschubrente: Problemkind, doch besser als ihr Ruf
Was taugen klassische Leben-Policen noch und welchen Ertrag kann der Kunde daraus erwarten? Unter anderem diese Frage beantwortet der 908. MAP-Report, hierfür wurden garantierte sowie prognostizierte Leistungen der einzelnen Anbieter verglichen. Der Versicherungsbote hat sich die Ergebnisse angeschaut.
- Klassische Lebensversicherung mit Aufschubrente: Problemkind, doch besser als ihr Ruf
- Garantierte Leistungen der Versicherer
- Verheißungen: Die Prognosen der Versicherer
Eine Erfolgsgeschichte hat sich auserzählt: „Klassische“ Vorsorgeprodukte der Lebensversicherung mit garantiertem Rechnungszins werfen im Niedrigzins-Umfeld kaum noch etwas ab. Das gilt umso mehr, als Lebensversicherer unter alten Garantien ächzen, die sich kaum noch erwirtschaften lassen. Immer mehr dünnt demnach auch das Angebot an klassischen Produkten aus.
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Und dennoch: Manche Lebensversicherer haben noch immer klassische Tarife in ihrem Produkt-Portfolio. Nicht jeder Anbieter hat sich von den vielfach ungeliebten Produkten losgesagt. Umso spannender ist die Frage, welche Leistungsversprechen Anbieter klassischer Tarife für zukünftige Renten geben. Der Versicherungsbote hat sich Ergebnisse des MAP-Report 908 für klassische Tarife der Aufschubrente angesehen.
„Klassik“ und "Neue Klassik“: Ausgehungert durch niedrige Zinsen
Produkte der Lebensversicherungen nach „klassischer Machart“, die einen Rechnungszins garantierten, waren über Jahrzehnte beliebt bei Anbietern und Kunden. Damit freilich ist es nun vorbei. Denn die Win-Win-Situation guter Renditen bei hoher Sicherheit für den Kunden, die zudem den Versicherern gute Einnahmen garantiert, ist in Zeiten der Niedrigzins-Politik nicht mehr aufrechtzuerhalten. Insbesondere alte Zinsgarantien für die Kunden kommen die Versicherer nun teuer zu stehen. Der Trend der letzten Jahre ist eindeutig: Klassische Produkte spielen kaum noch eine Rolle im Neugeschäft der Versicherer, wurden in großer Zahl sogar eingestellt.
Richten sollen es stattdessen Produkte der so genannten „Neuen Klassik“ – die Unternehmen verzichten auf jenen garantierten Rechnungszins, der klassische Produkte in Zeiten niedriger Zinsen teuer macht. Keineswegs jedoch sind diese neuen Produkte unabhängig vom Niedrigzins-Umfeld. Denn Kundengelder für Produkte der Neuen Klassik werden zu großen Teilen, wie bei klassischen Produkten, im konservativ gehandhabten Sicherungsvermögen angelegt. Zwar dürfen angelegte Gelder durch einen hohen Anteil festverzinslicher Wertpapiere demnach als „sicher“ gelten. Die Rendite aber leidet wie bei klassischen Leben-Produkten unter dem Niedrigzins. So verwundert es nicht, dass einige der neuen Produkte wie der Versuch wirken, aus der sprichwörtlichen Quadratur des Kreises Kapital zu schlagen (der Versicherungsbote berichtete).
Mehr Aufbauleistung, weniger Rendite
Zunehmenden Druck auf Aufbauleistungen der Lebens- und Rentenversicherungen durch das Niedrigzins-Umfeld veranschaulicht hierbei der aktuelle Leistungsvergleich von Produkten der Klassik und der „Neuen Klassik“ aus dem MAP-Report 908.
Zahlten zum Beispiel Kunden 20 Jahre lang 1.200 Euro jährlich für eine aufgeschobene Rente ein, wurden im Jahre 2009 gemäß Marktdurchschnitt 42.339 Euro als Kapitalabfindung fällig. Die Beitragsrendite betrug 5,14 Prozent. Bis zum Jahresbeginn 2019 sank jedoch die Auszahlung trotz gleichem eingezahlten Betrag um 6.858 Euro auf 35.481 Euro. Die Rendite „sackte“ um 1,55 Prozentpunkte auf 3,59 Prozent ab, wie der MAP-Report vorrechnet. Ein Trend, der sich durch anhaltend niedrige Zinsen verschärft. Solche Zahlen legen nahe: Die einst beeindruckende Erfolgsgeschichte "klassischer" Lebens- und Rentenversicherungen scheint auserzählt.
MAP-Report dennoch: Lebensversicherung besser als ihr Ruf
Die niedrige Beteiligung am MAP-Report 908 und damit am Leistungsvergleich für Produkte der „Klassik" und „Neuen Klassik“ könnte durch solche Zahlen bedingt sein – nur 19 der 26 angefragten Gesellschaften waren bereit, notwendige Angaben für den MAP-Report 908 zu liefern. Autor Reinhard Klages sieht dahinter auch die „Sorge vor einer Kritik durch Politik und Verbraucherschutz“. Zwar muss relativierend gegen dieses Argument eingewendet werden, dass weitere Reporte zu anderen Sparten derzeit ebenfalls unter einer niedrigen Beteiligung leiden (der Versicherungsbote berichtete). Und doch fällt auf: Lebensversicherer tun sich noch immer mit einer Transparenz schwer, die oft geäußerte Kritik abmildern könnte.
Zwar verweisen Zahlen wie jene zu den Aufbauleistungen tatsächlich auf eine Krise, die Anbieter unter Zugzwang setzt. Zugleich stellt der aktuelle Leistungsvergleich des MAP-Report aber auch heraus: Die erreichten Werte der Produkte seien „deutlich besser“, als Zinsniveau und allgemeine Berichterstattung es „erwarten lassen“. Verpasste Transparenz ist somit auch eine verpasste Chance, Vertrauen der Kunden zu gewinnen in Zeiten von Run-offs und besorgniserregender Meldungen, wonach mehrere Anbieter nicht ausreichend solvent seien.
Klassische Produkte: Die Versprechen für 2054
Was aber offenbaren jene Daten, die für einen aktuellen Leistungsvergleich durch die Versicherer geliefert wurden? Mit Blick auf die Krisensymptome insbesondere „klassischer“ Produkte erweist sich eine Tabelle des MAP-Report 908 als besonders spannend. Diese Tabelle stellt, anders als die Mehrzahl der Tabellen aus dem Report, keine zurückliegenden Ergebnisse gegenüber (Werte „zehren“ somit nicht von besseren Bedingungen für die Lebensversicherung aus der Vergangenheit). Sondern Versicherer geben für aktuell angebotene Tarife Hochrechnungen ab für eine Rente ab dem 01.04.2054.
Tarife aus dieser Tabelle zählen zudem zur „Klassik“ statt zur „Neuen Klassik“ – damit treffen Versicherer Leistungsaussagen für jene in Verruf geratenen Produkte, die noch immer die (nun teuren) Garantien für den Rechnungszins beinhalten. Nur elf der neunzehn am MAP-Report beteiligten Versicherer liefern überhaupt noch für solche Produkte ein Angebot.
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Welche Leistungen aber garantieren Lebensversicherer für klassische Tarife, deren Aufschubzeit in 2054 endet? Und mit welchen Prognosen locken sie die Kunden und versprechen Zusätzliches zu den garantierten Leistungen? Beides wird durch den MAP-Report 908 veranschaulicht.
Garantierte Leistungen der Versicherer
Musterkunde für die nun vorgestellten Tarife ist ein 32-jähriger Journalist und Nichtraucher. Versicherungsbeginn ist der 01.04.2019, die Aufschubzeit beträgt 35 Jahre. Jährlich zahlt der Versicherungsnehmer 1.200 Euro ein, in der Summe demnach 42.000 Euro. Eine doch beachtliche Aufbauleistung als Grundlage für den Mustertarif, weswegen Ergebnisse auch aufgrund des Zinseszins-Effekts vorteilhafter wirken als bei Verträgen mit kürzerer Aufschubzeit.
Folgende Leistungen mussten die Versicherer mit ihrem Tarifangebot abdecken: Bei Tod des Versicherungsnehmers während der Aufschubphase mussten die Beiträge als Todesfallschutz an die Hinterbliebenen ausgezahlt werden. Zudem musste eine Rentengarantie für 10 Jahre greifen. Das bedeutet: Stirbt der Versicherungsnehmer innerhalb der ersten zehn Jahre ab Rentenbezug, sichert die Garantie ebenfalls einen Hinterbliebenen-Schutz. Entweder erhalten Hinterbliebene eine einmalige Abfindung, oder sie können sich bis zum Ende der Garantiezeit die Rente des Verstorbenen weiterzahlen lassen.
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Der Versicherungsnehmer selbst soll nach Ablauf der Aufschubzeit zwischen einer fortlaufenden Monatsrente oder einer Kapitalabfindung entscheiden können. Als Überschusssystem für die Leistungen wurde ein dynamisches System gewählt. So werden erwartete Überschüsse nicht gleichmäßig und „konstant“ über die Vertragszeit verteilt, sondern können dynamisch erhöht werden. Bedingung: Ein einmal erreichtes Rentenniveau darf nicht wieder unterschritten werden – der Versicherer bindet sich mit jeder dynamischen Erhöhung zugleich an den neuen Rentenbetrag als „Untergrenze“.
Für prognostizierte Überschüsse ist freilich zu bedenken: Sie betreffen den unsichersten Teil der Prognosen. Demnach rankt der MAP-Report die Ergebnisse der Hochrechnungen Aufgeschobene Rentenversicherung: Klassik auch nach Höhe der garantierten Leistungen statt nach Höhe zusätzlicher Leistungsversprechen. Durch Aufteilung der Ergebnisse werden wir zwar von diesem Prinzip teils abweichen. Die Skepsis aber gegenüber allen Werten, die zusätzlich zu den Garantien versprochen werden, soll beibehalten werden.
Die 11 Klassik-Tarife in Hochrechnungen des MAP-Reports
Ranking-Sieger der Klassik-Tarife für die aufgeschobene Rente ist die Europa, die nicht nur die höchste monatliche Rente oder Kapitalabfindung garantiert, sondern auch in den Prognosen die höchsten Gewinne verspricht. Auf Rang zwei für die garantierte Leistung findet sich, aufgrund einer ebenfalls hohen garantierten Rente oder Kapitalabfindung, die Cosmos.
Schon für diesen Rang ist aber zu beachten: Höhere Rentenzahlungen, die nicht durch Garantien gesichert sind, prognostiziert die Öffentliche Braunschweig oder die Neue Bayerische Beamten für ihre Kunden. Mit Blick auf solche Zahlen muss sich der Kunde entscheiden: Wählt er lieber den höheren Garantie-Betrag? Oder glaubt er den optimistischen und hoch greifenden Prognosen, hinter denen eine lukrativere, jedoch auch weniger sichere Anlagestrategie stehen könnte?
Folgende Ergebnisse für garantierte Leistungen erzielten die Mustertarife der Versicherer, wenn 35 Jahre lang 1.200 Euro jährlich eingezahlt wurden:
Garantierte Monatsrente ab dem 01.04.2054:
- Europa: 144,39 Euro (Rentensteigerungssatz 1,90 Prozent)
- Cosmos: 138,97 Euro (Rentensteigerungssatz 1,40 Prozent)
- Hannoversche: 134,70 Euro (Rentensteigerungssatz 1,35 Prozent)
- WGV: 135,50 Euro (Rentensteigerungssatz 1,65 Prozent)
- Stuttgarter: 131,47 Euro (Rentensteigerungssatz 1,85 Prozent)
- Neue Bayerische Beamten: 128,74 Euro (Rentensteigerungssatz 1,90 Prozent)
- InterRisk: 128,40 Euro (Rentensteigerungssatz 1,81 Prozent)
- Öffentliche Braunschweig: 124,67 Euro (Rentensteigerungssatz 1,70 Prozent)
- SV: 124,04 Euro (Rentensteigerungssatz 2,15 Prozent)
- Inter: 121,09 Euro (Rentensteigerungssatz 1,60 Prozent)
- Volkswohl Bund: 110,88 Euro (Rentensteigerungssatz 2,05 Prozent
Garantierte Kapitalabfindung in 2054:
- Europa: 48.172,33 Euro
- Cosmos: 147.465,43 Euro
- Hannoversche: 46.370,00 Euro
- WGV: 46.039,96 Euro
- InterRisk: 43.942,00 Euro
- Stuttgarter: 43.935,11 Euro
- Neue Bayerische Beamten: 43.665,42 Euro
- Öffentliche Braunschweig: 43.541,31 Euro
- SV: 43.085,00 Euro
- Inter: 42.119,75 Euro
- Volkswohl Bund: 39.999,00 Euro
Verheißungen: Die Prognosen der Versicherer
Bevor im Folgenden Leistungsversprechen jenseits der Garantien für die „klassische“ Aufschubrente vorgestellt werden, sei eine Warnung angebracht. Hochrechnungen beinhalten nämlich Prognosen für die Zukunft, die keineswegs eintreffen müssen. Sie besitzen demnach nur eingeschränkte Aussagekraft.
Das Problem solcher Prognosen wird durch die Leben-Sparte anschaulich wie durch kaum einen anderen Versicherungen-Bereich. Denn welcher Versicherer hätte zum Beispiel in der Hochzinsphase zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts das derzeitige Niedrigzins-Szenario vorhersehen können oder danach kalkulieren wollen?
Besonders Prognosen zu nicht garantierten Rentenanteilen könnten sich demnach als ein von Hoffnung getrübter Blick in die Glaskugel erweisen, da sich der Gang der Zinsen, aber insbesondere auch Entwicklungen der Finanzmärkte nur schwer vorhersagen lassen. Und dennoch kann ein realer Kern enthalten sein, wenn Versicherer mit „geringen“ Garantien höhere Renten versprechen. Ein Anbieter, der weniger garantiert, könnte einen Vorteil für die Erwirtschaftung von Überschüssen (zum Beispiel durch riskantere Geldanlagen) haben, weil er zum Beispiel mehr in Aktien und Fonds investiert als in festverzinsliche Anlagen.
Unter dieser Voraussetzung sei nun vorgestellt, welche Prognosen der Musterkunde für seinen klassischen Tarif erhielt. Mit Blick auf solche Zahlen muss sich ein Kunde in einem zweiten Schritt entscheiden: Wählt er lieber den höheren Garantie-Betrag? Oder glaubt er den optimistischen und hoch greifenden Prognosen einiger Versicherer, die geringere Beträge garantieren?
Folgende Ergebnisse prognostizieren die Versicherer, wenn 35 Jahre lang 1.200 Euro jährlich für die aufgeschobene Rente eingezahlt wurden.
Prognostizierte Monatsrente ab dem 01.04.2054:
- Europa: 241,00 Euro
- Öffentliche Braunschweig: 207,15 Euro
- Neue Bayerische Beamten: 201,29 Euro
- WGV: 199,74 Euro
- Stuttgarter: 193,87 Euro
- Cosmos: 191,85 Euro
- Hannoversche: 188,75 Euro
- InterRisk: 185,20 Euro
- SV: 175,60 Euro
- Inter: 174,75 Euro
- Volkswohl Bund: 172,00 Euro
Prognostizierte Kapitalabfindung in 2054:
- Europa: 80.530,00 Euro
- Öffentliche Braunschweig 72.347,81 Euro
- Neue Bayerische Beamten: 68.272,08 Euro
- WGV: 67.865,88 Euro
- Cosmos: 65.525,92 Euro
- Stuttgarter: 64.790,15 Euro
- Hannoversche: 64.142 Euro
- InterRisk: 63.385,00 Euro
- Volkswohl Bund: 62.068,00 Euro
- SV: 60.996,39 Euro
- Inter: 60.786,39 Euro
Hintergrund:
Zum Jahresbeginn 2019 erwarb die Franke und Bornberg Research GmbH vom VersicherungsJournal Verlag den Geschäftsbereich Map-Report. Damit holten sich die Rating-Experten eines der etabliertesten Ratings der Versicherungsbranche ins Haus: Seit 29 Jahren schon liefert der Map-Report Daten zu Sparten und Anbietern (der Versicherungsbote berichtete).
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Der MAP-Report 908 vergleicht tatsächliche Leistungen von Sofortrenten, Aufschubrenten und Kapitallebensversicherungen über die letzten 30 Jahre. Jedoch lieferten nur 19 Versicherungsunternehmen die notwendigen Daten. Die Studie kann über die Webseite von Franke und Bornberg bestellt werden.
- Klassische Lebensversicherung mit Aufschubrente: Problemkind, doch besser als ihr Ruf
- Garantierte Leistungen der Versicherer
- Verheißungen: Die Prognosen der Versicherer