E-Scooter: Don't believe the hype?
Seit Juni diesen Jahres sind E-Scooter im Straßenverkehr erlaubt. Schon zuvor brachte die Sicherheitsdiskussion das Thema E-Scooter „in aller Munde“. Eine Umfrage im Auftrag der Gothaer weckt nun jedoch den Verdacht: Die große Trend-Welle rollt mit den neuen Fahrzeugen nicht heran.
- E-Scooter: Don't believe the hype?
- Gefährt mit Tücken? – die Unfall-Debatte
Nur wenige der Befragten wollen einen E-Scooter auszuleihen, noch weniger Teilnehmende an der Umfrage planen einen Kauf. Mit Blick auf die deutsche Gesamtbevölkerung dürfte dieser Befund durchaus zutreffen – denn nur in bestimmtem Großstädten zeigt sich ein erster Boom. Dennoch sind die Fahrzeuge nun erneut in aller Munde. Wurden doch erste schwere Unfälle mit E-Scootern bekannt.
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E-Scooter: Grund zur Sorge/ Grund zur Freude
Die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) machte es möglich: Seit dem 15.06.2019 sind in Deutschland so genannte E-Scooter erlaubt – kleinere batteriebetriebene Fahrzeuge, die bis zu 20 km/h schnell sein dürfen und für Radwege, bei Fehlen dieser Wege jedoch auch für die Fahrbahn und außerhalb von Ortschaften für Seitenstreifen oder die Fahrbahn zugelassen sind.
Der Verordnung voraus gingen intensive Sicherheitsdiskussionen. So warnten Interessenverbände wie der Fußgängerverband „Fuß“ vor einem Kampf um die Bürgersteige und kritisierten insbesondere, dass die neuen Fahrzeuge auch auf Wegen zugelassen sind, die für Radfahrer und Fußgänger gemeinsam ausgewiesen werden. Sieht man doch in den neuen Fahrzeugen neue Risiken für Fußgänger, zumal die Wege noch nicht für Bedürfnisse der neuen Fahrzeuge geschaffen seien. Andererseits aber gaben die neuen Fahrzeuge Grund zur Freude.
Denn da E-Scooter nur mit einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung betrieben werden dürfen, tat sich für Versicherer ein dankbares neues Geschäftsfeld auf: Marktführer der KFZ-Branche wie die Huk-Coburg oder die Allianz brachten ebenso schnell neue Policen auf den Markt wie weitere Versicherer; beispielhaft genannt seien die Bayerische, die DEVK oder Signal Iduna (der Versicherungsbote berichtete). Auch wurde mit den neuen Fahrzeugen ein neues Geschäftsmodell aus anderen Ländern auf den deutschen Markt gebracht. Boomt doch insbesondere in Großstädten das Geschäft mit dem Roller-Verleih.
Studie der Gothaer: Don't believe the hype?
Wie aber werden nach jetzigem Stand die neuen Fahrzeuge angenommen? Rollt nun tatsächlich die große Roller- Trend-Welle heran? Ein Anbieter jener neuen Policen wollte es genau wissen: Die Gothaer gab eine Studie beim Marktforscher forsa in Auftrag und ließ 1.002 Personen ab 18 Jahren zu E-Scootern befragen. Die überraschenden Umfrageergebnisse könnte man unter einem ernüchternden Motto zusammenfassen: Man glaube nicht dem großen Hype.
Denn die große Mehrheit der Befragten – 78 Prozent – will in den nächsten zwölf Monaten weder einen E-Scooter kaufen noch ausleihen. Nur dreizehn Prozent der Befragten hingegen wollen einen E-Scooter ausleihen. Gar nur vier Prozent planen den Kauf eines solchen Fahrzeugs.
Ein in Relation dazu größeres Interesse lässt sich nur für die jüngeren Umfrageteilnehmer im Alter von 18 Jahren bis 29 Jahre feststellen. Aber auch für die Mehrzahl der Befragten dieser Altersgruppe steht keineswegs der Erwerb eines E-Scooters ins Haus. Immerhin: 30 Prozent der 18 bis 29-jährigen Umfrageteilnehmer plant zumindest, in den nächsten 12 Monaten einen E-Scooter auszuleihen.
E-Scooter: Relevant in den Ballungsräumen
Droht demnach nicht jene von Kritikern der neuen Fahrzeuge – genannt sei ebenfalls der Allgemeine Deutscher Fahrrad-Club (ADFC) – befürchtete Invasion von E-Scootern auf Deutschlands Verkehrswegen? Eine solche Feststellung kann nur unter Vorbehalt gelten. Denn zum einen widersprechen sich aktuelle Umfragen stark. Laut der Studie eines Wettbewerbers, der Swiss Life, liebäugelt nämlich mehr als ein Drittel der volljährigen Deutschen (36 Prozent) innerhalb der nächsten Zeit mit dem Erwerb eines eigenen E-Scooters (der Versicherungsbote berichtete).
Zum anderen lässt sich gerade für bestimmte deutsche Großstädte und Ballungsräume ein gestiegenes Interesse an den neuen Fahrzeugen erkennen. Zwar bestärkt eine nur geringe Nachfrage in manchen Regionen die Umfrageergebnisse der Gothaer – die Leipziger Volkszeitung (LVZ) meldete diese Woche, im Freistaat Sachsen spielten E-Scooter „nahezu keine Rolle“. Zugleich aber meldet das Internetportal der Morgenpost für Hamburg einen Roller-Boom. Auch Berlin und Frankfurt (Main) befinden sich nach Darstellung mehrerer Medienberichte im „E-Scooter-Fieber“. In diesen Metropolen scheint das Geschäft mit den neuen Fahrzeugen zu boomen.
Per Roller statt zu Fuß: Das Gefährt für den "inneren Schweinehund"
Das hat seinen Grund: Insbesondere für deutsche Großstädte haben Anbieter wie Voi, Lime oder Hive das Marktpotential von Leihservices entdeckt – einfach und schnell per Handy über eine App. So wird es möglich, schnell und einfach einen E-Scooter zu nutzen, ohne die Anschaffungskosten zu stemmen. Und gerade in den dichten Ballungsräumen werden die Fahrzeuge mit ihrer doch oft beschränkten Reichweite für das Zurücklegen kürzerer Strecken interessant.
Umfrage der Gothaer: E-Scooter als Fußersatz
Ein Bild, das auch die Umfrage der Gothaer bestätigt: Die meisten der Befragten, die überhaupt einen solchen Roller nutzen wollen, nennen als Motiv: Sie wollen den Roller "für kurze Strecken nutzen, anstelle zu Fuß zu gehen". 55 Prozent der Befragten sieht in den Rollern einen willkommenen Ersatz für den Gebrauch der Füße und Beine.
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Hingegen sehen nur 38 Prozent in E-Scooter Fahrten einen Ersatz für Fahrten mit dem öffentlichen Nahverkehr. Daraus ergibt sich ein Problem, das unabhängig von der Unfallgefahr für Diskussion sorgen könnte: E-Scooter dienen in einer solchen Sicht als willkommenes Fahrzeug, um Bewegung auf kurzen Distanzen zu vermeiden.
Gefährt mit Tücken? – die Unfall-Debatte
Dass E-Scooter nun erneut öffentliche Debatten bestimmen, liegt nicht an diesem Zugeständnis der Roller an den inneren Schweinehund, sondern an ersten Unfällen mit schweren Verletzungen. Machen diese Unfälle doch bewusst, dass Risiken auch für Fahrten mit E-Scootern bestehen. So wurden in Berlin acht Schwerverletzte mit Knochenbrüchen und Kopfverletzungen aufgrund von E-Scooter- Unfällen registriert, wie die Tagesschau berichtet. Insgesamt sind in den ersten vier Wochen 21 Verkehrsunfälle mit den neuen Gefährten zu beklagen. Auch die Stadt Frankfurt verzeichnet erste Unfälle mit Schwerverletzten.
Aufsehen erregte in den letzten Tagen zudem der Tod einer prominenten YouTuberin aus England: Die 35-jährige Emily Hartridge wurde offenbar an einer Londoner Kreuzung von einem Lastwagen erfasst, wie die Welt berichtet. Sind Fahrten mit den neuen Fahrzeugen demnach besonders riskant – ähnlich zum Beispiel wie Fahrten mit dem „Sicherheitsrisiko Quad“?
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Die Welt weist im Kontext dieser Debatte darauf hin: Auf jeden E-Scooter-Unfall kommen mehr als 40 Fahrradunfälle. Ein Argument, das freilich übersieht: E-Scooter sind momentan noch wesentlich weniger verbreitet als Fahrräder. Weit mehr Menschen nutzen täglich das Fahrrad für ihre Wege, was die Unfallhäufigkeit erklärt.
Trotz eines solchen Einwands gilt aber auch: Die Öffentlichkeit ist sehr für das Thema "E-Scooter" sensibilisiert, so dass durchaus eine Überbewertung der bisherigen Vor- und Unfälle stattfinden könnte. Gehören Polizeimeldungen, die verunglückte Fußgänger und Fahrradfahrer vermelden, doch mittlerweile zur Alltags-Gewohnheit und werden kaum als Besonderheit wahrgenommen. Jedoch erfährt aktuell jeder E-Scooter- Unfall verstärkte Aufmerksamkeit.
Das zeigt sich am deutlichsten am dramatischsten E-Scooter- Unfall, der derzeit die Diskussion bestimmt – am Schicksal der verunglückten YouTuberin. Um das Beispiel aus Großbritannien auf Deutschland zu übertragen: Nur in Berlin sind, in 2016, sechs Radfahrende durch abbiegende LKW ums Leben gekommen. In 2017 waren es vier getötete Radfahrende, wie der Allgemeine Deutscher Fahrrad-Club (adfc) kritisiert. Hinter solchen Unfällen können zwar Versäumnisse der Verkehrspolitik wie Infrastrukturprobleme oder fehlende Vorgaben für die Ausstattung von LKW stehen. Keineswegs ist das Risiko, von einem abbiegenden LKW erfasst zu werden, aber „E-Scooter“- spezifisch.
Dass Fahrer von E-Scootern ebenso wie Fußgänger, Rad- und Autofahrer und alle anderen Verkehrsteilnehmer in Unfälle verwickelt werden können, sollte zunächst selbstverständlich sein. Aufgrund der derzeit noch geringen Zahl an Unfällen mit den neuen Rollern kann folglich noch nicht eingeschätzt werden: Droht durch E-Scooter eine erhöhte Unfallgefahr aufgrund spezifischer Risiken? Oder begründen sich die Unfälle durch eine allgemeine Gefährdung, der jeder Verkehrsteilnehmer ausgesetzt ist? Jedoch gilt eine solche Feststellung noch fehlender Aussagekraft nur mit einer wichtigen Einschränkung.
E-Scooter: Bei Betrunkenen beliebt
Unter einer Bedingung nämlich droht tatsächlich eine erhöhte Unfallgefahr, wie sich nach jetzigem Stand abzeichnet. Denn Unfälle in Frankfurt, aber auch in Erfurt und anderen Städten wurden durch Alkohol verursacht, berichten verschiedene Medien (zum Beispiel hier). Auch Unfälle mit Schwerverletzten sind mittlerweile auf Alkoholfahrten mit dem E-Scooter zurückzuführen. Demnach unterschätzen vor allem Betrunkene das Risiko einer betrunkenen Roller-Fahrt.
Mehr noch: Für Betrunkene scheinen die neuen Roller zunehmend ein besonders beliebtes Fortbewegungsmittel, wie eine Meldung der Welt nahelegt. Demnach scheinen Betrunkene besonderen Spaß an den Fahrten mit den niedlich wirkenden Rollern zu haben.
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Ein Fehlverhalten mit ernsten möglichen Konsequenzen auch ohne Unfall. Denn E-Scooter sind Kfz, es gelten die gleichen Promillegrenzen wie für Autofahrer. Und: Es drohen die gleichen Strafen für Alkoholfahrten, im schlimmsten Fall eine Freiheitsstraße von bis zu fünf Jahren. Darauf weist aktuell der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DRV) hin.
- E-Scooter: Don't believe the hype?
- Gefährt mit Tücken? – die Unfall-Debatte