Können Sie einen kurzen Einblick geben, wie sich die Zahlen und Bestände bei Vigo im letzten Jahr entwickelt haben?

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Unsere Beitragseinnahmen stiegen letztes Jahr um 3,3 Prozent auf nun etwa 20,8 Millionen Euro. Unser Bestand blieb – mit Ausnahme von Kleinstverträgen sowie der seit vielen Jahren für die für das Neugeschäft geschlossenen Vollversicherung – konstant. Die Anzahl versicherter Tarife liegt aktuell bei rund 35.000. Die laufende Durchschnittsverzinsung lag bei 3,4 Prozent (Vj. 3,5 Prozent), wobei die Nettoverzinsung aufgrund von Abschreibungseffekten auf 2,9 Prozent (Vj. 3,8 Prozent) sank. Den erzielten Jahresüberschuss von 300.000 Euro bewerten wir als durchaus passabel.

Die PKV-Sparte steckt anbieterübergreifend in der Krise, vor allem das Neugeschäft in der Vollversicherung schwächelt seit Jahren. Sie bieten im Neugeschäft ausschließlich Zusatzversicherungen an. Steckt die PKV-Branche in der Krise? Was sind Gründe hierfür?

Micha Hildebrandt ist Vorstand bei der vigo Krankenversicherung.vigo Krankenversicherung VVaGDie Wettbewerber, die weiterhin stark auf die Vollversicherung setzen, müssen sich den kleiner werdenden Kuchen aufteilen. Außer für Beamte ist es – bezogen auf finanzielle Aspekte – für immer weniger Personengruppen interessant, in die PKV zu wechseln. Insbesondere aufgrund der notwendig gewordenen Senkung des Rechnungszinses und den damit verbundenen höheren Einstiegsbeiträgen ist für die Branche das früher häufig genutzte Argument der Beitragsersparnis gegenüber der GKV abgeschwächt worden. In den letzten Jahren wurde zudem das „Damoklesschwert Bürgerversicherung“ eifrigst aus Teilen der Politik geschwungen und von der Presse dankbar zur Stimmungsmache aufgenommen.

Ich erinnere mich an eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zum Thema Beitragsanpassungen in der PKV, die tendenziösen Charakter hatte (Versicherungsbote berichtete). Die Antwort lieferte jedoch kaum Angriffspunkte gegen die PKV, da in der Gesamtschau die Beitragsanpassungen als moderat zu bewerten sind. Aus der anfragenden Fraktion und dem sonstigen politischen Lager war dann wenig dazu zu hören. Hohe Beitragssteigerungen einzelner Tarife werden dagegen weiterhin in der öffentlichen Argumentation pauschal gegen die PKV als Ganzes missbraucht.

Inzwischen erholt sich das Neugeschäft in der Vollversicherung jedoch etwas, wobei sich unsere Wettbewerber dies teuer erkaufen müssen. Es ist schlichtweg schwieriger geworden, die Interessenten von der PKV bzw. vom eigenen Unternehmen zu überzeugen. Wir sind froh darüber, frühzeitig auf das Modell GKV mit Zusatzversicherung gesetzt zu haben.

…und was kann getan werden, um die privaten Krankenversicherer zu stärken? Haben Sie eventuell auch als „Zusatzversicherer“ Wünsche und Erwartungen gegenüber dem Gesetzgeber?

Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) plädiert für eine Verstetigung von Beitragsanpassungen. Ich rate bei Änderungen des bestehenden Systems jedoch zur Vorsicht, denn jede Beitragsanpassung ist auch mit Kosten verbunden. Eine zusätzliche Belastung der Versicherten ist zu vermeiden. Im Laufe der 20er-Jahre wird der Angleichungsprozess der Tarife an das dauerhaft niedrige Zinsniveau ohnehin weit fortgeschritten sein.

Von der Politik wünsche ich mir offene und ehrliche Informationen gegenüber den Bürgern. Die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse sowie der Pflegepflichtversicherung beinhalten Lücken und der Staat kann hier nicht für alles aufkommen. Das sollte noch klarer kommuniziert und die Brücke zu Zusatzversicherungen gebaut werden.

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Mit Schaffung der Werbefigur „Unser Jens“ (www.unserjens.de) nehmen wir die letzten „Reformen“ in der Pflege und der Erzeugung eines trügerischen Sicherheitsgefühls karikaturistisch aufs Korn.

Abschiebebahnhof, Alexa und AOK-Wahltarife

Sie vertreiben ausschließlich Zusatztarife in der Kranken- und Pflegeversicherung. Diese sind noch immer eine Nische, obwohl sogar viele Verbraucherschützer den Abschluss empfehlen. Was sind die Ursachen, dass viele Bürger nicht zusätzlich vorsorgen?

Die Bürger fühlen sich bei vielen Themen alleine gelassen. Wenn sie schon beim Wohnen, in der Mobilität und einigen anderen Lebensbereichen geschröpft werden, erwarten sie, dass zumindest bei Kranken- und Pflegeversicherung von Seiten des Staates mehr getan wird. Das erscheint jedoch unrealistisch und ich gehe davon aus, dass die Eigenanteile weiter steigen werden. „Mut zur Lücke“ ist dabei eine gefährliche Einstellung, die oftmals nur durch aktive Ansprache der Vermittler durchbrochen werden kann.

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Gerade in der Pflegeversicherung ist die gesetzliche Absicherung nur auf Teilkasko-Niveau. Können Sie an 1-2 Beispielen ungefähr beziffern, mit welchen Kosten pflegebedürftige Patienten und ihre Angehörigen ungefähr rechnen müssen?

Der Großteil der Bürger möchte dauerhaft in den eigenen vier Wänden leben und – falls notwendig – auch dort gepflegt werden. Die Zeiten, in denen osteuropäische Kräfte für kleines Geld die Rundumbetreuung sicherstellten, sind vorbei. Bereits jetzt fallen Zusatzkosten von teilweise über 3.500 Euro an – Tendenz steigend als logische Folge der Lohnkonvergenz.

Komplett schenken kann man sich die Betrachtung durchschnittlicher Kosten eines Pflegeheimes. Wer sich (alleine oder im Familienverbund) bewusst für die stationäre Pflege entscheidet, wählt nicht ohne Not ein günstiges bzw. billiges Heim. Letzteres wäre ein Abschiebebahnhof, der eher durch Angehörige zu verantworten ist. Nach meiner Beobachtung beträgt die Rechnungshöhe gutsituierter bzw. gut versicherter Kunden, die sich ihr Heim mutmaßlich nach Qualitätskriterien aussuchen, häufig über 4.500 € monatlich.

Sie setzen sehr stark auf den Maklervertrieb, während andere Versicherer eher versuchen, diesen Vertriebskanal einzuschränken oder sogar komplett abzubauen. Warum PKV-Zusatzversicherungen über Versicherungsmakler?

Wir verstehen uns in erster Linie als Risikoträger. Wir haben durch das Bereitstellen von Produkten mit Alleinstellungsmerkmalen keine Not, eine teure Ausschließlichkeitsorganisation zu unterhalten. Unser flexibles Düsseldorfer Pflegegeld beinhaltet die marktweit stärkste Dynamik und erlaubt den Abschluss – ohne Altershöchstgrenzen – auch für Personen mit Volkskrankheiten. Die wenigen in Deutschland auf Pflege spezialisierten Makler wissen diese Mehrwerte zu schätzen und profitieren im Vertrieb durch starke Verkaufsargumente.

Makler müssen sich heutzutage mehr denn je abheben und spezialisieren, zum Beispiel durch Fokussierung auf die Zielgruppe der nachhaltig orientierten Kunden. Auch hier haben wir mit „grünen“ Tarifen Türöffner bereitgestellt.

Halten Sie es für realistisch, dass auch vergleichbar komplexe PKV-Tarife bald über intelligente Sprachassistenten wie Alexa und Co. vertrieben werden? Viele InsurTechs und Beratungshäuser prophezeien deshalb mittel- bis langfristig ein Vermittlersterben.

Da derzeit wahnsinnig viel Spielgeld von gewissen Unternehmen verbraten werden darf, mag ich derzeit nichts ausschließen. Ich habe den Eindruck, dass sich manche hier mitunter ein Image als Vorreiter geben möchten. Wenn Sie mich dagegen fragen würden, wie erfolgreich dieser Ansatz im kommenden Jahrzehnt sein wird, wäre die Antwort: Überschaubar.

Die Wichtigkeit von Vermittlern, die qualifiziert beraten, wird weiterhin gegeben sein. Bei vielen Produkten wird jedoch eine weitere Verlagerung in Richtung Onlineabschluss oder zumindest Online-Information stattfinden und hier wird Wandelbarkeit gefragt sein: Vermittler, die nicht mit der Zeit gehen, gehen mit der Zeit. Makler werden davon jedoch weniger betroffen sein als gebundene Vertreter.

Sie sind als Neugründung 1985 aus der AOK hervorgegangen, um nicht gedeckte Krankheitskosten der beihilfeberechtigten AOK-Beschäftigten abzudecken. Das lässt auf eine besondere Nähe zu den Ortskrankenkassen schließen. Wie sieht Ihre Zusammenarbeit heutzutage aus und welche Rolle nehmen Sie nach dem Aus der AOK-Wahltarife ein?

Die historisch begründete Nähe zur AOK Rheinland/Hamburg spielte für das Eingehen einer Kooperation zur Vermittlung unserer Zusatztarife im Jahre 2012 sicherlich auch eine Rolle. Seitdem heißen wir übrigens vigo Krankenversicherung (zuvor Düsseldorfer Versicherung).

Bisher konnten AOK-Versicherte kasseneigene Wahltarife wählen. Dazu gehörten beispielsweise Leistungen wie etwa Zahnersatz oder das 1-Bettzimmer im Krankenhaus. Mit der Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 30. Juli 2019 ist es der AOK jedoch nicht mehr gestattet, ein solches Angebot aufrechtzuerhalten.

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Wir sind aufgrund dieser neuen Situation nun mit unserem Kooperationspartner in Gesprächen. Es gilt zu eruieren, inwieweit durch Bereitstellung von Pendants in Form von privaten Zusatztarifen die gewünschten Zusatzleistungen sichergestellt werden können. Als eigenständiges Unternehmen sehen wir uns in der Lage, flexibel und in sehr kurzer Zeit entsprechende Lösungen zu erarbeiten.

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