PKV-Verband wertet Notlagentarif als Erfolgsmodell
Seit sechs Jahren gibt es den Notlagentarif in der privaten Krankenvollversicherung. Der PKV-Verband zieht nun eine positive Bilanz: Die Zahl der Menschen, die dieses „Auffangnetz“ für Beitragsschuldner in Anspruch nehmen, sei seither stark zurückgegangen. Doch ein Blick auf die anderen Sozialtarife der PKV zeigt: Dort steigt die Zahl der Versicherten in Notlage.
- PKV-Verband wertet Notlagentarif als Erfolgsmodell
- Anstieg der Versichertenzahlen in anderen PKV-Sozialtarifen
Der PKV-Verband wertet in einem aktuellen Pressetext den Notlagentarif in der privaten Krankenvollversicherung als Erfolgsgeschichte. Seit sechs Jahren gibt es diesen — er soll als Auffangbecken für Menschen dienen, die ihre Beiträge nicht bedienen können. Seit Einführung der Versicherungspflicht im Jahr 2009 können die Anbieter einen Beitragsschuldner nicht mehr einfach kündigen, wie das zuvor oft der Fall gewesen ist.
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Weniger Menschen auf „Nichtzahler“-Tarif angewiesen
Als der Notlagentarif 2013 mit dem „Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung“ eingeführt wurde, habe es in der privaten Krankenversicherung 149.000 sogenannte „Nichtzahler“ gegeben, berichtet der Verband: Versicherte, die mit mindestens drei Monatsraten im Rückstand waren. Die Außenstände hätten sich auf 745 Millionen Euro beziffert. Ende 2018 sei die Zahl der Menschen im Notlagentarif auf 102.200 gesunken, die Gesamtzahl also um über 31 Prozent zurückgegangen.
“Ende 2018 waren im Notlagentarif insgesamt 102.200 Personen versichert. Das sind etwa drei Prozent weniger als im Jahr zuvor und nur 1,7 Prozent aller Privatversicherten“, schreibt der PKV-Verband. „Verglichen mit den etwa 149.000 Nichtzahlern vor Einführung des Notlagentarifs ist die Gesamtzahl also um über 31 Prozent zurückgegangen“.
Konkret gilt seit August 2013 folgendes: Wer in Beitragsrückstand gerät und diesen nach zweimaliger Mahnung des Versicherers nicht innerhalb einer Frist begleicht, landet zwangsweise im Notlagentarif. Der oder die Versicherte hat dann nur in sehr geringem Umfang Anspruch auf Leistungen, nämlich bei akuten Erkrankungen und Schmerzen sowie auf die erforderlichen Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Zugleich aber sinkt auch die Beitragsschuld des Versicherten auf etwa 100-125 Euro im Monat. Dadurch verlangsamt sich der weitere Anstieg der Beitragsschulden: und der Schuldenberg kann später schneller abgetragen werden.
Durchschnittliche Verweildauer: ein Jahr
Tatsächlich scheint das Prinzip zu funktionieren, schenkt man dem PKV-Verband Glauben. Demnach verweilen die Beitragsschuldner im Schnitt etwa ein Jahr im Notlagentarif: sie können sich schneller als bisher entschulden. Eine deutliche Verbesserung gegenüber früher: „Die ursprüngliche Rechtslage sah vor, dass sie bei länger anhaltender Nichtzahlung zwangsweise in den Basistarif umgestellt wurden. Dieser war aber meist teurer als der ursprüngliche Tarif – das Ergebnis waren noch höhere Schulden“, schreibt der PKV-Verband.
Freilich bringt er für die Betroffenen neben reduzierten Leistungen weitere potentielle Nachteile mit sich. Alterungsrückstellungen werden in der Zeit nicht gebildet: Diese fließen sogar weiterhin mit in die Prämien ein. Somit sinkt der Anteil der angesparten Gelder, um Prämiensprünge und höhere Gesundheitskosten im Alter abzufedern. Die übrigen Alterungsrückstellungen der Versicherten „parkt“ und verzinst das PKV-Unternehmen für die spätere Rückkehr in den alten Tarif.
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Darüber hinaus steht es den Versicherern im Notlagentarif weiterhin frei, Beitragsschulden der Schufa und anderen Auskunfteien zu melden sowie Pfändungen einzuleiten: vor solchen Maßnahmen sind die Versicherten auch in diesem „Auffangnetz“ nicht geschützt.
Anstieg der Versichertenzahlen in anderen PKV-Sozialtarifen
Trotz allem Jubel ist aber festzustellen, dass in den anderen PKV-Sozialtarifen die Entwicklung weniger erfreulich ist. Denn Privatversicherten mit Geldproblemen bleiben zwei weitere Auffangbecken: der Standardtarif und der Basistarif. Hier sind die Versichertenzahlen in den letzten Jahren angestiegen.
Nach Zahlen des PKV-Verband gab es in den anderen Sozialtarifen der privaten Krankenversicherer einen deutlichen Zulauf. Im sogenannten Standardtarif waren 2009 rund 38.400 Menschen versichert, 2018 waren es 51.300. Im Vorjahr waren es noch 50.200 und damit 2,2 Prozent weniger. Der Standardtarif steht vor allem älteren Versicherten offen, die vor 2009 eine Police abgeschlossen haben und Probleme mit den Beitragszahlungen haben.
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Ein Plus zeigt sich auch bei Versicherten im sogenannten Basistarif: von 17.900 Betroffenen im Jahr 2009 auf nun 31.000 im vergangenen Jahr. Der Basistarif soll den PKV-Versicherten vergleichbare Leistungen wie in der gesetzlichen Krankenkasse bieten. Zwar ist hier der maximale Beitrag auf den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenkassen gedeckelt: derzeit 703,32 Euro im Monat. Aber die PKV-Versicherer würden diese Grenze oft komplett ausreizen, so dass sie keine wirkliche Alternative für Versicherte in Beitragsnot seien, klagte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) im letzten Jahr nach einer Stichprobe.
Zahl der Nichtzahler = Menschen im Notlagentarif?
Zudem stellt sich die Frage, ob die 149.000 Nichtzahler vor sechs Jahren einfach mit der Zahl der Menschen im Notlagentarif identifiziert werden können. Hier lassen andere Daten aufhorchen:
Im letzten Jahr fragte die Fraktion der Linken im Bundestag danach, wie sich die Zahl der Menschen in den PKV-Sozialtarifen entwickelt habe. Laut Bundesregierung waren demnach zum Start des Notlagentarifs 2013 circa 93.600 Personen darin versichert. Diese Zahl stieg dann im Jahr 2017 auf 106.200 an, bis sie schließlich wieder auf 102.200 sank.
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Im Verhältnis zur Gesamtzahl der Privatversicherten sind die Notlagen-Versicherten damit noch vergleichsweise wenig — aber würde man sich auf die Daten der Bundesregierung beziehen, wäre der Erfolg nicht so phänomenal wie nun vom PKV-Verband im Pressetext dargestellt. Im Gegenteil: Gegenüber dem Ausgangsjahr 2013 wären nun sogar mehr Menschen auf den Notlagentarif angewiesen. Die Bundesregierung bezog sich bei ihrer Antwort übrigens auch auf Daten des PKV-Verbandes.
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