Deutsche vertrauen in Finanzfragen Freunden und Verwandten - und Vergleichsportalen
Die Mehrheit der Deutschen vertraut in Sachen Versicherungen und Finanzen Freunden und Verwandten, außerdem Portalen wie Check24 und Finanztip - aber nicht Bankberatern und Versicherungsvermittlern. So lässt sich eine Studie des Branchenverbandes Bitkom zusammenfassen.
Welchen Autoritäten vertrauen die Deutschen in Sachen Finanzen? Die Antwort: jenen aus dem nächsten Umfeld. Immerhin 94 Prozent der Bundesbürger sagten bei einer repräsentativen Umfrage von Bitkom Research, dass sie in Finanzdingen wie Geldanlage und Versicherungen auf den Rat von Freunden und Familie hört. Keine andere Antwort erhält so viel Zustimmung.
Anzeige
“Vergleichsportale“ und „Verbraucherportale“ ebenfalls mit viel Vertrauen
Mit deutlichem Abstand folgen mehrere Online-Angebote auf den Plätzen. 59 Prozent der Befragten vertrauen Online-Vergleichsportalen wie Check24 und Verivox, ebenfalls 59 Prozent Online-Verbraucherportalen wie finanztip.de. Alle drei Anbieter werden im Pressetext der Bitkom explizit als Beispiel hervorgehoben. Hier stellt sich die Frage, ob die Verbraucher tatsächlich über den Status dieser Portale informiert sind, denn Versicherungsvermittler aus Fleisch und Blut erhalten weit weniger Zustimmung.
Sowohl Check24 als auch Verivox sind eben keine unabhängigen Vergleichsportale, die einen „neutralen“ Tarifcheck anbieten, sondern als Versicherungsmakler registriert. Mehr als 90 Prozent ihrer Einnahmen generieren sie aus Provisionen, die ihnen Anbieter für den Vertragsabschluss zahlen. Eine Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes zeigte, dass es Vergleichsportale teils an Transparenz vermissen lassen — unter anderem sei dem Kunden oft nicht ersichtlich, nach welchen Kriterien die Ranking-Listen der empfohlenen Tarife zustande kommen. Der Verdacht besteht, dass Produktgeber bevorzugt werden könnten, die eine hohe Abschlussvergütung zahlen (der Versicherungsbote berichtete).
Auch das vermeintlich unabhängige Verbraucherportal finanztip.de steht wegen bezahlter Affiliate Links in der Kritik: Links, bei denen ein kommerzieller Anbieter eine Provision zahlt, damit auf seine Webseite verlinkt wird. Vor dem Oberlandesgericht Dresden musste Finanztip gerade eine Niederlage wegen Schleichwerbung und Irreführung erdulden (der Versicherungsbote berichtete). Das Urteil betraf den Vergleich von Strom- und Gasversorgern, aber bei Finanzprodukten arbeitet das Portal mit ähnlichen Links. Zum Beispiel ist Check24 aktuell ebenfalls Affiliate-Partner von Finanztip: Und wird in vermeintlich neutralen Verbraucherartikeln auffallend oft empfohlen. Mehr als 400mal erscheint der Name des Vergleichsportals auf der Webseite (Urteil vom 05.07.2019, Az. 14 U 207/19).
Weitere 47 Prozent der Befragten holen sich Rat in Online-Fachforen, Blogs und Podcasts. Klassische Medien wie Zeitungen, Radio und TV wird hingegen „nur“ von 44 Prozent der Befragten Vertrauen entgegen gebracht.
Nach Ursachen für das entgegengebrachte bzw. verweigerte Vertrauen fragt der Branchenverband nicht. Die Umfrage könnte aber ein Indiz dafür sein, dass "klassische" Medienangebote an Vertrauen einbüßen: gegenüber Online-Kanälen, die durchaus finanzielle Eigeninteressen verfolgen. Hier besteht die Gefahr, dass die Grenzen zwischen Journalismus und PR zunehmend verschwimmen, ohne dass die Rezipienten dies merken (der Versicherungsbote berichtete).
“Bankberater“ und „Versicherungsvertreter“ bilden das Schlusslicht
Verheerend fällt die Bitkom-Umfrage für Vermittler aus Fleisch und Blut aus: Das Ergebnis belegt erneut den schlechten Ruf der Branche. Etwas mehr als jeder Dritte (34 Prozent) schenkt noch seinem Bankberater Vertrauen. Dem Versicherungsvertreter vertraut nicht einmal jeder vierte Befragte (24 Prozent): Er bildet somit das Schlusslicht im Vertrauens-Ranking. Angesichts des Nachwuchsmangels in der Branche ist das keine gute Nachricht.
Ärgerlich: Wie auch in früheren Studien fragt Bitkom Research nicht gesondert nach Versicherungsmaklern. Hier lässt sich vermuten, dass „Versicherungsvertreter“ und „Versicherungsmakler“ synonym verwendet werden, weil auch viele Bürger den Unterschied vermeintlich nicht kennen. Auch nach den Ursachen für das erbrachte oder fehlende Vertrauen wurde nicht gefragt. So bleibt zum Beispiel offen, ob die Umfrageteilnehmer bereits persönlich gute oder schlechte Erfahrungen mit den Beratungskanälen gemacht haben — oder die Einstellungen zum Teil auch auf Vorurteilen beruhen.
Den hohen Zuspruch zu Onlineportalen wertet Bitkom-Finanzexperte Julian Grico ausschließlich positiv: trotz aller Kritik an deren Transparenz, die im Pressetext nicht zur Sprache kommt. „Online-Angebote ermöglichen die gleichermaßen umfassende wie schnelle Information, etwa beim Vergleich von Konditionen verschiedener Anbieter. Dabei kann sich der Nutzer Zeit lassen, die Angebote zu prüfen und bei Bedarf auch tiefer in Details einsteigen“, sagt Grigo. „In der Praxis werden die Informationen auch häufig abgerufen, bevor der Kontakt mit einem menschlichen Berater gesucht wird.“
Anzeige
Hintergrund: Für die Umfrage wurden 1.005 Bundesbürger ab 16 Jahren telefonisch befragt. Die Fragestellung lautete: „Inwiefern halten Sie die folgenden Institutionen oder Personengruppen für vertrauenswürdig, wenn es um finanzielle Ratschläge geht?“ Die Umfrage ist repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.