Versicherer könnten Bargeld schon bald in Tresoren bunkern
Für Versicherer könnte es künftig attraktiv werden, Geld im Tresor zu bunkern. Das berichtet Klaus Wiener, Chefvolkswirt des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), in einem Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“. Um große Summen gehe es jedoch nicht: Das meiste Geld sei ohnehin langfristig investiert.
Wer Geld unterm Kopfkissen bunkert, der verschenkt nicht nur Zinsen, sondern muss auch einen deutlichen Wertverlust infolge der Inflation dulden. Das ist die Botschaft, mit der viele Versicherer für ihre Altersvorsorge-Produkte werben. Doch kurioserweise überlegen die Anbieter nun selbst, ob sie große Summen Bargeld ansammeln — zwar nicht unterm Kopfkissen, aber im Tresor. Das berichtet GDV-Chefvolkswirt Klaus Wiener im Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“. Hintergrund der Entwicklung ist unter anderem, dass institutionelle Investoren mittlerweile oft einen Strafzins zahlen müssen, wenn sie große Summen bei Banken parken.
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"Einige Versicherer schauen sich das sehr genau an!"
Die Versicherer hätten ohnehin nicht viele Mittel, da große Summen langfristig investiert seien, erklärt Wiener. „Aber je niedriger die Zinsen sind, desto attraktiver wird es, Geld in Tresoren zu lagern. Einige Versicherer schauen sich das derzeit sehr genau an“, so der Ökonom. Häufig würde das Geld ohnehin nicht gebraucht: „Wir müssen unseren Kunden zwar Schäden ersetzen, aber gemessen am Gesamtportfolio sind das überschaubare Summen. Und Auszahlungen an Lebensversicherungskunden sind sehr gut planbar“.
Klaus Wiener rechnet damit, dass bei weiter fallendem Zins auch viele Privatleute sich einen Safe oder Tresor zulegen werden, um Geld aufzubewahren. Eine Umfrage des Finanzportals biallo.de im Auftrag der Süddeutschen Zeitung ergab, dass schon heute 30 Banken in Deutschland einen Strafzins von Privatkunden sowie 103 Banken von institutionellen Anlegern verlangen: in der Regel für höhere Anlagesummen. Die tatsächliche Zahl der Banken dürfte noch weit höher liegen, da nur 160 von insgesamt 1.200 Banken auf die Anfrage des Portals überhaupt antworteten (der Versicherungsbote berichtete).
Leitzins könnte weiter sinken
Das Problem negativer Zinsen könnte sich ab September noch verschärfen. Die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main hat signalisiert, dass sie sich eine weitere Absenkung der negativen Einlagenzinsen für Banken vorstellen kann: schon in absehbarer Zeit. Ökonomen rechnen damit, dass im September oder Oktober der Leitzins für den Euro-Raum um weitere 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte fallen könnte: auf einen negativen Wert.
Wiener hält diese Entwicklung für fatal. "Die Europäische Zentralbank betreibt Staatsfinanzierung auf Kosten der Sparer und der Versicherten", erklärt er dem "Tagesspiegel". Auch die Versicherer würden immer weniger Möglichkeiten zur Geldanlage finden: das Aufsichtsregime Solvency II verpflichtet sie, das Geld sicher und qualitativ hochwertig anzulegen.
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Aber wer zum Beispiel in langjährige Bundesanleihen investiert: Papiere, die als besonders sicher gelten, muss bereits negative Renditen erdulden. Das erfordert auch von den Versicherern ein Umdenken in Sachen Geldanlage. "Kaum ein deutscher Versicherer kauft mehr Bundesanleihen. Man kauft staatsnahe Emittenten, etwa KfW-Papiere, oder Unternehmensanleihen oder Schuldscheindarlehen. Wir gehen auch in Kreditfonds", erklärt Wiener. Wenn das Zinsniveau weiter sinke, werde aber auch das schwierig.