Schlappe für die Heidelberger Leben: Der Versicherer muss eine fondsgebundene Lebensversicherung rückabwickeln, die 1999 nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen wurde. Das berichtet die Kanzlei Hahn Rechtsanwälte aus Bremen, die den Kläger vor Gericht vertrat. Aktuell ist die Heidelberger Leben Teil des Bestandsabwicklers Viridium mit Sitz in Neu-Isenburg: Der Versicherer schreibt kein Neugeschäft mehr, sondern wickelt bestehende Verträge nur noch ab.

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Das Gericht habe den Versicherer zur Rückzahlung der Versicherungsprämien abzüglich eines Anteils für den Risikoschutz verurteilt, was rund 68.000,00 Euro entspricht, heißt es in einem Pressetext der Kanzlei. Zugesprochen wurden darüber hinaus die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.251,48 Euro. Das Urteil sei mittlerweile rechtskräftig.

Fehlender Hinweis, das Widerruf schriftlich zu erfolgen habe

Im konkreten Rechtsstreit hatte der Kläger aus Oldenburg 1999 eine fondsgebundene Lebensversicherung nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen. In der Widerrufsbelehrung, die im Versicherungsschein abgedruckt gewesen ist, fehlte jedoch der Hinweis, dass ein Widerspruch schriftlich zu erfolgen habe, berichtet Fachanwältin Petra Brockmann von Hahn Rechtsanwälte im Pressetext: „Es heißt dort lediglich, dass der Versicherungsnehmer innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen der Versicherung widersprechen könne“.

Der Versicherer aber habe sich geweigert, die Lebensversicherung rückabwickeln zu lassen, berichtet die Anwaltskanzlei weiter. Dabei berief sich die Heidelberger Leben darauf, dass der Versicherungsnehmer während der Vertragslaufzeit Eingriffe in den Vertrag vorgenommen hatte. Der Kläger hatte zweimal Änderungen der Anlagestrategie vorgenommen und in den Jahren 2013 und 2014 der vertraglich vorgesehenen Beitragserhöhung widersprochen.

“Vertragstypisches und vertragstreues Verhalten“

Anders als die Vorinstanz betonte nun das Oberlandesgericht, dass derartige Korrekturen am Vertrag nicht dazu führen, dass das Widerrufsrecht unwirksam wird. Es handele sich hierbei lediglich um vertragstypisches und vertragstreues Verhalten, das nicht zu einer Verwirkung des Widerrufsrechts führe. Damit wurde das Urteil der Vorinstanz korrigiert, die nicht im Sinne des Klägers geurteilt hatte.

"Aus unserer Sicht nehmen viele Landgerichte viel zu schnell den Tatbestand der Verwirkung an", meint Fachanwältin Brockmann. "Das Oberlandesgericht Oldenburg hat in erfreulicher Weise klargestellt, dass allein Dynamikwidersprüche und Vertragsänderungen keine Verwirkung begründen, da sie nur Ausdruck eines vertragstreuen Verhaltens sind", so Brockmann weiter.

Policenmodell: Umstrittene Vertriebspraxis

Im verhandelten Rechtsstreit ging es erneut um eine Lebensversicherung, die zwischen 1994 und 2007 nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen wurde. Bei diesen Tarifen wurden die Verbraucherinformationen erst mit dem Versicherungsschein zugesandt, also nachdem der Kunde den Vertrag bereits unterschrieben hatte. Eine Aufklärung über Rechte und Pflichten erfolge demnach nicht rechtzeitig, so hatten sowohl der Europäische Gerichtshof als auch der Bundesgerichtshof entschieden. Seit 2008 ist diese Vertriebspraxis in Deutschland verboten.

Doch die Versicherer mussten eine weitere Niederlage erleiden. Die Kundinnen und Kunden können nämlich verlangen, dass der Vertrag rückabgewickelt wird: unter der Bedingung freilich, dass sie nachweisen, fehlerhaft über ihr Widerspruchsrecht aufgeklärt worden zu sein.

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Gegenüber einer Kündigung hat ein erfolgreicher Widerruf enorme Vorteile. Bei einer Rückabwicklung bekommen die Kunden sämtliche eingezahlten Beiträge zuzüglich Nutzungszinsen zurück. Das beinhaltet auch die Aufwendungen für Abschluss- und Verwaltungskosten. Lediglich die Kosten für den Versicherungsschutz tragen sie selbst und, bei einer fondsgebundenen Leben-Police, das Verlustrisiko aus den Fonds.