Lebensversicherung: Verträge sollen nicht mehr wie Ware verkauft werden
Der Bund der Versicherten (BdV) und der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW wollen für Versicherte im Falle eines Run-Offs ein faires Wechselrecht erkämpfen. Den Anstoss dazu hatte der Verkauf der Generali Leben an den Bestandsabwickler Viridium gegeben.
Im April wurde der Kauf der Generali Leben durch den Run-Off-Spezialisten Viridium abgeschlossen. Damit wechselten rund vier Millionen Verträge offiziell ihren Besitzer. Inzwischen trägt der Anbieter auch einen neuen Namen. Aus Generali Leben wird „Proxalto Lebensversicherung AG“. Die Viridium ist in Deutschland Marktführer im Run-off-Geschäft mit Lebensversicherungen. Das bedeutet, der Versicherer betreibt kein Neugeschäft, sondern kauft Altbestände von anderen Versicherern auf. Gewinn verspricht sich das Unternehmen aus Neu-Isenburg dadurch, dass die Bestände mittels moderner IT und schlanker Strukturen kostengünstiger verwaltet werden.
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Eigentlich dürfen Versicherungsnehmer durch einen Unternehmensverkauf nicht schlechter gestellt werden. Schließlich unterliege das betroffene Versicherungsunternehmen auch nach dem Verkauf der vollständigen Versicherungsaufsicht durch die BaFin, heißt es aus dem Lager der Versicherungsaufsicht der BaFin. Die Botschaft: Kein Versicherter muss sich Sorgen machen. Kritiker sehen das anders. Der Verbraucherverband Bund der Versicherten (BdV) befürchtet aber schon länger, dass die Versicherer bei der Überschussbeteiligung tricksen. Konkret, dass bei solchen Bestandsübertragungen Gelder nicht mitgegeben werden, die eigentlich den betroffenen Kundinnen und Kunden gehören. Dazu zählen etwa Bewertungsreserven, Zinszusatzreserven, kollektive Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB), freie RfB oder Mittel aus dem Schlussüberschussanteilfonds.
Deshalb finden Verbaucherschützer und auch viele Marktteilnehmer das Geschäftsmodell Run-Off eher suboptimal. Denn es schade der Branche und den Kunden. Diese würden quasi zur Ware herabgesetzt. „Verbraucherinnen und Verbraucher haben ihre Lebensversicherungen regelmäßig im Vertrauen auf die Stabilität der gewählten Versicherungsgesellschaft abgeschlossen und werden jetzt reihenweise enttäuscht. Wie schon der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag Ralph Brinkhaus treffend bemerkte, schadet das der ganzen Versicherungsbranche, auch wenn es bisher nur einzelne Versicherer sind, die diesen Weg gehen“, äußert sich AfW-Vorstand Norman Wirth.
Weitere Run-Offs erwartet
Bisher ist die Zahl der Bestandsverkäufe noch recht überschaubar. Mit dem Hintergrund der anhaltenden niedrigen Zinsen könnten weitere Unternehmen ins Schlingern kommen und über den Ausstieg aus schlecht laufenden Sparten nachdenken. „Wir erwarten nach dem Generali-Deal weitere Run-Offs und damit viele Millionen weiterer Betroffener“, so BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein.
Damit die Rechte der Kunden im Falle eines Run-Offs gestärkt wird, haben sich die Verbraucherschützer vom BdV und der Vermittler-Verband AfW verbündet. Gemeinsam haben sie ein Eckpunktepapier festgezurrt. Darin fordern beide Partner, dass Versicherte ein faires Wechselrecht erhalten sollen. Dieses solle in Form eines außerordentlichen Wechsel- und Kündigungsrechtes kommen. Ziel sei es, dass der Vertrag entweder vollumfänglich an ein neues Versicherungsunternehmen weitergereicht wird oder dass der Vertrag gekündigt werden kann, wobei der Run-Off-Übertragungswert ausgekehrt wird. „Ein solches Wechsel- und Kündigungsrecht führt zum Bespiel dazu, dass Verträge, die ansonsten nur durch Kündigung beendet werden könnten, leichter und wirtschaftlich vorteilhafter fortgesetzt werden. Und es entsteht ein Wettbewerb zwischen Run-Off-Plattformen untereinander und mit anderen Versicherungsunternehmen, die die Verträge aufnehmen wollen.“, nennt Kleinlein einige Vorteile.
Denn aktuell würden Kunden bei normalen Kündigungen Geld verlieren. „Bei einer Kündigung behält das Unternehmen viel Geld, das als noch nicht ausgeschüttete Überschüsse in zusätzlichen Reservetöpfen schlummert. Auch in den Bewertungsreserven und den Zinszusatzreserven liegen derzeit Milliarden, die den kündigenden Versicherten vorenthalten werden können“, erklärt Kleinlein. Ein weiterer Posten eien noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten. „Durch die Weitergabe der ausstehenden Abschlusskosten könnte das neue Versicherungsunternehmen die Möglichkeit erhalten, einen Berater, der den Vertrag zugeführt hat, zu honorieren. Aber auch alternative Vergütungsmodelle wären denkbar,“ ergänzt Wirth.
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Run-Off-Versicherer dürften vom vorgeschlagenen Wechselrecht eher nicht begeistert sein. Schließlich einigen sie sich mit dem abgebenden Versicherer auf einen Kaufpreis für den gesamten Bestand. Sollten Versicherte nach einem Run-Off wechseln dürfen, würden den aufnehmenden Unternehmen wichtige Beitragszahler im Kollektiv fehlen und damit könnte die Rechnung für die Anbieter unter Umständen nicht mehr aufgehen. Was wäre, wenn beispielsweise der halbe Bestand kündigt? In Folge dessen könnten Unternehmen wie etwa Viridium künftig in Gänze die Hände von neuen Deals lassen. Versicherer mit defizitären Sparten müssten dann interne Lösungen finden, um wieder profitabel zu werden.