Ob Fridays for Future, Plastikmüll in den Meeren oder Seenotrettung: Immer mehr Menschen hinterfragen nicht nur ihre Konsumgewohnheiten, sondern stellen auch ihr Investitionsverhalten auf den Prüfstand. Sie möchten ihr Kapital für einen guten Zweck einsetzen. Mit bewussten Geldanlagen wollen sie nachhaltige Aktivitäten unterstützen und ökologische oder soziale Veränderungen fördern.

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Nachhaltige Anlagen gewinnen rasant an Bedeutung. Was zunächst vorrangig für institutionelle Anleger von Interesse war, ist heute auch eine verlockende Option für viele Privatanleger. Laut aktuellen Zahlen des Forum Nachhaltige Geldanlage (FNG) wuchs das Gesamtvolumen aller nachhaltigen Investments hierzulande in 2018 auf rund 219 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Zuwachs von 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, Tendenz weiter steigend.

Alexander von Boehm-Bezing ist Direktor bei der Kölner Vermögensberatung Tresono. Der Diplom-Kaufmann analysiert Investmentangebote über alle Vermögensklassen.Tresono Family OfficeIn den kommenden Jahren steht eine große Vermögensverschiebung zu den Millennials an. Sie zeigen ein besonderes starkes Interesse an ökologischen oder sozialen Themen und damit auch an verantwortungsvollen Finanzprodukten. Infolgedessen wird das Marktsegment weiter anwachsen. Nachhaltige Investments avancieren zu einem festen Bestandteil im Vermögensmix. Privatinvestoren sollten nicht versäumen, sich frühzeitig mit der neuen Anlageklasse zu befassen und ihre Einsatzmöglichkeiten zu prüfen.

Anlagen mit Mehrwert

Besonders attraktiv sind nachhaltige Geldanlagen für Familienunternehmer. Sie verfolgen eher langfristige Strategien, um ihr Vermögen für ihre Nachkommen zu sichern. Firmenlenker können gemeinsam mit der Next Generation nachhaltige Investments diskutieren und prüfen. Dies stärkt nicht nur den Familienzusammenhalt. So kann der Nachwuchs auch sukzessive in die Vermögensverwaltung hineinwachsen. Das wird nicht immer gelingen, aber lohnenswert erscheint es allemal.

Nachhaltige Anlagen sind ein dehnbarer Begriff. Einige Anlagen beschränken sich auf die Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien, den so genannten ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance). Sie werden ihrem Namen manchmal nur ansatzweise gerecht. Viele Fonds etwa wenden den umstrittenen „Best-in-Class-Ansatz“ an. Unternehmen gelten bereits als nachhaltig, wenn sie zu den nachhaltigen Akteuren in ihrer Branche zählen. Verbreitet ist auch der „Best-in-Progress-Ansatz“. Hierbei werden Unternehmen ausgewählt, die ihr Nachhaltigkeitsprofil in der jüngeren Vergangenheit am stärksten verbessert haben.

Deutlich weiter geht das „Impact Investing“. Hierzu zählen alle nachhaltigen Anlagen, die sich verpflichten, eine positive Wirkung zu erzielen. Obendrein sichern die Anbieter zu, diese Wirkung auch zu messen und offenzulegen. Laut FNG verzeichnen Impact Investments unter den nachhaltigen Anlagen die stärksten Zuwachsraten. Sie können auch kritische Anleger überzeugen und werden weiter an Bedeutung gewinnen.


Finanzprodukte gründlich prüfen

Wirkungsorientierte Investitionen fließen in Unternehmen oder Initiativen mit sehr unterschiedlichen Zielen. Sie reichen von einem verbesserten Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung oder sauberem Wasser über erneuerbare Energiequellen bis hin zu Müllvermeidung. Von entscheidender Bedeutung ist, wie die angestrebte Wirkung gemessen wird. Dies bleibt jedem Produktanbieter überlassen und wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Während einige Akteure übergreifende Messgrößen verwenden, definieren andere projektbezogene Kennzahlen. Anleger sollten auf die Wirkungsmessung ein besonderes Augenmerk legen, um den versprochenen Mehrwert auch nachvollziehen zu können.

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Das Spektrum an nachhaltigen Anlageformen ist breit. Die Finanzprodukte reichen von Fonds, Social Bonds, Mikrofinanzfonds bis hin zu Beteiligungen und Immobilien.

„In boomenden Märkten sind naturgemäß auch einige Trittbrettfahrer aktiv.“

Noch tun sich viele Privatanleger mit nachhaltigen Anlagen schwer. Das liegt nicht unbedingt an einer geringeren Rendite. Viele nachhaltige Investments stehen klassischen Anlagen in puncto Rendite nicht nach. Viele Anleger irritiert eine noch geringe Markttransparenz. Finanzanbieter dürfen Begriffe wie „nachhaltig“ und „grün“ weitgehend frei verwenden. Es mangelt bislang an verbindlichen Regeln und verlässlichen Entscheidungshilfen.

Ein wichtiger Impuls für die weitere Marktentwicklung ist ein Aktionsplan der EU-Kommission, der nachhaltiges Wirtschaften und Investieren fördert. Im Mittelpunkt steht der Aufbau eines Klassifizierungssystems für ökologische Ziele, das festschreiben soll, welche Investments als nachhaltig gelten und welche nicht. Zudem sollen Finanzdienstleister die Nachhaltigkeitspräferenz im Kundengespräch abfragen und in die Investmententscheidung einfließen lassen. Noch ist unklar, wann die Neuregelungen in Kraft treten, doch sie erzeugen Rückenwind für die weitere Marktentwicklung. Es ist davon auszugehen, dass nachhaltiges Investieren mittelfristig zum Standard in der Geldanlage wird.

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Gleichwohl erfordert die neue Anlageklasse von Investoren eine hohe Aufmerksamkeit. In boomenden Märkten sind naturgemäß auch einige Trittbrettfahrer aktiv. Sie betreiben Etikettenschwindel, um Anlegern höhere Gebühren zu entlocken. Wichtig ist eine systematische Auswahl und Prüfung von nachhaltigen Anlagen (siehe Infokasten „Das richtige Vorgehen“). Hierbei können Anleger auf die Unterstützung spezialisierter Dienstleister zurückgreifen. So finden Investoren Produkte, die genau zu ihren Herzenswünschen und Anlagezielen passen.

Das richtige Vorgehen:

  1. 

Wirkungsziel definieren: Nachhaltige Geldanlagen gibt es viele. Anleger sollten überlegen, welches Wirkungsziel sie vorrangig erreichen wollen. Es kommen beispielweise Anlagen in erneuerbare Energien, grüne Immobilien oder Beseitigung von Plastikmüll in Betracht. Dabei ist zu prüfen, welchen Stellenwert ideelle und materielle Ziele haben.
  2. Portfolio überdenken: Nachhaltige Anlagen gehen unter Umständen zu Lasten von Rendite sowie Sicherheit und Liquidität. Wirkungsorientierte Anlagen sollten immer auch zur Gesamtanlagestrategie passen. Es ist ratsam, erste Erfahrungen zu sammeln und den Anteil nachhaltiger Investments schrittweise zu erhöhen.
  3. Finanzprodukte checken: Wichtig ist eine tiefgehende Produktanalyse, um mögliche Tücken zu erkennen. Zentral ist die Frage, wie der angestrebte Impact während und am Ende der Laufzeit gemessen wird. Zudem ist zu klären, welche Möglichkeiten für einen Exit bestehen und wie hoch die Produktkosten insgesamt sind.
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