Wie wenig digital die Kundenkommunikation der deutschen Versicherer wirklich ist
Der Versicherungskunde von heute hat insbesondere im Onlinebereich andere Ansprüche als noch vor einigen Jahren. Im Customer-Self-Service erwartet er den gleichen Online-Komfort wie er ihn von Amazon oder Zalando gewohnt ist. Versicherer sind daher gut beraten, solche digitalen Dienstleistungen als strategisches Steuerungsinstrument in der Kundenkommunikation einzusetzen. Eine aktuelle Marktuntersuchung des Beratungs- und Softwarehauses PPI stellt Verbesserungsbedarf an dieser wichtigen Schnittstelle zum Kunden fest. Sascha Däsler, Partner bei der PPI AG, hat für uns die wichtigsten Punkte herausgearbeitet.
- Wie wenig digital die Kundenkommunikation der deutschen Versicherer wirklich ist
- Bruchkante bei der Datenübernahme & Stiefkind Bestandskunde?
Ein Kunde hat die Überzeugung gewonnen, dass er eine neue Police zur Absicherung braucht. Oder er möchte einen Schaden seinem Versicherer melden. Nun soll alles ganz schnell gehen. Der Kontakt zur Assekuranz soll sofort da sein, rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche. „Always-on“ gewinnt – neben der persönlichen Vertriebsansprache für komplexere Versicherungsprodukte – eine zunehmend strategische Bedeutung. Das gilt gerade auch für den kontinuierlichen Kundenservice. Es geht nicht mehr ohne Customer-Self-Service.
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Was klingt wie eine komplexe Herausforderung, ist am Ende eine Win-win-Situation für beide Seiten: Der Kunde sieht seine Bedürfnisse an Online-Autonomie, Schnelligkeit, Mobilität und Flexibilität erfüllt. Makler und Versicherer werden von Routineprozessen wie etwa Schadenmeldungen oder Adressaktualisierungen entlastet und sparen so erhebliche Ressourcen.
Fit im Onlinebereich?
Aber sind die Assekuranzen auch tatsächlich in der Lage, diese Ansprüche im Online-Bereich zu bedienen? Mit dieser Frage hat sich die Hamburger PPI AG befasst und die Standard-Online-Geschäftsvorfälle der großen deutschen Sach- und Lebensversicherungsgesellschaften analysiert. Diese sehen sich selbst gut aufgestellt. Nach dem Monitoring-Report Wirtschaft Digital 2018 des Bundeswirtschaftsministeriums ist die Hälfte der Versicherer mit der eigenen Digitalisierung zufrieden, ein Fünftel sogar sehr zufrieden. Nur auf die internen Vorgänge bezogen bewerten 88 Prozent der Finanz- und Versicherungsdienstleister ihren Digitalisierungsgrad mit „Hoch“ oder noch besser. Ob der Kunde davon profitiert, ist anhand dieser reinen Selbsteinschätzung schwer festzustellen.
Die Untersuchung konzentrierte sich auf die Möglichkeit für Kunden und Interessenten, Standard-Geschäftsvorfälle der ausgewählten Sach- und Lebensversicherungen online und strukturiert zu erledigen. Aus der reinen Außenperspektive wurden dazu die auf der jeweiligen Website verfügbaren Formulare bewertet. Einbezogen wurden hier Vorgänge aus der Angebotsanforderung, der Antragstellung, der Schadenmeldung und eher administrative Problemstellungen wie Vertragsdatenänderungen oder Informationsanfragen. Dazu wurden 604 Geschäftsvorfälle von 37 Versicherungsgesellschaften unter die Lupe genommen. Anhand von vier Bewertungskriterien – Struktur, Plausibilitätsprüfung, Modularität und Datenübernahme – wurde der tatsächliche Digitalisierungsgrad ermittelt. Die Untersuchung zeigt allerdings überraschend deutlich, wie wenig digital die Kundenkommunikation der deutschen Versicherer wirklich ist.
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Viel Mittelmaß und wenig Überragendes
Das Ergebnis war eindeutig: Zwei Drittel der überprüften Geschäftsvorfälle weisen einen durchschnittlichen oder niedrigen Digitalisierungsgrad auf. Lediglich 24 Prozent sind in dieser Hinsicht mit „Hoch“ oder „Sehr hoch“ einzuordnen. Das konterkariert die Selbsteinschätzung der Branche. Auffällig ist, dass viele Versicherungen eine Reihe digitalisierter Vorgänge mit einem geringen Digitalisierungsgrad anbieten. Die entsprechenden Online-Eingabeformulare auf der Webseite des Versicherers führen oft zu analogen Prozessen, zum Beispiel zu einer Rückrufbitte oder zur Aufforderung, ein PDF auszufüllen und auszudrucken.
Bruchkante bei der Datenübernahme & Stiefkind Bestandskunde?
Selbst wenn der Kunde komplett digital durch seinen Workflow geführt wird, geschieht dies häufig auch mit Nutzung von Freitextfeldern. Diese Informationen müssen dann auf Seiten des Versicherers erst einmal von einem Sachbearbeiter interpretiert und gegebenenfalls passend in das interne System eingepflegt werden. Immerhin 27,5 Prozent aller geprüften Formulare erfassten die Daten strukturiert, dass von einer automatischen Übernahme in die internen Prozesse auszugehen ist, 22,1 Prozent reagierten dabei auf die vorhergehenden Angaben des Kunden.
Plausibilitätsprüfung findet selten statt
Nur 8,2 Prozent der Formulare unterstützen den Nutzer auch durch intelligentes Verhalten, berücksichtigen also bei der Auswahl der Fragestellungen oder den verfügbaren Antwortalternativen die bisherigen Eingaben. So strukturiert die Erfassung vieler Vorgänge also wirkt, bei Plausibilitätsprüfung und Datenmanagement sind erhebliche Defizite festzustellen. Vielfach beschränkt sich die Prüfung der Angaben des Versicherten darauf, festzustellen ob alle Pflichtfelder ausgefüllt sind. Tiefergehende Prüfungen sind – wenn überhaupt – nur bei strukturierten Formularen aus dem Servicebereich vorgesehen. Lediglich vier Vorfälle aus diesem Sektor beinhalteten eine globale Plausibilitätskontrolle.
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Stiefkind Bestandskunde?
Auffällig ist, dass fast alle der hoch digitalisierten Vorgänge den Abschluss von Neuverträgen betreffen. Von 49 intelligenten Web-Formularen betreffen 48 diesen Bereich. Dagegen finden sich Freitextfelder, mit denen sich Daten kaum strukturiert erfassen lassen, besonders bei Schadenmeldungen. Hier können die Versicherten den Vorfall umfangreich beschreiben. Zwangsläufige Folge: Ein Sachbearbeiter muss erst mühsam die Fakten aus diesem Text herauslesen und dann die strukturierte Eingabe selbst leisten.
Kaum Entlastung für die Mitarbeiter
Deutlich wird in der Marktbetrachtung: Die Versicherungen verschenken viel Potenzial, um die Kundenzufriedenheit zu verbessern. Denn in Zeiten von Internet 4.0 stoßen Prozesse, die doch wieder ins Analoge führen – einen Anruf, ein ausgedruckter Antrag, den Weg zur Post – auf immer weniger Verständnis.
Die Unternehmen selber verpassen durch die nur rudimentäre Digitalisierung ihrer Abläufe die Gelegenheit, die eigenen, internen Prozesse zu verschlanken. Denn eine deutlich strukturiertere Datenerfassung im Web macht eine Dunkelverarbeitung vieler Vorgänge möglich, zum Beispiel bei Schadenmeldungen oder der Aktualisierung von Bestandsdaten wie Adressmeldungen. Die Mitarbeiter werden so erheblich entlastet, der Aufwand durch Bearbeitungszeiten, Rückrufe und womöglich briefliche Nachfragen deutlich reduziert.
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Die Technik ist vorhanden
Die Optimierung der Schnittstelle zum Kunden und damit auch die Verbesserung der internen Prozesse ist dabei kein Hexenwerk. Am Markt gibt es bereits Softwarelösungen, etwa das Framework CSSP (Customer Self Service Performance), mit denen sich der Digitalisierungsgrad sehr schnell deutlich erhöhen lässt. Mehr Details dazu und die kompletten Ergebnisse der Untersuchung sind im Whitepaper „Erfolgsfaktor Digitalisierung – Wie digital ist die Schnittstelle zwischen Versicherungsunternehmen und Kunde?“ der PPI AG nachzulesen.
- Wie wenig digital die Kundenkommunikation der deutschen Versicherer wirklich ist
- Bruchkante bei der Datenübernahme & Stiefkind Bestandskunde?