Ein Handelsvertreter gemäß den Paragraphen 84 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) kann nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen. Bedingungen regelt der Paragraph 89b HGB, wie der Versicherungsbote bereits berichtete.

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Wie jedoch verhält es sich, wenn nach Beendigung des gegenseitigen Handelsvertreter-Verhältnisses ein Software-Fehler dazu führte, dass einer Handelsvertreterin oder einem Handelsvertreter ein zu hoher Geldbetrag gebucht wurde für den Ausgleich? Das Landgericht (LG) Hamburg urteilte mit Stand vom 12.03.2019: Selbst dann ist die Berechnung bindend und zu bewerten wie ein Prognosefehler (Az. 322 O 34/19) . Ein Unternehmen darf den Fehler nicht im Nachhinein zu Lasten des Vertreters korrigieren.

Programmierfehler: Programm schrieb mehrfach Provisionen gut

Geklagt hatte vor dem Hamburger Landgericht eine Versicherungsvertreterin. Diese wurde durch ein Unternehmen damit vertraut, Lebensversicherungen zu vermitteln. Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses wurde auch, wie üblich, durch das Unternehmen ein Konto für diese Frau weitergeführt, um gegenseitige Ansprüche aus den vermittelten Verträgen zu berechnen. Das Konto sollte existieren, bis alle durch die Frau vermittelten Verträge aus der Provisionshaftungszeit entlassen waren.

Die Frau erhielt über dieses Konto nach Vertragsende auch eine erste Abrechnung: Geld wurde gebucht für aus der Haftung entlassene Verträge. Was ihr jedoch nicht ersichtlich war: Die Berechnung der ausgewiesenen Summen war falsch. Denn ein Programmierfehler führte dazu, dass Provisionen mehrfach zugunsten dieses Kontos angesetzt wurden. Demnach sprach das Unternehmen der Frau 7.100,62 Euro zu viel als Ausgleich zu.

Frau klagte für ihren zu hohen Ausgleich

In der Folge korrigierte das Unternehmen das Konto zu Lasten der Frau, was nun zur Klage durch die Vertreterin führte. Denn sie meinte: Das Unternehmen sei an die erste Berechnung gebunden. Zumal die Vertreterin ja auch Steuern auf den ausgezahlten Ausgleich bezahlt hatte. Zudem hätte sie den Rest bereits ausgegeben. Mit der Klage brachte die Frau folglich auch die Einrede der Entreicherung vor, und zwar erfolgreich: Die 22. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg entschied zugunsten der Klägerin.

Ausgleichsanspruch: Erst-Berechnung mit Bindungswirkung

Das Urteil begründet sich durch die Bindungswirkung einer ersten Abrechnung des Handelsvertreter-Ausgleichsanspruchs. Denn es gilt: Auswirkungen hat nur, was bereits bei Vertragsende "mit hinreichender Sicherheit absehbar war“ . Für sein Urteil beruft sich das Landgericht auf ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf. Hatte das OLG Düsseldorf doch entschieden, dass auch Betriebseinstellungen sich nicht auf den Ausgleichsanspruch auswirken dürfen, wenn diese erst später vorgenommen wurden.

Demnach machen besondere Anspruchsvoraussetzungen des Paragraphen 89 HGB eine Abschätzung der noch ungewissen künftigen Entwicklung bei den vermittelten Verträgen erforderlich. Grundlage der Prognose – zum Beispiel durch Bewerten der Provisionen und der erwarteten Provisionsverluste durch Stornierungen – müssen jedoch die tatsächlichen Verhältnisse an einem Bewertungsstichtag sein. Betriebseinstellungen, die zu diesem Stichtag noch nicht absehbar waren (zum Beispiel, weil sie nicht offen kommuniziert wurden oder sich noch nicht abzeichneten), haben hingegen gar keine Auswirkungen auf den Ausgleichsanspruch (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2004 - I-16 U 44/03).

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Programmierfehler: Wie Prognose-Fehler zu bewerten

Eine erste Berechnung ist auch bindend, wenn sie auf einem Prognose-Fehler beruht, der dem Vertreter nicht ersichtlich war. Und ein Programmierfehler, der zu höheren Provisionszahlungen führt, ist laut aktuellem Urteil des LG Hamburg wie ein solcher Prognose-Fehler zu bewerten. Denn maßgebend ist die Erkennbarkeit eines Berechnungsfehlers für den Vertreter. Hierbei muss bedacht werden: Die vorzunehmende Berechnung des Ausgleichsanspruchs durch das Unternehmen ist derart kompliziert, dass ein Software-Programm hierfür erforderlich ist. Folglich ist die Vertreterin laut Gericht nicht dazu verpflichtet, das Ergebnis selber noch einmal nachzuprüfen. Auch war der Programmierfehler ja dem Unternehmen schon nicht ersichtlich und hätte der Vertreterin demnach schon gar nicht ersichtlich sein können. Unter diesen Bedingungen gilt: Die Parteien haben sich konkludent auf das Ergebnis einer Abrechnung zum Stichtag der Bewertung geeinigt, weswegen diese Abrechnung bindende Wirkung entfaltet.