Ist die Altersarmut in Deutschland weit drastischer, als offizielle Zahlen nahelegen? Mehr als die Hälfte aller bedürftigen Rentnerinnen und Rentner verzichtet darauf, die staatliche Grundsicherung zu beantragen: obwohl sie eigentlich Anspruch darauf hätte. Das berichtet „Der Spiegel“ in seiner aktuellen Printausgabe.

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Scham und Unwissenheit

Das Nachrichtenmagazin beruft sich auf eine unveröffentlichte Studie des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Demnach hätten mehr als eine Million Menschen Anrecht auf Grundsicherung im Alter. Tatsächlich beziehen aktuell aber nur rund 566.000 Ruheständler entsprechende Leistungen nach dem 4. Kapitel des Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB XII).

Warum aber scheuen die Senioren den Gang zum Sozialamt? Die Hauptgründe laut DIW: Scham und Unwissenheit. Zugleich würden die Rentner aber umso eher auf die finanzielle Hilfe verzichten, je weniger sie vom Amt zu erwarten hätten. Für die Studie hat das DIW Berlin Zahlen des „Sozio-oekonomischen Panels“ (SOEP) ausgewertet, die größte repräsentative Haushaltsbefragung zu Einkommen mit mehr als 30.000 Teilnehmenden.

Zahl der Bedürftigen steigt

Anrecht auf Grundsicherung im Alter haben Menschen nach Erreichen der Regelaltersgrenze, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus ihrem Einkommen und Vermögen sichern können. Das betrifft aktuell mehr als jeden zweiten (51,9 Prozent) Grundsicherungs-Empfänger: der andere Teil erhält das Geld aufgrund einer Erwerbsminderung im erwerbsfähigen Alter. Frauen sind derzeit weit öfter betroffen als Männer: 2018 standen 323.000 weiblichen Bedürftigen rund 236.000 männliche Altersrentner gegenüber (der Versicherungsbote berichtete).

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Seit Einführung der Grundsicherung im Jahr 2003 hat sich die Zahl der Empfänger mehr als verdoppelt. Ende 2003 bekamen laut Statistischem Bundesamt weniger als eine halbe Million Menschen (438.831) Leistungen nach dem SGB XII. Knapp 1,079 Millionen Personen waren es bereits zum Jahresende 2018. Die nun veröffentlichten Zahlen des „Spiegel“ legen nahe, dass die tatsächliche Zahl der Bedürftigen weit höher angesetzt werden müsste: Es besteht eine hohe Dunkelziffer.