Zurich - der neue Mitarbeiter namens Robbie
Die Zurich hat einen neuen Mitarbeiter in der Schadenregulierung: Robbie ist sein Name. Doch was kann er — und was kann er nicht? Müssen die anderen Mitarbeiter gar Angst vor ihm haben? Diese Fragen richtete der Versicherungsbote an Alexander Bernert, Head of Proposition & Innovation Zurich Gruppe Deutschland. Denn Robbie ist kein gewöhnlicher Mitarbeiter: er ist ein Roboter bzw. ein Computerprogramm, Stichwort „Künstliche Intelligenz“.
- Zurich - der neue Mitarbeiter namens Robbie
- ...früher gab es Mitarbeiter, die Akten aus dem Keller geholt haben
Versicherungsbote: Bei Ihnen kommt ein neuer Sachbearbeiter zum Einsatz, so las ich auf der Webseite des GDV: Robbie. Nur ist das kein Mitarbeiter aus Fleisch und Blut, sondern, wie der Name schon verrät, ein Roboter. Können Sie Ihn kurz vorstellen? Was kann Robbie — und was kann er besser als „andere“ Mitarbeiter?
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Alexander Bernert: Er arbeitet insbesondere monotone und wenig anspruchsvolle Standardaufgaben sehr zuverlässig ab, wenn alles so ist, wie er es erwartet. Dies kann zum Beispiel die Übertragung von Daten aus einer Applikation in eine andere sein, wo die meisten Mitarbeitenden sich nach einer Stunde langweilen und die Aufmerksamkeit verlieren. Man muss ihm die Arbeit ganz genau beschreiben können, dann ist er super.
…und wo ist Robbie einem Mitarbeiter aus Fleisch und Blut noch unterlegen? Kann er einen Mitarbeiter tatsächlich „ganz“ ersetzen?
Mitdenken darf man nicht erwarten. Und insofern kann er manche, gerade ungeliebte monotone, Tätigkeiten von Mitarbeitern ersetzen, aber eben nie ganz. Wenn zum Beispiel ein Kunde bei seinem Geburtsjahr versehentlich 1950 statt 1960 schreiben würde, dann kann es passieren, dass Robbie das einfach übernimmt, je nachdem, ob man ihm beigebracht hat, worauf er zu achten hat.
Wer haftet, wenn Robbie mal Fehler macht? Und können Sie einen Einblick erlauben, wie oft es noch zu Fehlern kommt?
Zunächst einmal sind wir gegenüber dem Kunden in der Pflicht. Ob wir uns dann gegebenenfalls an die Lieferanten von Robbie halten, wird vom Fehler abhängen. Echte „Fehler“ macht Robbie eigentlich nie – er tut, was man ihm beigebracht hat. Die Frage ist, ob wir beim Beibringen an alles denken.
Sie nutzen Robotics-Technik auch im Kundenservice der Lebensversicherung. Wie reagieren Ihre Kundinnen und Kunden darauf? Wir wissen aus Umfragen, dass persönliche Ansprechpartner den Versicherungsnehmerinnen und -nehmern noch immer wichtig sind.
Bislang nutzen wir solche Technologie nur an Stellen, die für den Kunden unsichtbar sind, gerade aus dem von Ihnen genannten Grund. Wir testen derzeit, an welchen Stellen Chatbots für den Kunden hilfreich sein können.
Wir erhalten viele Pressemeldungen von Beratungshäusern, häufig mit Eigeninteresse, in denen behauptet wird, die deutschen Versicherer hinken in Sachen Digitalisierung hinterher und drohen abgehängt zu werden. Wie ist Ihre Einschätzung: Macht die Branche genug mit Blick auf die Digitalisierung?
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Die Branche macht viel, konzentriert sich aber derzeit oft darauf, die bestehenden Systeme zu ertüchtigen bzw. in die Zukunft zu führen. Das ist auch nötig, denn ein vor 20 Jahren geschlossener Lebensversicherungsvertrag kann mit Rentenphase noch viele Jahrzehnte laufen. Insofern sieht es gegenüber neuen Spielern, vor allem Startups, manchmal so aus, als hinke die Branche hinterher. Das ist so aber nicht der Fall.
...früher gab es Mitarbeiter, die Akten aus dem Keller geholt haben
Versicherungsbote: Bei vielen Sparten ist die Prüfung des Schadensfalles noch sehr zeitaufwendig und intensiv, Beispiel BU und biometrische Risiken. Wird die Berufsunfähigkeit geprüft, dauert es oft mehrere Monate, viele Unterlagen müssen eingeholt werden. Kann KI hier auch unterstützend wirken, oder sind dem Grenzen gesetzt?
Alexander Bernert: KI kann unterstützend wirken, aber schon gesetzlich ist vorgeschrieben, dass eine Ablehnung nie nur durch „Entscheidung“ einer Maschine erfolgen kann. Insofern gibt es klare Grenzen.
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Die Branche hat ein Nachwuchsproblem, das Alter der Mitarbeiter nähert sich den 50 Jahren. Viele Versicherer klagen bereits, sie finden zu wenige Fachkräfte. Zugleich berichten wir immer häufiger von Jobabbau bei den Versichern, weil die KI viele Aufgaben im Innendienst übernimmt. Ein Widerspruch? Wie passt das zusammen?
KI übernimmt – eher potenziell als schon tatsächlich – bestimmte Aufgaben. Aber Domäne des Menschen werden absehbar solche Themen bleiben, bei denen mit Menschen interagiert wird oder Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen. Das bedeutet aber auch, dass der Charakter der Jobs sich wandelt. Früher gab es Mitarbeiter, die auf Anforderung von Sachbearbeitern Akten aus den Kellern geholt haben – das braucht man mit elektronischen Akten nicht mehr. Wie in der gesamten Wirtschaft fallen einfache Tätigkeiten eher weg durch die Digitalisierung, während es einen steigenden Bedarf an Mitarbeitern gibt, die die neue Welt gestalten können.
Daran anknüpfend: Droht bei den Versicherern ein radikaler Jobabbau? Sollte man überhaupt noch bei einem Versicherer als Sachbearbeiter lernen oder seine Ausbildung machen, wenn doch Robbie ganz einfach im Werk hergestellt werden kann?
Eine Ausbildung bei einem Versicherer lohnt sich ganz sicher, denn Versicherung ist eines der ältesten Gewerbe der Welt – erste Versicherungsthemen waren schon im Codex Hammurabi zu finden – die Branche wird es auch noch in 100 Jahren geben. Aber sie wird sich in der Art, wie Versicherung „hergestellt“ wird, ändern – und darauf sollte man sich als junger Mensch einstellen. Also gut darüber nachdenken, welche Tätigkeiten denn in 10 oder 20 Jahren wohl noch in Menschenhand sein werden. Aber das gilt für jede Branche.
Welche Rolle kann Künstliche Intelligenz im Vertrieb übernehmen? Wo und wie unterstützt/ergänzt oder verdrängt Robbie Herrn Kaiser?
Heute kann künstliche Intelligenz für Vermittler beispielsweise Routineaufgaben in deren Backoffice übernehmen und diese dadurch entlasten und Zeit für die Beratung der Kunden schaffen. Für einfache Produkte kann KI auch nützlich sein, damit Kunden sich im Self Service erste Informationen beschaffen können. Darüber hinaus ist es auch möglich, mit KI die Vermittler oder auch den Online-Vertrieb zu unterstützen, damit sie den Kunden passgenauer weitere Produkte und Services vorschlagen oder Indikatoren für Unzufriedenheit früher erkennen können.
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Die Fragen stellte Mirko Wenig
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