AG Finanzen: Zeitige Gegnerschaft zum Deckel

Schon bevor der aktuelle Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zum umstrittenen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung (mit derzeit offiziellen Bearbeitungsstand vom 18.04.2019) vorlag, positionierte sich die Arbeitsgruppe Finanzen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegen die Pläne. Damals begründeten die Finanzexperten der Unionsparteien ihre Ablehnung mit „ordnungspolitischen Gründen“ (der Versicherungsbote berichtete).

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Konkreter aber wurde die Kritik erst durch die Positionierung eines wichtigen Stimmführers in der Debatte – des CDU-Bundestagsabgeordneten und Mitglieds der AG Finanzen Carsten Brodesser. Brodesser kritisierte den vom Bundesministerium angedachten Deckel als „zu starr“, legte zudem ein Alternativmodell vor. Der alternative Vorschlag war aus Brodessers Sicht besser geeignet, zum einen zwar Fehlentwicklungen bei Lebensversicherungen und insbesondere in der Restschuldversicherung zu regulieren, zum anderen aber Gefahren des derzeitigen Deckels – zum Beispiel Makler in der Verlustzone oder Markteintrittsbarrieren für junge Vermittler – zu vermeiden.

Brodessers Entwurf: Vom Diskussions- zum offiziellen Gegenvorschlag

Als Brodesser im April 2019 erstmals seinen eigenen Entwurf für einen Deckel vorstellte, betonte er gegenüber dem Versicherungsboten: keineswegs handle es sich um einen abgestimmten Vorschlag der Arbeitsgruppe Finanzen der CDU/CSU. Verschiedene Portale hatten damals fälschlicherweise anderes behauptet. Stattdessen sollte der Entwurf ein Diskussionsvorschlag des Bundestagsabgeordneten für die Debatte sein. Doch das hat sich nun geändert, wie der Branchendienst versicherungstip berichtet.

Demnach würde die Arbeitsgruppe Finanzen der CDU/CSU nun „die formulierten Positionen einstimmig und vollumfänglich“ mittragen, wie der Branchendienst eine aktuelle Aussage Brodesser zitiert. In der Folge wäre der Entwurf Brodessers nun auch sowohl an das Bundesministerium der Finanzen als auch an den Koalitionspartner und damit an die SPD verschickt worden.

Bedeutsam ist dieser Schritt vor allem vor den von Brodesser erklärten Hintergrund, dass eine „koalitionsinterne Einigung“ bisher „nicht erfolgte“. So besteht die Möglichkeit, dass sein Modell letztendlich in einen überarbeiteten Gesetzentwurf Eingang finden.

Eingriffsrecht in der Lebensversicherung laut Brodesser: Erst bei wesentlichen Abweichungen

Was aber beinhaltet der Vorschlag Brodessers, der nun durch die AG Finanzen der CDU/CSU-Fraktion mitgetragen wird? Der Vorschlag sieht vor, Anzeigepflichten durch Eingriff in Paragraph 143 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) um eine Pflicht für Lebensversicherer und Unternehmen zu ergänzen: Tatsächlich gezahlte maximale Provisionssätze sind „einmalig“ an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu melden, ebenso neue oder geänderte Provisionssätze.

Die BaFin hingegen erhält die Befugnis, anhand der gelieferten Daten die „tatsächliche Vergütung pro Vermittler“ zu erfassen – und damit die marktübliche Höhe der Provisionszahlungen. Erst Vergütungen, die den Marktdurchschnitt wesentlich übersteigen, führen in der Folge zu einem Eingriffsrecht der BaFin. Eine positive Abweichung von bis zu dreißig Prozent von der marktüblichen Provisionshöhe wird laut Alternativ-Entwurf geduldet. Korrigierende Eingriffe der BaFin bei zu hohen Provisionen sollen unter Verweis auf Paragraph 48a Versicherungsaufsichtsgesetz geschehen.

Die weniger starre Grenze für Provisionen soll sich immer neu am Marktgeschehen orientieren. Die milde erscheinenden Vorgaben des Alternativ-Vorschlags machen deutlich: Brodesser sieht in der Höhe der Provisionen bei Lebensversicherungsprodukten mit Sparanteil nicht das Hauptproblem.

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Der hinter den Vorschlägen stehende Verdacht, dass insbesondere die Kunden durch den allzu starren Deckel kaum profitieren, wurde jetzt durch eine Studie im Auftrag des Instituts für Altersvorsorge (DIA) erhärtet: die durchschnittliche Renditedifferenz des starren Deckels würde Kunden nur ein Plus von 0,09 Prozent bis 0,16 Prozent (je nach Produktkategorie) bescheren. Die Studie pointiert: Die Wirkung des Provisionsdeckels „auf die konkrete Vertragsrendite wird im Allgemeinen überschätzt“ (der Versicherungsbote berichtete).

Für Restschuldversicherung: Sogar „Doppeldeckel" vorgesehen

Härte jedoch lässt auch das Provisionsdeckel-Modell von Brodesser walten, und zwar gegenüber der Restschuldversicherung. Denn dass bei diesen Verträgen Handlungsbedarf besteht, wird durch Brodesser anerkannt – und sei auch parteiübergreifend Konsens, teilte dem Versicherungsboten das Büro des Abgeordneten auf Anfrage mit.

So ergab die "Marktuntersuchung Restschuldversicherungen“ der BaFin mit Stand vom 21.06.2017: Mehr als 50 Prozent der Versicherungsprämie zahlen viele Versicherer in Deutschland an Banken für die Vermittlung einer Restschuld-Police. Vereinzelt werden sogar mehr als 70 Prozent als Provision gezahlt (der Versicherungsbote berichtete). Dass bei solchen Provisionshöhen das Provisionsgeschäft schnell zum Selbstzweck wird, veranschaulichte der „PPI-Skandal“ in Großbritannien – als bekannt wurde, dass britische Banken ihren Kunden reihenweise überteuerte und nutzlose Policen verkauften, um sich an hohen Provisionen zu bereichern. Ein teilweises Provisionsverbot auf der Insel war die Folge.

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Fehlentwicklungen im Bereich der Restschuldversicherung begründen sich jedoch durch besondere Vertriebsbedingungen, da die Produkte überwiegend bei Kreditabschluss vertrieben werden. Laut Brodessers Entwurf soll es nun gar ein "Doppeldeckel" für die Restschuldversicherung richten: Zum einen sollen künftig nur noch drei Prozent der Darlehenssumme als Provision gezahlt werden dürfen. Zudem soll der Provisionsanteil 50 Prozent der Gesamtprämie nicht übersteigen dürfen, damit eine “Aushöhlung von Leistungen bei gleichbleibendem Preis“ verhindert wird.

Dieser „Doppeldeckel“ würde in der Folge Abschlusskosten senken, ohne den „Fortbestand eines wichtigen Absicherungsinstruments“ zu gefährden, wie es aus dem Büro des CDU-Abgeordneten heißt. Nicht gegen die Restschuldversicherung will der Bundestagsabgeordnete demnach vorgehen, sondern gegen zu hohe Abschlusskosten aufgrund spezifischer Vertriebsbedingungen der Produkte.

Brodessers Modell: Der Vorteil

Brodessers Modell hat demnach einen wichtigen Vorteil gegenüber dem jetzigen Entwurf: Er liefert bereits die Antwort für ein Problem. Denn in den Evaluierungsbericht des Bundesministeriums der Finanzen, der eine Senkung der Abschlusskosten anmahnte und zum jetzigen Provisionsdeckel-Entwurf des Ministeriums führte, flossen auch die exorbitant hohen Provisionen der Restschuldversicherer ein. Es war just der Branchendienst „versicherungstip“, der half, diesen Skandal aufzudecken (der Versicherungsbote berichtete).

In der Folge sprachen Branchenvertreter, aber auch Kritiker des Deckels aus Reihen der FDP von einem „politischen Skandal“. Würde doch eine Erhebung, die besser zwischen verschiedenen Produktgruppen differenzieren würde, eventuell einen ganz anderen Befund als den aktuellen ergeben: Zwar bestätigt sich mit großer Wahrscheinlichkeit der Handlungsbedarf für die Restschuldversicherung. Jedoch: Ob mit gleicher Wahrscheinlichkeit ein Regulierungsbedarf bei Lebensversicherungsprodukten mit Sparanteil geboten wäre, muss nach jetzigem Stand zum Teil als unbeantwortet gelten.

Noch immer gilt beim Deckel: Alles ist offen

Gerade durch dieses Problem bietet sich Brodessers weniger starres Modell als Alternative an. Nun freilich wird sich zeigen, ob und wie dieses Alternativmodell in den aktuellen Referentenentwurf zum Deckel Eingang wirklich findet. Vielleicht aber bringt Brodessers Vorschlag Bewegung ins Gesetzgebungsverfahren.

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Denn obwohl mit Jörg Kukies der Staatssekretär der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf einer Konferenz des Handelsblattes erklärte, man sei „dabei, das Thema zu finalisieren“, verschwand just der Provisionsdeckel als Thema wiederholt und immer wieder von der Tagesordnung des Bundeskabinetts. Dies gilt vielen Beobachtern als Indiz, dass sich hinter den Kulissen nicht geeinigt wird (der Versicherungsbote berichtete).

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