Aus diesem Grund konstatiert die Studie einen besorgniserregenden „Doppeltrend zu Altersarmut und Altersüberschuldung“. Denn in den Altersgruppen ab 50 Lebensjahren nehmen die Fallzahlen auffallend zu: Mit zunehmender Verschuldung ist demnach auch die Altersarmut schon jetzt auf dem Vormarsch. Die Experten bewerten dies auch als Ergebnis der Rentenreformen zurückliegender Jahre.

Anzeige

Zahl überschuldeter Verbraucher sinkt seit Jahren erstmals wieder

Die Zahl überschuldeter Verbraucher ist in den letzten zwölf Monaten erstmals seit 2013 wieder gesunken – jedoch nur geringfügig. Aktuell sind rund 6,92 Millionen Verbraucher in Deutschland überschuldet – nur knapp 10.000 weniger als im Vorjahr. Die Überschuldungsquote und damit der Anteil der überschuldeten Personen zu allen Personen ab 18 Lebensjahren beträgt aktuell 10 Prozent.

Positiv stellt die Studie fest: Die Zahl jüngerer überschuldeter Verbraucher (unter 50 Jahren) hat deutlich abgenommen:

  • Aktuell beträgt die Zahl der überschuldeten Personen unter 30 Jahren 1,42 Millionen: Ein Rückgang um 167.000 Fälle.
  • Die Zahl der überschuldeten 30- bis 39-Jährigen beträgt zudem 1,85 Millionen und ging um 58.000 Fälle zurück.
  • Und die Zahl der Überschuldeten, die zwischen 40 Jahre und 49 Jahre alt sind, beträgt 1,41 Millionen und ging um 47.000 Fälle zurück.

Vergleicht man für jüngere Kohorten die Überschuldungsquoten (und damit das Verhältnis der überschuldeten Personen an allen Personen), ist die Kohorte der 30- bis 39-Jährigen am meisten betroffen mit einer aktuellen Quote von 17,72 Prozent. 13,12 Prozent beträgt die Überschuldungsquote der Menschen von 40 Jahren bis 49 Jahre. Und die Überschuldung der Menschen unterhalb von 30 Jahren liegt bei 12,13 Prozent.

Verschuldung im Alter nimmt besorgniserregend zu

Dass der Gesamtbefund aber keinen Grund zur Freude gibt, liegt am Anstieg der Altersverschuldung:

  • Denn 57.000 Fälle mehr müssen bereits die 50-59-Jährigen registrieren: Aktuell sind hier 1,23 Millionen Menschen verschuldet bei einer Überschuldungsquote von aktuell 9,17 Prozent.
  • Einen Anstieg der Fallzahlen um 85.000 Fälle nehmen die 60- bis 69-Jährigen in Kauf.
  • Die Menschen ab 70 nehmen sogar einen Anstieg der Fallzahlen um 118.000 Fälle in Kauf.

„Doppeltrend zu Altersarmut und Altersüberschuldung“: Ein möglicher Teufelskreis

Zwar sind die älteren Kohorten bei den Überschuldungsquoten momentan noch am wenigsten betroffen mit 6,36 Prozent bei Menschen im Alter von 60 Jahren bis 69 Jahren oder sogar nur 2,95 Prozent bei Menschen im Alter ab 70 Jahren. Und doch: Die Entwicklung ist besorgniserregend. Bestätigen steigende Fallzahlen laut SchuldnerAtlas doch einen „Doppeltrend zu Altersarmut und Altersüberschuldung“.

Im Kontext dieser Diagnose weisen die Autoren der Studie auch darauf hin, dass es sich bei Altersarmut um eine „besonders schwerwiegende Form der Armut“ handelt. Denn während jüngere Menschen ihre Armut häufig als „vorübergehende Lebensphase“ begreifen und zudem oft „über eine Perspektive verfügen", sich längerfristig aus Armut und Schulden herauszuarbeiten, wäre dies bei älteren Menschen sehr häufig nicht der Fall.

Anzeige

Sinken doch mit dem Eintritt in den Ruhestand „die Chancen älterer Menschen drastisch, ihre ökonomische Lage zu verbessern“. Das Wechselspiel aus geringem Alterseinkommen und Verschuldung könnte sich demnach zumindest für einen Teil der Betroffenen als Teufelskreis entpuppen: Durch das geringe Alterseinkommen gelingt es dann nicht mehr, sich aus der Schuldenfalle zu befreien.

Altersarmut: Auch durch Rentenreformen verursacht

Auf einen Zusammenhang deutet die Studie im Kontext zunehmender Verschuldung im Alter hin: Der „Trend zur Altersarmut“ sei „auch vor dem Hintergrund der Rentenreformen der vergangenen zwanzig Jahre“ einzuordnen. Hätten diese Reformen doch fast durchweg auf eine „Reduktion des Sicherungsniveaus“ in der gesetzlichen Rente gezielt, um „den Beitragssatz zu stabilisieren“.

Als Beispiel einer solchen Reform kann das im Jahre 2001 verabschiedete Altersvermögensgesetz (AVmG) genannt werden: Durch Einführung der Riester-Rente sollte die private Vorsorge als dritte Säule des Rentensystems gestärkt und sollte auf das zu erwartende Absinken des Rentenniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung (GVR) früh reagiert werden. Seit dieser Reform waren nicht länger Zielvorgaben der Rentenhöhe maßgebend für die Rentenpolitik der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern langfristig stabile Beiträge.

Anzeige

Eine solche Verschiebung aber lässt massive Rentenlücken erwarten – ansonsten hätte man aufgrund des demografischen Wandels immer höhere Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Kauf nehmen müssen. Damit die gesetzlich Rentenversicherten reagieren können, wurde mit der Riester-Rente eine Förderung der privaten Vorsorge eingeführt (der Versicherungsbote berichtete).

Freilich geschehen solche Reformen vor dem Hintergrund einer steigenden Versorgungslast für die erwerbstätige Bevölkerung: Der Anteil der Menschen im Erwerbsalter wird laut der jüngsten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts in den nächsten zwei Jahrzehnten deutlich sinken. Aktuell sind 62 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 66 Jahren und 20 Prozent im Alter von 67 Jahren und mehr. Der Anteil der 67-Jährigen und Älteren jedoch wird ansteigen – bis zum Jahre 2040 auf 25 bis 27 Prozent. Somit steigt die Zahl der Rentnerinnen und Rentner, während zugleich die Zahl jener Erwerbstätigen sinkt, die für die umlagefinanzierte gesetzliche Rente ihre Beiträge einzahlen.

Prekäre Erwerbsbiografien erhöhen das Armuts- und Verschuldungsrisiko

Ein besonderes Armuts- und Verschuldungsrisiko geht hierbei von unsteten Erwerbsbiografien und einem Niedriglohnsektor mit versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnissen aus. Denn laut den Autoren des SchuldnerAtlas korreliert die Armutsbetroffenheit im Alter besonders stark mit befristeten Beschäftigungen durch Zeit- bzw. Leiharbeit. Zudem tragen Frauen mit unsteten Erwerbsbiographien ein erhöhtes Armutsrisiko im Alter. Zwar möchte die Bundesregierung hier aktuell mit der so genannten Grundrente gegensteuern – als Belohnung für all jene Menschen, die bei geringem Verdienst mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV) eingezahlt haben, wie der Versicherungsbote berichtete.

Grundrente: Als Sicherungsnetz gegen Altersarmut zu weitmaschig

Das Rentenreform-Vorhaben "Grundrente" soll hierbei auch "einen Beitrag im Kampf gegen Altersarmut" leisten, wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) formuliert. Jedoch gilt als Problem der Grundrente noch immer: Viele Menschen, die im Alter arm sind, haben aufgrund von Krankheit oder unsteten Erwerbsbiographien gar keine Möglichkeit gehabt, jahrzehntelang in die Rentenversicherung einzuzahlen.

Das veranschaulicht unter anderem eine Studie der Bertelsmannstiftung, wie der Versicherungsbote berichtete. So hätte die Grundrente kaum Auswirkungen auf die steigende Armutsrisikoquote im Alter und damit auf die Tatsache, dass immer mehr Menschen durch Altersarmut bedroht sind. Als Sicherungsnetz gegen Altersarmut ist die "Grundrente" demnach zu weitmaschig gestrickt – viele Betroffene erfüllen Bedingungen für den Bezug dieser Rente oder für ein Nutzen der Freibeträge bei Grundsicherung und Wohngeld nicht.

Anzeige

Letztendlich erfüllt die Grundrente zwar tatsächlich ihren Zweck als "Respekt-Rente" (so Bundesarbeitsminister Hubertus Heil) für lange Beitragszahlungen bei niedrigem Einkommen. Als Kampf gegen Altersarmut (und damit auch gegen drohende Verschuldung im Alter) ist sie jedoch nicht geeignet, wie auch ein Artikel der Zeit pointiert. Die Ergebnisse des aktuellen SchuldnerAtlas 2019 können damit auch als Handlungsauftrag an die Politik interpretiert werden, Altersarmut und zunehmende Verschuldung im Alter abzuwenden.

Seite 1/2/