Seit 2005 können auch Selbstständige staatlich gefördert für das Alter vorsorgen: mit der sogenannten Basis-Rente, umgangssprachlich auch „Rürup-Rente“ genannt. Deren Vater Bert Rürup hat sich nun in einem Kommentar für das Handelsblatt zur Zukunft der Altersvorsorge zu Wort gemeldet. Er fordert darin, dass die Riester-Rente weiterentwickelt wird — und die Bürger zu einer zusätzlichen, kapitalgedeckten Vorsorge verpflichtet werden.

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Großteil verzichtet auf staatliche Zuschüsse

In seinem Kommentar verteidigt Rürup die Riester-Rente zunächst gegen Kritiker. Diese werfe nicht selten „eine gute Rendite ab“, schreibt der 76jährige. Wobei auffällt, dass der Ökonom diese Rendite vor allem auf die staatliche Förderung zurückführt. Der Staat spendiere den Sparern immerhin rund ein Drittel des Gesamtbeitrags, schreibt er — dass dies den Steuerzahler aktuell 3,82 Milliarden Euro im Jahr kostet, erwähnt er in seinem Kommentar nicht.

Das Problem sei aber, argumentiert Rürup weiter, dass gut die Hälfte aller Berechtigten gar keinen Riester-Vertrag hätten. Hier muss man einwenden, dass dies nicht ganz korrekt ist. Im zweiten Quartal 2019 existierten laut Bundesfinanzministerium 16,53 Millionen Riester-Verträge, während das Statistische Bundesamt 41,23 Millionen abhängig Beschäftigte zählte. Es riestern also maximal vier von zehn Arbeitnehmern. Zusätzlich zu bedenken ist, dass einige Sparer auch zwei Riester-Verträge halten, genaue Daten hierzu hat die Bundesregierung nicht. Das spricht für einen noch niedrigeren Verbreitungsgrad.

Fest steht aber aus Sicht von Rürup, dass deutlich zu wenige Deutsche mit der Riester-Rente vorsorgen. Ein Problem sei das deshalb, weil sie auf staatliche Zuschüsse verzichten würden. „Einen Großteil derer, die es nötig hätten, erreicht das Riester-Sparen daher nicht“, schreibt der Ökonom. Die gesetzliche Rente hingegen könne künftig immer weniger den Lebensstandard der Bevölkerung im Alter sichern: Was eigentlich ihre Aufgabe sei.

Vorsorgezwang und Reformen

Um am Status Quo etwas zu ändern, fordert Rürup Reformen. Dabei knüpft er an einen Beschluss der CDU vom Freitag auf dem Parteitag in Leipzig an:

Zum einen sollen die Produkte deutlich einfacher, verständlicher und billiger werden. Und einen "Geburtsfehler" der Riester-Reform von 2002 will er ebenfalls beheben. Wie bereits sein Parteigenosse Walter Riester vor wenigen Monaten forderte, spricht sich Rürup für einen Zwang aller Bürger zur kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge aus. Wenn die Deutschen nicht riestern wollen, muss man sie eben dazu zwingen?

Es sei ökonomisch sinnvoll, neben das beitragsfinanzierte gesetzliche Rentensystem ein zusätzliches zu stellen, das kapitalgedeckt sei, lobt Rürup den CDU-Beschluss: auch wenn die Union davon Abstand nahm, tatsächlich eine solche Vorsorge verpflichtend vorzuschreiben. Ein entsprechender Antrag der Arbeitnehmerschaft in der Partei wurde vorerst abgelehnt, wenn auch mit dreijähriger Übergangsfrist (der Versicherungsbote berichtete).

Dabei fällt aber eine feine Verschiebung in der Argumentation des Wirtschaftsprofessors auf. Nicht allein die staatlich geförderte Altersvorsorge in seiner bisherigen Form hat der frühere Regierungsberater im Blick. Er will die Bürger verstärkt an die Börse locken. Die Deutschen würden aufgrund ihrer Aktienphobie oft falsch sparen, bemängelt Rürup. Die neue private Säule solle hingegen „verstärkt in Aktien setzen“. Gerade wenn noch Zeit bis zum Renteneintritt sei, der Altersvorsorge-Vertrag also in jungen Jahren abgeschlossen, sei ein Investment in Aktien erste Wahl.

Bei der Riester-Rente aber sind die Beiträge in festverzinsliche Wertpapiere regelrecht einbetoniert: Anleihen, die im Niedrigzins kaum noch Rendite abwerfen. Dies schreibt die gesetzlich vorgeschriebene Garantie zum Beitragserhalt vor: Der Sparer soll beim Renteneintritt nicht weniger herausbekommen, als er an Beitrag und Zulagen in den Vertrag eingezahlt hat. Nur ein kleiner Teil der Sparer wird hier in Aktien investiert. Die Rürup-Rente für Selbstständige kennt eine solche Pflicht zur Beitragsgarantie hingegen nicht.

Altersvorsorgekonto bei Nonprofit-Organisation

Um eine möglichst breite Auswahl der privaten Vorsorge zu erlauben, schlägt Rürup vor, dass für alle Bürger Altersvorsorgekonten eingerichtet werden. Diese sollen „von einer staatsfernen Nonprofit-Organisation geführt werden“, um zu gewährleisten, dass die Politik keinen Zugriff auf die Gelder hat und sich nicht in die Kapitalanlage einmischt. Die Sorge: In Zeiten leerer Kassen könnte die Politik versuchen, die angesparten Beträge für ihre Zwecke zu missbrauchen.

Zudem solle der Staat die private Altersvorsorge in ähnlichem Umfang fördern wie die Betriebsrenten, so ein weiterer Vorschlag Rürups. Im Jahr 2020 könnten die Bürger dann 6.624 Euro steuerfrei anlegen — acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze West in der Rentenversicherung. Die Ansparphase soll steuerfrei bleiben und der Fiskus erst dann Zugriff haben, wenn die private Rente ausgezahlt wird.

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Pflicht solle die zusätzliche private Vorsorge für alle Bürger werden, so das Plädoyer des Ökonomen. Auch Beamte, Selbstständige und Politiker müssten folglich entsprechend vorsorgen. Und auch Berufe mit eigenen Versorgungswerken.

Basisrente schwächelt - ähnlich wie Riester

Der Finanzwissenschaftler Bert Rürup ist SPD-Mitglied und beriet ab 1982 wiederholt die Bundesregierungen in sozialpolitischen Fragen. Sein wohl bekanntestes Projekt ist die Basisrente, umgangssprachlich nach ihm auch Rürup-Rente benannt. Rein steuerlich gefördert, steht diese Form der Altersvorsorge grundsätzlich allen offen. Es sollte aber ein Instrument schaffen, um Selbstständigen den Aufbau einer Alterssicherung zu ermöglichen.

Die Basisrente entwickelt sich ähnlich behäbig wie ihre Schwester „Riester-Rente“. Rund 4,3 Millionen Selbstständigen stehen aktuell rund zwei Millionen abgeschlossene Policen gegenüber, so geht aus dem Altersvorsorge-Sicherungsbericht der Bundesregierung 2016 hervor. Ein Grund ist, dass Unternehmer oft anders vorsorgen, etwa mit Aktien oder Immobilien: Wenn sie überhaupt eine Altersvorsorge haben. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verzichten rund 700.000 Unternehmer auf eine ausreichende Vorsorge.

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Auch zahlreiche Nachteile der Verträge werden für die eher geringe Verbreitung der Basisrente verantwortlich gemacht, unter anderem von „Finanztest“ und den Verbraucherzentralen: Nachteile, die sich auch Rürup als Berater bei den Gesetzen anrechnen lassen muss. So kann die Rente frühestens ab dem 60. Lebensjahr gezahlt werden, Kapitalauszahlungen sind nicht erlaubt. Auch ist die Rente nicht beleihbar, nicht vererblich und nicht übertragbar: entsprechend unflexibel.

Die Verträge seien oft intransparent gestaltet, bemängelt „Finanztest“ darüber hinaus, speziell, wenn sie keine Beitragsgarantie vorsehen. So sei der Rentenfaktor, mit dem die angesparten Beiträge zu Beginn der Auszahlungsphase in eine Rente übersetzt werden, bei Vertragsbeginn oft unbekannt und unsicher. Viele Anbieter würden zwar einen garantieren Rentenfaktor gewähren — dieser sei aber „lächerlich gering“. Die Sparer müssten folglich fürchten, benachteiligt zu werden.

Kritik an Nähe zu Finanzbranche

Für Kritik sorgte wiederholt die Nähe Bert Rürups zur Finanzindustrie, so dass ihm Interessenkonflikte nachgesagt wurden: unter anderem seine Beziehungen zum umstrittenen Unternehmer Carsten Maschmeyer. Nicht nur war Rürup 2009 als Chef-Ökonom für Maschmeyers Finanzdienstleister AWD tätig, er gründete mit diesem später auch die MaschmeyerRürup AG. Sie beriet osteuropäische Staaten bei der Privatisierung der Altersvorsorge, ist heut aber nicht mehr aktiv.

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Bereits während der Reformen unter Gerhard Schröder war Rurüp zudem in Aufsichtsräten und Vorstandsfunktionen tätig - zusätzlich zu seiner beratenden Tätigkeit. Unter anderem war er Aufsichtsratschef bei der Axa Pensionskasse. Er wirkte bis 2009 als Vorstandsvorsitzender des Mannheimer Forschungsinstituts Ökonomie und demographischer Wandel, das wesentlich vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mitfinanziert wurde.

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