BaFin-Chef warnt: Geschäftsmodell der Pensionskassen in Gefahr
Das Geschäftsmodell der Pensionskassen gerät in Zeiten niedriger Zinsen immer mehr unter Druck. Nach Recherchen der ARD müssen Versicherte bei drei Kassen schon Kürzungen von bis zu 300 Euro im Monat akzeptieren: ein Haftungsrisiko auch für Arbeitgeber. Die Finanzaufsicht warnt vor einer existenzbedrohenden Gefahr für das Geschäftsmodell.
Die anhaltend niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt gefährden das Geschäftsmodell der Pensionskassen. Das berichtet das ARD-Magazin „Report Mainz“ in seiner Sendung vom 2. Dezember. Demnach mussten Versicherte bei drei Kassen in wirtschaftlicher Not teils drastische Kürzungen der Betriebsrente akzeptieren. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) warnt zudem vor existenzbedrohenden Folgen, sollten die Zinsen am Kapitalmarkt weiterhin im Keller bleiben.
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“Geschäftsmodell in Gefahr“
Laut dem Bericht stehen 31 von insgesamt 137 Pensionskassen aktuell unter „intensivierter Aufsicht“ der BaFin, wie Frank Grund, bei der Behörde für die Versicherungsaufsicht verantwortlich, berichtet. Oft sind sie darauf angewiesen, sich fremdes Kapital von außen zu besorgen, um überhaupt ihre vollen Leistungen erbringen zu können: ein Leben auf Pump. Die BaFin drängt die Träger der Kassen - die Arbeitgeber -, Geld nachzuschießen, um Kürzungen der Betriebsrente zu vermeiden.
Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Situation nicht entspannt: Auch 2018 standen 31 Gesellschaften unter strengerer BaFin-Aufsicht. Und die Probleme der Anbieter könnten noch zahlreicher werden. "Pensionskassen sind durch die aktuelle Niedrigzinsphase besonders betroffen“, sagt Chefaufseher Grund der ARD. „Es muss jedem klar sein, dass ihr Geschäftsmodell in Gefahr ist, wenn sich die Zinsen weiter auf diesem Niveau bewegen. Wir beobachten die Situation mit Sorge.“ Mit anderen Worten: Es geht bei manchen Anbietern um die nackte Existenz.
Plötzlich bis zu 300 Euro weniger
Was die wirtschaftliche Schieflage einer Pensionskasse mit sich bringen kann, müssen Stand jetzt die Versicherten dreier Anbieter erfahren: der Caritas VVAG, Kölner Pensionskasse und die Pensionskasse der Steuerberater. Bei diesen Vorsorgewerken tun sich gewaltige Finanzlöcher auf: Infolge werden sogar Renten gekürzt, die sich bereits in der Auszahlung befinden.
Als Beispiel nennt „Report Mainz“ die Pensionskasse der Caritas. Den Journalisten liegen mehrere Briefe vor, wonach manche Versicherte mehr als 300 Euro weniger erhalten — im Monat. Für die Mehrheit der Versicherten würden die Kürzungen zwischen zehn und 30 Prozent betragen, teilt die Pensionskasse dem Magazin auf Anfrage mit.
Die Kasse gibt sich reuig. "In der Rückschau wurden die Rahmenbedingungen und Risiken sowie die Niedrigzinsphase falsch eingeschätzt. Es wurden Fehler gemacht. Dafür entschuldigen wir uns bei Ihnen", zitiert "Report Mainz" aus einem Informationsschreiben der Caritas.
Arbeitgeber haften
Gut dran ist noch, wer eine Betriebsrente über einen Arbeitgeber erhält. Die Firma muss für mögliche Einbußen bei der Rente einspringen und diese ausgleichen, so sieht es das Betriebsrentengesetz vor (Paragraph 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG). Was allerdings gerade kleinere und mittlere Unternehmen selbst in Existenznot bringen kann. Anders sieht es in der Regel bei jenen aus, die sich als Selbstständige dazu entschieden haben einer Pensionskasse beizutreten. Sie haben kein Anrecht auf einen Ausgleich.
Das Neugeschäft wurde den Anbietern durch die Finanzaufsicht untersagt, da sie nicht mehr genügend Eigenkapital haben. Besonders drastisch ist die Situation bei der Deutschen Steuerberater Versicherung: Sie droht nun sogar, ihre Erlaubnis für den Geschäftsbetrieb zu verlieren (der Versicherungsbote berichtete).
Auch massive Fehler
Allein dem Niedrigzins kann man die Schieflage der Kassen aber nicht zuschreiben. Managementfehler und falsche Prognosen trugen ebenso dazu bei. Die Caritas und die Kölner Pensionskasse räumten bereits Mitte des Jahres massive Fehler in der Vergangenheit ein: ungewohnt offen.
In gleich lautenden Statements schrieben die Schwesterunternehmen an Betroffene, die jeweilige Kasse habe „die lang anhaltende Niedrigzinsphase und die steigenden Lebenserwartungen in ihren Berechnungen zu wenig berücksichtigt. Zudem hatte sie Fehler in der Tarifkalkulation gemacht, die zu hohe Leistungsversprechen zum Ergebnis hatten". Dies führe zu einem Fehlbetrag in der Bilanz.
Unseriöse Anbieter profitieren vom Niedrigzins
Viele Sparer sind in Zeiten niedriger Zinsen verunsichert. Besonders bitter: Laut Report Mainz erleben nun Geldanlagen ein Comeback, die riskant oder gar unseriös sind. Wirtschaftswissenschaftler Gerald Mann aus München warnt folglich vor einer Zunahme von Anlagebetrug. "Die Niedrigzinsphase macht es unseriösen Anbietern von Finanzanlageprodukten auf jeden Fall leichter, Kunden zu finden, die sie schädigen können, als das in normalen Zinszeiten der Fall wäre", sagt er der ARD.
Laut Bundeskriminalamt nehmen auch dank Internet und Social Media die riskanten Angebote zu. Im ARD-Beitrag genannt werden unter anderem Differenzkontrakte, die ein Totalverlustrisiko bergen und für institutionelle Anleger gar eine Nachschusspflicht. Läuft es schlecht, muss dann weiteres Geld aus dem eigenen Vermögen in die Anlage gesteckt werden.
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Auch Wetten auf Kryptowährungen werden nun verstärkt beobachtet, etwa Initial Coin Offerings. Das Problem hinter solchen Angeboten ist nicht allein, dass sie hochspekulativ sind und damit für die Altersvorsorge ungeeignet, berichtet das Bundeskriminalamt. Oft verbergen sich dahinter kriminelle Abzocker, die im Ausland sitzen: und nur schwer für ihre Taten belangt werden können.