"In der vollstationären Pflege erwarten wir jedes Jahr eine Erhöhung des Eigenanteils."
Worauf sollten Versicherte speziell beim Abschluss von Pflege-Bahr-Policen achten? Gibt es Leistungsbausteine, die Sie für essentiell halten?
- Nische Private Pflegeversicherung: „Der Gesetzgeber könnte über eine höhere Förderung nachdenken!“
- "In der vollstationären Pflege erwarten wir jedes Jahr eine Erhöhung des Eigenanteils."
Bei Einführung der geförderten Pflegezusatzversicherung hat der Gesetzgeber den Abschluss und die staatliche Förderung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, zum Beispiel:– muss eine soziale oder private Pflegepflichtversicherung bestehen und es dürfen noch keine Leistungen in Anspruch genommen worden sein, muss der Antragsteller mindestens 18 Jahre alt sein, muss das monatliche Pflegegeld mindestens 600 Euro in Pflegegrad 5 betragen und der monatliche Eigenbeitrag muss bei mindestens 10 Euro liegen.
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Diese Vorgaben sind sehr eng gefasst, sodass kaum Spielraum für zusätzliche Leistungsbausteine vorhanden ist. Wer aber über die Mindestabsicherung nach gesetzlich vorgegebenem Rahmen hinaus für den Pflegefall vorsorgen will, dem bieten wir mit unserer ungeförderten Pflegezusatzversicherung nach Tarif EPC eine umfassende und sinnvolle Ergänzung.
Gibt es Reformbedarf mit Blick auf Pflege-Bahr? Wo könnte der Gesetzgeber ansetzen, um die Policen attraktiver zu machen bzw. die Nachfrage anzukurbeln?
Vor allem für Bürger mit niedrigem Einkommen ist die ergänzende Pflegeversicherung in erster Linie eine Kostenfrage. Bei einem Jahresbeitrag von oft mehreren Hundert Euro für eine ausreichende ergänzende Pflegeversicherung ist die derzeitige Förderung von 60 Euro für viele nicht genug. Hier könnte der Gesetzgeber über eine höhere Förderung oder weitergehende Steuervorteile nachdenken.
Könnten sich auch die Versicherer und der Vertrieb noch stärker engagieren, um für Pflegepolicen und die drohende Vorsorgelücke allgemein zu sensibilisieren?
Wie zuvor erläutert, ist die ergänzende Pflegeversicherung fester Bestandteil in der Vorsorgeanalyse, die wir mit unseren Kunden durchführen – und wird regelmäßig in Kampagnen aufgegriffen. Insofern leisten wir unseren Beitrag, die Bevölkerung entsprechend zu sensibilisieren.
Ob Pflegetagegeld oder Pflegerente: Wie hoch sollte eine Mindestabsicherung aus Ihrer Sicht ausfallen? Gibt es hier eine Faustregel oder lässt sich das nicht so pauschal sagen?
Eine pauschale Aussage ist hier unseres Erachtens nicht möglich. Der Bedarf ist individuell bei jedem Menschen unterschiedlich und muss unter Berücksichtigung vieler Faktoren (gesetzliche und private Renten- oder Lebensversicherungen, betriebliche Versorgung, Ersparnisse, familiäre Situation, Priorisierung auf ambulante, teilstationäre oder stationäre Versorgung) individuell ermittelt werden.
Pflegezusatz-Policen gelten als vergleichsweise komplex. Bieten Sie ihre Verträge auch per Direktvertrieb an? Wenn ja/nein: bitte begründen.
Nein. Aus den oben genannten Gründen (Bedarfsanalyse, kein Standardangebot, komplexer Bedarfssachverhalt/Produkt) ist eine individuelle Beratung unseres Erachtens unbedingt erforderlich. Deshalb schließen wir auch die Möglichkeit aus, ein solches Produkt „online“ abzuschließen.
Wenn es um das Pflegerisiko geht, argumentieren wir gern mit den stationären Pflegeheimkosten. Fakt ist: Die überwiegende Mehrheit der Pflegebedürftigen wird in den eigenen vier Wänden betreut. Worauf gilt es bei Pflegezusatz-Policen mit Blick auf pflegende Angehörige zu achten?
Die Leistungen von Pflegezusatz-Policen sollten grundsätzlich flexibel und vor allem nicht zweckgebunden, also ohne Vorlage von Kostennachweisen, erfolgen. Der pflegende Angehörige sollte über die zusätzliche Leistung auch, je nach vorliegender persönlicher Situation, selber entscheiden, wofür er diese in der Pflege einsetzt.
Seit Inkrafttreten der Pflegestärkungsgesetze sind die Pflegekosten für Angehörige nahezu explodiert. Die durchschnittliche Last der Bundesbürger stieg von 1.772 Euro im Januar 2018 auf 1.830 Euro monatlich zum Jahresanfang 2019, wenn Betroffene vollstationär betreut werden müssen. Erwarten Sie einen weiteren Anstieg der Pflegekosten — oder was könnte diese senken?
In der vollstationären Pflege erwarten wir jedes Jahr eine Erhöhung des Eigenanteils für den Betroffenen. Hintergrund hierzu ist die jährliche Kostenerhöhung für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten durch die Pflegeheime.
Die Art, Höhe und Laufzeit der einzelnen Pflegesätze werden zwischen dem Träger des Pflegeheimes und den Leistungsträgern (z. B. Pflegekassen, Sozialversicherungsträger, Träger der Sozialhilfen, Arbeitsgemeinschaften usw.) vereinbart. Ob bei den Verhandlungen für die Vergütungsvereinbarung die Möglichkeit einer Kostensenkung – bei jährlich steigenden Kosten für die Träger der Pflegeheime – besteht, können wir leider nicht beantworten, da wir an diesen Verhandlungen als privates Versicherungsunternehmen nicht teilnehmen können.
Deutschland läuft auf einen Pflegenotstand zu, laut dem Pflegewissenschaftler Michael Simon fehlen schon über 100.000 Pflegekräfte. Zugleich klagen die Kliniken und Pflegedienstleister über steigenden Kostendruck, der es ihnen nicht erlaube, neues Fachpersonal einzustellen — auch von Seiten der Krankenversicherer. Ein Widerspruch? Was kann und muss getan werden, um den viel beschworenen PflegeGAU zu verhindern?
Zunächst einmal muss man betonen, dass die Menschen in Deutschland – auch dank unseres dualen Gesundheitssystems von PKV und GKV, das unbestreitbar zu einem der besten auf der Welt zählt – immer älter werden. Damit kommen natürlich auch erhebliche Mehrkosten auf die Pflegeversicherung zu, denn mit der steigenden Anzahl der Älteren steigt auch die Anzahl der Pflegebedürftigen. Gleichzeitig gibt es immer weniger junge Menschen, die die steigenden Kosten tragen können. Diese Kosten müssen aber finanziert werden. Wie dringend der Handlungsbedarf in der Pflegeversicherung ist, zeigen allein die in den vergangenen Jahren umgesetzten Pflegestärkungsgesetze oder das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, das unter anderem ein Sofortprogramm zur Stärkung der pflegerischen Versorgung in stationären Pflegeeinrichtungen vorgesehen hat.
Eine Ausweitung der bestehenden Umlagefinanzierung, wie es die Vertreter einiger Parteien vorschlagen – ganz gleich, ob dies als Deckelung der Eigenanteile, durch höhere Steuerzuschüsse oder in Form einer „Pflege-Bürgerversicherung“ der Fall wäre –, trägt unseres Erachtens jedoch nicht zu einer Lösung des Problems bei. Nur durch eine Ausweitung des Kapitaldeckungsverfahrens werden die Beiträge der Versicherten in jüngeren Jahren verzinslich angelegt und im Alter wieder aufgelöst. Diesem Prinzip folgend, war die Einführung der geförderten Pflegezusatzversicherung bereits ein Schritt in die richtige Richtung. Denn auf diese Weise sorgt letztlich jede Generation für sich selbst vor und verlagert das Problem nicht auf zukünftige Generationen.
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Die Fragen stellte Mirko Wenig
- Nische Private Pflegeversicherung: „Der Gesetzgeber könnte über eine höhere Förderung nachdenken!“
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