Bei zwölf privaten Krankenversicherern ist Beitragsstabilität fraglich
Bei welchen privaten Krankenversicherern sind in den kommenden Jahren am ehesten Beitragssprünge zu erwarten? Eine Antwort darauf will Analyst Carsten Zielke geben. Er hat mit seinem Team 39 Anbieter danach ausgewertet, wie sie finanziell aufgestellt sind. Zwölf Anbieter zeigen schwache Ergebnisse: Bei einigen könnten die Prämien zweistellig steigen.
- Bei zwölf privaten Krankenversicherern ist Beitragsstabilität fraglich
- Die beitragsstabilsten und schwächsten Versicherer
Hohe Beitragssprünge in der privaten Krankenvollversicherung verunsichern und verärgern die Betroffenen: Auch wenn der PKV-Verband als Lobby der Versicherer behauptet, dass im Schnitt der Branche die Prämien weniger stark angehoben würden als bei den gesetzlichen Kassen. Je solider ein Versicherer finanziell dasteht, desto eher kann er auch die Beiträge stabil halten. So argumentiert der renommierte Mathematiker Carsten Zielke von der Zielke Research GmbH. Und hat sich angeschaut, wie gut die privaten Wettbewerber aktuell aufgestellt sind.
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"SFCR-Auswertung Deutsche Krankenversicherer 2018: Die Luft wird dünner", betitelt das Analysehaus seine Studie. Und verweist bereits mit dieser Headline darauf, dass auch die Versicherer unter den niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt leiden. Zwar nicht in dem Maße wie die Lebensversicherer, da sie Einbußen bei der Geldanlage über Prämienerhöhungen an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben können. Dennoch müssen auch die PKVen bereits Tafelsilber verscherbeln und stille Reserven auflösen (siehe unten). Über die Studie berichtete zuerst das Versicherungsjournal. Carsten Zielke hat die Ergebnisse für jeden einzelnen Versicherer detailliert auf der Webseite check-deine-versicherung.de veröffentlicht, auch an Versicherte adressiert.
Branche zeigt sich gespalten
Konkret hat Zielke die Solvenzberichte (SFCR) der Versicherer ausgewertet und eine Prognose anhand der Zahlen gegeben, wie wahrscheinlich die Versicherer ihre Prämien stabil halten können. Stark vereinfacht drücken diese Berichte aus, ob die Versicherer genügend Eigenmittel haben, um die Ansprüche ihrer Kundinnen und Kunden auch langfristig erfüllen zu können. Darüber hinaus rechneten die Tester weitere Kennzahlen ein: unter anderem, welchen Gewinn ein Versicherer erwartet, ob er die eingesammelten Beiträge divers anlegt und so Risiken am Kapitalmarkt streut und wie sich das Verhältnis künftiger Gewinne zu Eigenmitteln gestaltet.
Als Maßstab für den Prämienanstieg zog Zielke die sogenannte medizinische Inflation heran. Denn auch im Gesundheitssektor sind steigende Kosten bis zu einem gewissen Grad normal. Ursache hierfür sind unter anderem anwachsende Medikamenten-Preise, die alternde Gesellschaft sowie Gesundheitsreformen, die auch für Versicherer Mehrkosten mit sich bringen. Seit dem Jahr 200 liegt die medizinische Inflation zwischen vier und fünf Prozent per annum.
Das Ergebnis: Die Branche zeigt sich gespalten. 14 Krankenversicherer stehen aktuell sehr gut da und werden sehr wahrscheinlich ihre Prämien stabil halten können. Weitere 12 Anbieter werden ihre Beiträge laut Prognose im Rahmen der medizinischen Inflation anpassen. Bei ebenfalls weiteren 12 Gesellschaften heißt es jedoch: Prämienstabilität fraglich. Sie werden sehr wahrscheinlich ihre Tarife mittelfristig derart verteuern müssen, dass sie über der medizinischen Inflation liegen. Im Zweifel bedeutet das sogar ein zweistelliges Beitragsplus.
Es geht schon ans Tafelsilber
“Nur 14 von 39 Versicherern zeigen Kennzahlen, die auf stabile Prämien hindeuten“, schreibt Zielke im Pressetext zur Studie. Zudem stellt er fest, dass in Zeiten niedriger Zinsen die Branche im Schnitt weniger gut finanziell ausgestattet ist. Die reine Solvenz-Quote (ohne Übergangsmaßnahmen) sank demnach im Schnitt aller Anbieter um 15 Prozentpunkte von 546 Prozent auf 531 Prozent.
Die Versicherer müssen ihre Solvenzquote dauerhaft über 100 Prozent halten, sonst greift die Finanzaufsicht BaFin ein und kann Maßnahmen fordern, um die finanzielle Stabilität zu verbessern: Noch dürfen sie dabei mit Übergangshilfen rechnen.
Auch müssen die Versicherer immer mehr Tafelsilber verscherbeln. Die Ausgleichsrücklage schwindet: stark vereinfacht bedeutet das, dass das Verhältnis der Vermögenswerte des Versicherers zu den Verbindlichkeiten schwindet. So gebe es weniger stille Reserven in den Geldanlagen: „Das führt zu einem steigenden Risiko auf dem Markt. Die Diversifikation nimmt ab“, schreibt Zielke.
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Ein Blick auf den Marktführer Debeka, mit knapp 2.4 Millionen Vollversicherten der Platzhirsch der Branche. Sie wird von den Analysten in die mittlere Gruppe "neutral" eingeordnet, also mit einer Prämienentwicklung analog zur medizinischen Inflation. "Die Debeka zeigt eine angemessene Solvenz, die aber stärker zur Assetdiversifikation genutzt werden könnte. Der Überschussfonds ist auf niedrigen Niveau angestiegen, der erwartete Gewinn scheint fair für den Versicherungsnehmer", schreiben die Analysten auf ihrer Webseite. Die reine Solvenzquote des Versicherers beträgt 453 Prozent (Vorjahr: 367).
Die beitragsstabilsten und schwächsten Versicherer
Die höchste Solvenzquote haben eher kleinere Anbieter. Die Freie Arzt und Medizinkasse kommt auf eine bereinigte Solvenzquote von 989 Prozent: steht aber auch nur medizinischen Berufen offen. Die Landeskrankenhilfe, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit mit gerade einmal 182.266 Vollversicherten zum Jahresende 2018, landet auf Rang zwei mit einer Solvenzquote von 937 Prozent (Vorjahr 740).
Auf Rang drei platziert sich die Universa mit 834 Prozent bereinigter Solvenz (Vorjahr 855). Weil die Nürnberger aber leichte Abflüsse aus dem Überschussfonds zu beklagen hatten, zählt sie Zielke nicht zu den Beitragsstabilsten: stattdessen prognostiziert er eine Beitragsentwicklung analog der medizinisichen Inflation. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass die Beitragsstabilität nicht allein anhand der Solvenzquote errechnet wurde, sondern weitere Kriterien wie Geldanlage-Politik, Marktrisiko, Überschüsse etc. ebenfalls eine Rolle spielen.
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Auffallend ist jedoch: Tatsächlich finden sich unter den vermeintlich beitragsstabilen Versicherern einige Anbieter, die in den letzten Jahren die Prämien stark angehoben haben: zumindest in einzelnen PKV-Tarifen. Hier sei darauf verwiesen, dass die Finanzkraft eines Versicherers nicht der einzige Maßstab für Prämienanpassungen ist, sondern zum Beispiel auch, wie sich die jeweiligen Tarife zusammensetzen und die Gesundheitskosten darin entwickeln. An der Transparenz der Tarifkalkulation wurde wiederholt Kritik laut (der Versicherungsbote berichtete).
Die Beitragsstabilsten: Für folgende 14 Gesellschaften schätzt Zielke die Chance auf stabile Beiträge auf mehr als 50 Prozent ein (in alphabetischer Reihenfolge)
- Allianz private Krankenversicherungs-AG,
- Axa Krankenversicherung AG,
- Barmenia Krankenversicherung a.G.,
- Central Krankenversicherung AG,
- DEVK Krankenversicherungs-AG,
- Envivas Krankenversicherung AG,
- Ergo Direkt Krankenversicherung AG,
- Hansemerkur Krankenversicherung AG,
- Landeskrankenhilfe V.V.a.G.,
- LVM Krankenversicherungs-AG,
- Pax-Familienfürsorge Krankenversicherung AG im Raum der Kirchen,
- Provinzial Krankenversicherung Hannover AG,
- R+V Krankenversicherung AG,
- Württembergische Krankenversicherung AG
Die Krankenversicherer mit voraussichtlich geringer Prämienstabilität (kleiner als 50 Prozent)
Zugleich gibt es aber Krankenversicherer, die sich am unteren Ende des PKV-Feldes wiederfinden: und bei denen die Versicherten laut Prognose fürchten müssen, dass die Prämien in den kommenden Jahren deutlich steigen.
Ein Problem ist laut Zielke, dass die PKV-Anbieter immer noch einen Großteil der eingesammelten Prämien in festverzinsliche Anlagen investieren müssen: 86,4 Prozent der Kapitalanlagen steckten 2018 durchschnittlich in Festverzinslichen, wobei 25,2 Prozent auf Staatsanleihen entfielen.
Diese Anlagen werfen im Niedrigzins kaum noch was ab und sind folglich nicht geeignet, genügend Überschüsse zu erwirtschaften, um die steigenden Gesundheitskosten aufzufangen. Den Versicherern bleibt dann fast keine andere Option, als die Schwächen bei der Kapitalanlage an die Kunden weiterzugeben: eben über steigende Prämien.
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Wahrscheinlichkeit geringer Prämienstabilität:
- Alte Oldenburger Krankenversicherung von 1927 V.V.a.G.
- Alte Oldenburger Krankenversicherung AG,
- Arag Krankenversicherung AG,
- Gothaer Krankenversicherung AG,
- Hallesche Krankenversicherung a.G.,
- Hansemerkur Speziale Krankenversicherung AG,
- Huk-Coburg Krankenversicherungs-AG,
- Liga Krankenversicherung katholischer Priester V.V.a.G.,
- Mecklenburgische Krankenversicherungs-AG,
- Münchener Verein Krankenversicherung a.G.,
- Signal Iduna Krankenversicherung a.G.,
- Süddeutsche Krankenversicherung a.G.
12 weitere Versicherer, die hier nicht aufgelistet sind, werden mit "Beitragsstabilität neutral" bzw. "analog zur medizinischen Inflation" im Mittelfeld verortet. Für den noch recht jungen Digitalversicherer Ottonova wurde keine Prognose abgegeben.
- Bei zwölf privaten Krankenversicherern ist Beitragsstabilität fraglich
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