Krankenkassen erwarten Mehrausgaben und steigende Zusatzbeiträge
Die gesetzlichen Krankenkassen stellen sich auf wirtschaftlich schwierige Zeiten ein: Und rechnen mit roten Zahlen. Das könnten auch die Beitragszahler bald zu spüren gekommen. Ursache sind neben Teuerungen im Gesundheitssystem auch Reformen der Bundesregierung.
Vorstände und Vorständinnen der gesetzlichen Krankenkassen stellen sich auf eine schwierige Finanzlage in den kommenden Jahren ein. Das berichtet am Montag die Presseagentur dpa-AFX. Demnach warnt Jens Baas, Chef des Marktführers Techniker Krankenkasse (TK), dass die Ausgaben für die Versorgung aktuell mit mehr als fünf Prozent ansteigen.
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Zwar habe die gute Konjunktur und steigende Sozialeinnahmen dazu beigetragen, dass die Kassen noch hohe Rücklagen haben, berichtet Baas. Doch diese Rücklagen drohen nun zu schrumpfen: auch dank steigender Ausgaben, die sich bereits im laufenden Jahr abzeichneten.
Aktuelle Zahlen belegen Mehrausgaben
Dass die Kassen mit Mehrausgaben konfrontiert sind, zeigen am Montag veröffentlichte Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums (BGH). Die Finanzreserven der Kassen beliefen sich demnach Ende September auf rund 20,6 Milliarden Euro. Doch in den ersten neun Monaten 2019 stiegen nach ersten Schätzungen auch die Leistungsausgaben der Krankenkassen um 5,4 Prozent, die Verwaltungskosten um 0,5 Prozent. Ausgaben von 187,9 Milliarden Euro standen demnach Einnahmen von 187,2 Milliarden Euro gegenüber.
Dieser Trend dürfte sich künftig verschärfen: und dann im Jahr 2021 richtig durchschlagen. Soll heißen, die Kassenversicherten müssen sich auf steigende Zusatzbeiträge einstellen, wie nun auch Jens Baas zu bedenken gibt:
Die hohen Rücklagen können zwar im kommenden Jahr noch die Mehrkosten teilweise abpuffern, sagt der Techniker-Chef gegenüber dpa-AFX. "Wenn die steigenden Ausgaben, getrieben auch durch eine Reihe gesetzgeberischer Maßnahmen und eine eventuell schwächere Konjunktur, diese Rücklagen aufbrauchen, wird sich die Kostenentwicklung auf die Beitragssätze auswirken“, so Baas.
Ähnlich argumentiert Doris Pfeiffer, Chefin des GKV-Spitzenverbandes. Die „hohe Ausgabendynamik“ der Krankenversicherung habe sich nochmals deutlich verstärkt, warnt Pfeiffer angesichts der aktuellen Zahlen.
Gesetzesreformen kosten Geld
Vor allem drei Gesetzesreformen bewirken höhere Ausgaben der Krankenkassen. Erstens führten die Pflegestärkungsgesetze zu Mehrausgaben, da die Pflege verbessert werden soll und Pflegebedürftige nun höhere Ansprüche haben: diese Mehrausgaben werden teils durch einen höheren Pflegebeitrag aufgefangen.
Zweitens hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Kassen gesetzlich verpflichtet, Rücklagen abzubauen. Demnach sollen Kassen ab 2020 maximal eine Monatsausgabe als Rücklage beiseite legen. Einige Anbieter haben aber in den letzten Jahren Reserven deutlich darüber hinaus gebildet. Spahn warf diesen Kassen vor, das Geld der Versicherten zu horten, statt die Beitragszahler zu entlasten.
Auch zum Abschmelzen der Reserven haben die Krankenkassen in den ersten drei Quartalen 2019 deutlich mehr Geld ausgegeben als im Jahr zuvor. Mit 741 Millionen Euro überstiegen die Ausgaben die Einnahmen aus dem Gesundheitsfonds, berichtet das Bundesgesundheitsministerium. Folglich sanken die Reserven auf 20,6 Milliarden Euro. „Dies entspricht im Durchschnitt noch immer knapp einer Monatsausgabe und damit etwa dem Vierfachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve“, argumentiert das BMG gegen den Vorwurf, die Kassen dürften keine dringend benötigten Gelder mehr ansparen.
Reform Numero drei: Betriebsrentner werden ab Januar 2020 bei den Krankenkassen-Beiträgen durch einen Freibetrag entlastet. Wer weniger als 159,25 Euro erhält, der muss künftig keine Krankenkassen-Beiträge mehr zahlen, die anderen Betriebsrentner nur noch auf den Anteil der Rente, der darüber hinaus geht. So gehen den Kassen pro Jahr geschätzt 1,2 Milliarden Euro verloren (der Versicherungsbote berichtete).
Hinzu gesellen sich steigende Gesundheitsausgaben infolge einer alternden Gesellschaft und hohe Preise speziell für neue Medikamente, deren Kosten in Deutschland - anders als in den meisten anderen europäischen Ländern - im Einführungsjahr nicht gedeckelt sind (der Versicherungsbote berichtete).
Schätzerkreis erwartet Mehrausgaben
Für manche Versicherte könnte aber schon im neuen Jahr der Zusatzbeitrag steigen. Der amtlich berechnete "durchschnittliche Zusatzbeitragssatz" für 2020 wird um 0,2 Punkte auf 1,1 Prozent angehoben. Verbindlich ist dieser Wert nicht, zeigt aber eine Tendenz auf, wohin es in den nächsten Monaten gehen könnte.
Errechnet wird der durchschnittliche Betrag von einem Schätzerkreis: besetzt ist er von Vertretern des Ministeriums, des Bundesversicherungsamtes und des Spitzenverbands der gesetzlichen Kassen (GKV). Die Experten erwarten im kommenden Jahr Einnahmen aus dem Gesundheitsfonds in Höhe von 240,2 Milliarden Euro. Zugleich werden Ausgaben der GKV von rund 256,8 Milliarden Euro prognostiziert.
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Hierbei gilt es zu bedenken, dass sich die Finanzausstattung der Kassen sehr unterschiedlich gestaltet: auch aufgrund von Wettbewerbsverzerrungen durch den Risikostrukturausgleich (RSA). So konnten speziell die Ortskrankenkassen (AOKen) hohe Rücklagen aufbauen, während zugleich Betriebs- und Innungskrankenkassen in den letzten Jahren oft in den roten Zahlen steckten.