Sollten sich Makler tatenlos dem Schicksal ergeben?
Viel zu lange hat sich die Versicherungsbranche an den Vorteil der „persönlichen Beziehung“ in der Beratung geklammert. Jedoch reiche die „persönliche Schiene“ allein eben nicht mehr. "Ein Makler hat heute eine große Auswahl an digitalen Helfern, die ihn in Administration und Service, aber auch beim Kundenkontakt unterstützen.", sagt Stephen Voss. Warum vor allem ältere Vermittler die Digitalisierung ihres Unternehmens nicht verschlafen sollten, erklärt der Vorstand des digitalen Versicherers Neodigital in einem Kommentar für den Versicherungsboten.
- Sollten sich Makler tatenlos dem Schicksal ergeben?
- Was bedeutet das für Vermittler?
Unaufhaltsam schreitet die Digitalisierung voran, überall und vehement. Unsere Gesellschaft verändert sich mit großen Schritten und es ist nicht vermessen zu behaupten, dass der Einschnitt mindestens so groß sein wird wie zu Zeiten der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Auch die Millenials werden erwachsen oder sind es sogar schon. Und die nächste Generation, die mit dem Smartphone aufwächst und weder Kassette noch CD kennengelernt hat, steht als Kundschaft in den Startlöchern. Bei aller, mitunter berechtigten, Nostalgie, ist man also gut beraten, die Fakten zu akzeptieren und sie nicht wegzudiskutieren.
Anzeige
Es geht schließlich um eine Entwicklung, die auch nicht vor der Versicherungsbranche und schon gar nicht vor dem „Interface“ zum Kunden haltmacht. Deswegen betrifft sie auch den Vermittler, der vielerorts die Kundenschnittstelle als eine Art „analoges“ Bindeglied besetzt. Und wir wollen, dass das auch im digitalen Zeitalter so bleibt. Schnittstelle oder „Face to the Customer“ ist das neue Zauberwort für einen Markt, der viel zu lange viel zu träge der digitalen Transformation der Gesellschaft zugesehen hat. Viel zu lange meinte man, alles und jeden über die „persönliche Beziehung“ zu erreichen. Das ist auch nicht falsch oder völlig unzeitgemäß, aber die „persönliche Schiene“ allein reicht eben nicht mehr. Und das Fatale daran ist, dass der Kunde heute am längeren Hebel sitzt: er wird nicht warten, sondern sich dem zuwenden, der das optimale Paket liefert. An dieser Stelle, bei dieser Entscheidung, ist er dann viel emotionsloser, als man meinen sollte.
Große Portale, Anbieter mit cleveren, endkundenorientierten Apps und neuerdings auch Banking Portale haben das längst erkannt. Sie alle blasen zum Angriff auf die etablierten Versicherer und die stationären Berater. Direkter Zugang zum Kunden, Informationen zu den Zahlungsflüssen und Kontobewegungen sind durch Auswertung von Zahlungsdaten via PSD2-Schnittstelle ohne weiteres möglich. Vermittler sind nun durch die Macht von Big Data am Kern Ihres USP angreifbar: Wissen und Vertrauen.
Und wirft man einen Blick auf die Statistiken der IHK oder auch der großen Interessenverbände der Vermittler an, so wird auch noch etwas anderes augenscheinlich: Mehr als die Hälfte der Vermittler im deutschen Markt sind Mitte 50 und älter. Das bedeutet auch, wenn diese Kolleginnen und Kollegen in Zukunft in Rente gehen, bricht in vielen Fällen das emotionale, über Jahre entstandene, Bindeglied zum Kunden.
Anzeige
Die nächste Frage ist dann natürlich, was dieser machen wird. Sich im Umkreis mühsam einen neuen „analogen“ Vermittler suchen und alles wie bisher machen? Wohl kaum – das wird bei den allerwenigsten der Fall sein.
Was bedeutet das für Vermittler?
Der Kunde fordert schnelle Informationen und Zugriff auf seine Vertragsdaten von überall und zu jeder Zeit. Er will auch schnelle Auskünfte und einen gewissen Grad an Freiheit, seine Versicherungen individuell zu gestalten. Wenn das der neue Vermittler vor Ort nicht bietet oder seine Produktauswahl leistungsseitig wie technisch beschränkt ist, dann wird dieser Kunde das nächste Ziel, neudeutsch Target, für die im präsenter werdenden Online-Alternativen. Und diese müssen in den Kernkompetenzen des Vermittlers, Beratung und Vertrauen, nicht unbedingt schlechter sein.
Die Anfangsjahre des Internets, in denen der Kunde mit der Auswahl seines Versicherungstarifs allein gelassen wurde, sind lange vorbei. Gute Beratung lässt sich auch hier darstellen und wird vielerorts über Telefon, Chat oder sogar Videoberatung angeboten.
Anzeige
Doch was bedeutet das für den Vermittler? Sollte er sich tatenlos seinem Schicksal ergeben? Ganz und gar nicht, es gibt keinen Grund für passive Schicksalsergebenheit. Ein Makler hat heute eine große Auswahl an digitalen Helfern, die ihn in Administration und Service, aber auch beim Kundenkontakt unterstützen. So binden clevere Maklerverwaltungsprogramme die verschiedenen Tarifvergleiche bis hin zu den Abschlusstrecken zu den Versicherern digital ein und verknüpfen die Kundendaten im Hintergrund. Das MVP informiert über Vertragsveränderungen, Schäden und Abläufe und kommuniziert dabei elektronisch zum Beispiel über den Datenstandard der BiPro e.V. im Hintergrund mit dem Versicherer und hält die Vertrags- und Kundenstammdaten immer auf dem aktuellen Stand. Das hilft dann auch in der Beratung. Denn oft werden dabei automatisch die Beratungsprotokolle entlang der an den Kunden gegebenen Informationen erstellt und gleich mit dem Kundenkonto verknüpft. Und mit leistungsstarken Versicherern an Bord kann es auch der einzelne Makler preislich mit den großen Online-Vergleichsportalen aufnehmen. Allerdings mit dem großen Vorteil, den er noch hat: er kennt den Kunden besser. Eine künstliche Intelligenz, ein Algorithmus muss das erst lernen. Man sollte sich hier aber keine Illusionen machen: Diese Systeme lernen schnell.
Wenn sich aber die Vermittler schon digital aufgestellt haben, nimmt das auch einer anderen unausweichlichen Entwicklung den Schrecken: dem Ruhestand. Viel zu oft finden sich Vermittler vor die Situation gestellt, dass sich der mühsam über Jahre hinweg erarbeitete Bestand nicht so finanziell manifestiert hat, wie sie sich es wünschen. Wenn dann ein solcher „frei“ werdender Bestand nicht sauber und digital erfasst wurde, kann die Suche nach einem Nachfolger, der diese Arbeitsleistung auch entsprechend honoriert, zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen werden. Nur wenige Jungmakler werden sich finden, die sich noch für einen unsortierten „Papierbestand“ begeistern können und dafür gutes Geld bezahlen.
Anzeige
Rufen wir uns kurz das Durchschnittsalter im deutschen Markt ins Gedächtnis zurück: 55 Jahre. Wer sich jetzt an dieser Schwelle befindet, ist gut beraten, sich schleunigst um die Digitalisierung seines eigenen Betriebes zu kümmern. Nur dann ist ein nahtloser Übergang des Bestandes gewährleistet. Und der Übernehmende kann durch fundiertes Wissen über den Kunden dort ansetzen, wo sein Vorgänger aufgehört hat: am Vertrauen zum Kunden, der seine Risiken gut sortiert wissen möchte und Beratung sowie Nähe schätzt. Wenn ein Vermittler an dieser Schwelle seinen Bestand nicht digital vorbereitet und schon heute die richtigen Versicherer wählt, die ihn dabei begleiten, läuft er Gefahr, sich um den fairen Wert seiner Lebensleistung zu bringen. Kümmert er sich nicht um die Digitalisierung, findet sich sicher ein anderer, der das „gern“ für ihn übernehmen wird und spätestens, wenn sich der Kunde selbst neu orientiert, ist der Zug abgefahren. Noch hat es der Vermittler selbst in der Hand.
- Sollten sich Makler tatenlos dem Schicksal ergeben?
- Was bedeutet das für Vermittler?