Flypper schwimmt nicht
Er war als erster Insurtech-Versicherer auf dem deutschen Markt angekündigt und erregte großes Interesse bei den Fachmedien: der digitale Sachversicherer Flypper von Gründer Dominik Groenen. Doch obwohl man bereits 2017 den Betrieb aufnehmen wollte, verzögerte sich der Start immer wieder. Nun wurde das Projekt versenkt, bevor es überhaupt starten konnte: Die Geldgeber glaubten nicht an Flypper.
- Flypper schwimmt nicht
- Etablierte Namen - und auffällige Stille
Der digitale Versicherer Flypper ist Geschichte, bevor er überhaupt richtig starten konnte. Das Projekt werde nicht umgesetzt, „da das benötigte Kapital nicht eingeworben werden konnte“, heißt es auf der Webpräsenz des Noch-Nicht-Versicherers. Mit anderen Worten: Das Projekt konnte Investoren nicht ausreichend überzeugen.
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Viel Hype und große Erwartungen
Das Scheitern des Projektes verwundert zumindest mit Blick auf den anfänglichen Hype um Flypper. Als Gründer Dominik Groenen seine Pläne eines eigenen Digitalversicherers im November 2016 erstmals vorstellte - auch in einem Interview mit dem Versicherungsboten -, war das Echo in der Branche groß. Durchaus wurden ihm Chancen eingeräumt, einen modernen Sachversicherer für eine junge Zielgruppe zu etablieren — Digital Natives, die vermeintlich lieber das Smartphone oder teure Mode als die eigene Berufsunfähigkeit absichern.
Groenen, bekannt für seine Vorliebe für extravagante Schirmmützen, konnte viele Vorschusslorbeeren einheimsen: mehrere Start-ups hatte er zuvor erfolgreich auf die Reise geschickt. Auf Groenens Webseite heißt es, dass er „erfolgreicher Gründer von mehr als 13 Start-ups“ sei. Unter anderen massUp, ein Nischenversicherer und Finanzdienstleister, der sich mittlerweile schwerpunktmäßig auf White-Label-Lösungen konzentriert.
Groenen verließ massUp, um sich ganz seinem neuen Projekt widmen zu können: das er auf seinen Social-Media-Kanälen und in Expertenrunden fleißig bewarb. Als Versicherungsmakler hatte sich Groenen auch bereits bei der Londoner Versicherungsbörse Lloyds verdingt. Er brachte durchaus Branchenkenntnis mit.
Anspruch: Das Lemonade Deutschlands werden
In den ersten Interviews zur Firmengründung trat Groenen entsprechend selbstbewußt auf. "Think big ist das Stichwort!", sagte er dem Versicherungsboten: und gab als Ziel aus, in den ersten zwei Jahren 125 Millionen Euro von Geldgebern einzusammeln. In einem anderen Interview mit it-fachmagazin.de behauptete er wenige Monate später: „Wir treffen mit Flypper den Nerv der Zeit“. Und weiter: „Flypper startet als komplett neuer Carrier in Europa und ist eine für diesen Markt sinnvolle Weiterentwicklung des Konzepts des Versicherers Lemonade, die gerade in den USA für Wirbel sorgen“, so der junge CEO.
Ähnlich wie Lemonade in den USA wollte Groenen also auch mit seinem Versicherer in Deutschland durchstarten. Zur Erinnerung: Lemonade gilt als echter Game Changer auf dem Markt. Als eines der ersten Insurtechs nutzte man in den USA verstärkt künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, um Kunden passgenaue Policen zu bieten. Ein Selbstläufer ist das freilich auch nicht. Seit knapp vier Jahren in den USA tätig, erwirtschaftete das Unternehmen 2018 rund 57 Millionen US Dollar Umsatzerlöse: etwas mehr als 51 Millionen Euro. Das klingt respektabel, doch noch zählt man zu den Kleinen der Branche.
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Bereits in den Jahren vor Flypper war Dominik Groenen damit beschäftigt, auch seine Person als Marke aufzubauen. Die Versicherungsbranche sei reif, „von mir und meinen Partnern digitalisiert zu werden“, sagte er 2014 in einem Interview mit gruenderszene.de. Und bescheinigte digitalen Konkurrenten wie Check24 und Friendsurance, dass ihr Geschäftsmodell kaum überlebensfähig sei. Das klang vollmundig. Digital-Erfahrung sammelte Groenen im Silicon Valley, wo visionäre Ideen und Selbstüberschätzung oft nur durch Nuancen zu scheiden sind.
Etablierte Namen - und auffällige Stille
Flypper wurden auch deshalb Chancen eingeräumt, weil man weitere Expertise aus der Branche einsammeln konnte. Im Juli 2017 präsentierte das Start-up Peter Loisel als Vorstandschef: Loisel war zuvor im AXA-Konzern, in der Allianz-Gruppe und sieben Jahre im Vorstand der VAV tätig, einer österreichischen Tochter der VHV Gruppe. In der Branche galt er folglich als gut vernetzt.
Auch Herbert Sedlmaier war kein unbekanntes Gesicht, als er zum Jahresbeginn 2018 für die Aufgaben Finanzen und Risikomanagement ins Boot geholt wurde. Der 57jährige Versicherungsmathematiker war zuvor in leitenden Funktionen bei der Allianz SE und als Geschäftsführer bei Towers Watson angestellt — unter anderem. Beide Personalien zeigten, dass man durchaus gewillt war, auf Personal mit langjähriger Branchenerfahrung zu setzen.
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Doch die ursprünglichen Pläne mussten bald korrigiert werden. Anfangs als reiner Digitalversicherer für Sach- und Unfallversicherungen gedacht, hatte Groenen das Geschäftsmodell später korrigiert und auf den hybriden Kunden ausgerichtet — Kunden also, die sowohl online abschließen als auch persönlich beraten werden wollen. „Digital, wenn möglich - persönlich, wenn nötig“, gab er als Motto für Flypper aus.
In den letzten Monaten war es dann auffällig still um Flypper geworden. Es gab bereits Gerüchte über das Scheitern des Digitalversicherers, unter anderem bei der Branchenmesse DKM in Dortmund: auch, weil Groenen auf seinen Social-Media-Kanälen mittlerweile mit branchenfremden Projekten in Erscheinung trat, zum Beispiel einem Tattoo-Netzwerk, Sneaker-Anbieter und mit Schoko-Glückskeksen. Nun ist das Scheitern des Insurtechs offiziell: Flypper wird es nicht geben.
Während Groenen nun mit branchenfremden Projekten ausreichend beschäftigt scheint, zudem als Speaker und Dozent tätig ist, haben Loisel und Sedlmaier schon eine Anschlussverwendung gefunden. Sie sollen Aufgaben beim neuen Sachversicherer Selosc übernehmen, einem gemeinsamen Projekt der Gothaer und der Flypper-Muttergesellschaft Scira, berichtet der Branchendienst "Versicherungsmonitor". Sowohl die BaFin als auch das Kartellamt müssen das Projekt aber noch prüfen, bevor es starten kann.
Viele der "jungen Wilden" müssen aufgeben
Damit folgt Flypper einen regelrechten Trend: dem FinTech- und InsurTech-Sterben, das in den letzten Jahren viel Kapital verschlang. 62 Fintechs verschwanden in 2017 vom deutschen Markt, so eine Studie des Beratungshauses PwC, im Jahr 2018 waren es weitere 74 Fintechs. Und von Anfang Januar 2019 bis zum Mai 2019 mussten 34 deutsche Fintechs aufgeben: ein Trend, der sich laut Studie zunehmend beschleunige (der Versicherungsbote berichtete).
Die Gründe für das Scheitern sind vielfältig. Viele Versicherer können die Dienste und Geschäftsmodelle der InsurTechs mittlerweile im eigenen Haus bereitstellen: zum Teil, indem sie mit den Start-ups Partnerschaften eingehen oder sie ganz kaufen. Aufgrund der Marktmacht der Etablierten können dann wiederum neue Wettbewerber mit ähnlichen Geschäftsmodellen verdrängt werden. Bei Flypper dürfte zudem eine Rolle gespielt haben, dass zunehmend große Insurtechs aus anderen Staaten auch auf dem deutschen Markt aktiv werden. Der US-Konzern Lemonade verkauft seit Juni 2019 hierzulande Versicherungen: Er bringt aus den USA viel Kapital und Erfahrung mit.
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Speziell in Deutschland gibt es darüber hinaus ein Problem mit der Anschlussfinanzierung von Start-Ups, wie der „Insur-Tech-Radar“ aus dem Hause Policen Direkt zeigt. Die neuen Anbieter starten mit viel Tamtam: Ihnen geht aber das Geld aus, wenn es darum geht das weitere Wachstum zu finanzieren. Ursache hierfür sind unter anderem strengere Regulierungsvorgaben in Deutschland als in anderen Staaten, da speziell in der Versicherungsbranche sehr teure Vorgaben der Finanzaufsicht beachtet werden müssen.
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- Etablierte Namen - und auffällige Stille