Die gesetzliche Rente ist sicher...

Axel Börsch-Supan gilt als ausgewiesener Experte der Rentenpolitik. Derzeit ist der Volkswirtschaftler Mitglied jener Renten-Kommission, die für die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung (DRV) ab 2025 Wege aus der demografischen Krise finden soll. Schon zuvor jedoch stellte der Experte sein Wissen der Politik zur Verfügung und leitete zum Beispiel die Rentenreformgruppe der „Rürup-Kommission“ – damit hatte der Wissenschaftler wesentlichen Einfluss auf die Reformen der Agenda 2010. In einem aktuellen Interview mit der Konstanzer Regionalzeitung Südkurier ermutigt der Direktors des Munich Center for the Economics of Aging (MEA) nun zum Vertrauen in die gesetzliche Rente.

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Denn Bezug nehmend auf das bekannte Zitat des ehemaligen Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Norbert Blüm erklärt der Wissenschaftler die umlagefinanzierte gesetzliche Rente für „sicher“. Auch sind Folgen des demografischen Wandels aus Börsch-Supans Sicht keineswegs so dramatisch, wie befürchtet.

Kindergeneration "hat 30 Prozent mehr Rente"

Warum dieser Optimismus? Anders aber als andere Stimmen der Debatte um die gesetzliche Rentenversicherung verweist Börsch-Supan hierbei nicht auf das zukünftige Verhältnis der Renten zu den durchschnittlich gezahlten Löhnen und damit auf das Rentenniveau – von heutigen rund 48 Prozent des durchschnittlichen Lohns sinkt dieser Wert bis 2045 auf 43 Prozent des dann aktuellen Einkommens, rechnete jüngst eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vor (der Versicherungsbote berichtete). Stattdessen setzt Börsch-Supan heutige Renten ins Verhältnis zu zukünftig gezahlten Renten. Demnach hätte die Generation „unserer Kinder“ 30 Prozent mehr Rente als "seine Generation", wie der 64-Jährige ausführt.

... aber wird oft nicht für ein auskömmliches Leben reichen

Dass man dieser Argumentation aber doch mit Unruhe folgt, liegt an einem auffallenden Widerspruch. Denn der Experte wirbt nicht nur für Vertrauen in die gesetzliche Rente. Zugleich erinnert er daran, dass weder der heutige Mindestlohn noch eine Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro (wie derzeit aus Reihen der SPD gefordert) eine auskömmliche Rente sichern. Erst ab etwa 18 Euro Mindestlohn erhielten die Menschen genug für eine auskömmliche Rente im Alter, führt Börsch-Supan aus. Die Einführung eines solchen Mindestlohns jedoch lehnt Börsch-Supan aufgrund zu hoher Lohnkosten für die Unternehmen ab – das Risiko bestünde, dass Unternehmen dann weniger einstellen und stattdessen menschliche Arbeiter durch Maschinen ersetzen.

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Anhebung des Rentenalters ist nicht notwendig

Stattdessen wäre es langfristig wichtig, die kapitalgedeckte Rente als Ergänzung zur gesetzlichen Rente zu stärken. Beim Renteneintrittsalter hingegen sieht Börsch-Supan – anders als sein einstiger Kollege Bert Rürup – derzeit keinen Reformbedarf. So sei nach derzeitigem Stand die zurückliegende Gesetzreform ausreichend, die für alle nach 1963 geborenen Versicherten eine Regelaltersgrenze für eine gesetzliche Rente ohne Abschläge mit 67 Jahren vorsieht. Eine weitere Anhebung des Rentenalters, zum Beispiel auf 70 Lebensjahre, lehnt der Wissenschaftler nach jetzigem Stand ab.

Alternde Gesellschaft und Digitalisierung "passen hervorragend zusammen"

Trotz eines Arguments gegen hohe Lohnkosten, die Maschinen konkurrierten mit der Arbeitskraft des Menschen, ist eine zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt für den Wirtschaftswissenschaftler kein Grund zur sozialpolitischen Panik. Im Gegenteil: Das Zusammentreffen von einer alternden Gesellschaft und Digitalisierung stellt aus Sicht des Experten sogar eine Art glückliche Fügung dar. Würde doch durch den demografischen Wandel ein Mangel an jungen Arbeitskräften entstehen – dieser aber werde abgemildert dadurch, dass Computer und Maschinen die Arbeit zum Teil übernehmen. Das passt aus Sicht des Volkswirtschaftlers „hervorragend zusammen“.

Einige Rechtsanwälte: Durch kluge Algorithmen ersetzbar

Die nicht ausgesprochene Prämisse eines solchen Optimismus freilich besteht in der Annahme, dass Prozesse einer veränderten Arbeitswelt mehr Vorteile als Nachteile für das soziale Miteinander bringen. Denn auch Axel Börsch-Supan gibt zu: Zunächst würden durch zunehmende Digitalisierung Arbeitsplätze wegfallen. Dies betrifft sowohl Industriejobs als auch den Dienstleistungssektor. Jedoch: Neue Jobs und neue Produkte könnten entstehen und den Verlust wettmachen. Allerdings verweigert der Wissenschaftler einen Blick in die Glaskugel: Welche Produkte und Jobs das sind, ließe sich momentan nicht seriös vorhersagen.

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Grundrente: Ein „Monstrum“

Hart ins Gericht jedoch geht Börsch-Supan mit der so genannten Grundrente – auf Details zu dieser neu einzuführenden Leistung aus dem Koalitionsvertrag hatte sich die große Koalition im November des zurückliegenden Jahres geeinigt (der Versicherungsbote berichtete). Diese Rente soll all jene belohnen, die bei geringem Verdienst mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV) eingezahlt haben. Die Grundrente koppelt eine Aufwertung von Entgeltpunkten an Freibeträge, die sowohl für die Grundsicherung als auch für Wohngeld eingeführt werden sollen.

Aus Sicht des Rentenexperten aber hat man damit „ein Monstrum geschaffen“. So wäre das Gesetz „voller Details“, diese wären „noch undurchdacht“. Zwar nennt Börsch-Supan kein konkretes dieser "undurchdachten" Details. Jedoch wurden im Vorfeld bereits mehrere Probleme diskutiert – so verstoßen laut Franz Ruland, dem ehemaligen Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger, die Freibeträge schlicht gegen das Grundgesetz.

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Aus Sicht von Börsch-Supan geht zudem der Plan von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), die Grundrente durch Einführung einer Transaktionssteuer gegenzufinanzieren, nicht auf. Zumal Gelder, die in die Grundrente fließen, für die Bildung fehlen. Bildung ist aber eine der wichtigsten Maßnahmen gegen Altersarmut gemäß dem Experten. Denn zum einen befördert Bildung das Entstehen neuer Jobs und Produkte. Zum anderen garantiert höhere Bildung auch ein höheres Einkommen – ein hohes Bildungsniveau der Bevölkerung beugt demnach automatisch der Altersarmut vor. Die 1,5 bis 2 Milliarden Euro aber, die nach jetzigem Stand in die Grundrente fließen, stehen der Bildung dann nicht mehr zur Verfügung. Das Interview des Südkurier mit dem Rentenexperten ist online verfügbar.

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