Früher waren Geldeinlagen oder war Geld auf Konten lukrativ. Denn Geld brachte Zinsen. Das galt für Einlagen bei der Europäischen Zentralbank (EZB): Wenn Banken und Geldhäuser zwischen dem 06. Oktober 2000 und dem 11. Mai 2001 zum Beispiel Geld bei den Währungshütern bunkerten, profitierten sie von einem Einlagezins in Höhe von 3,75 Prozent. Geld-Haben war aber auch lukrativ für Sparerinnen und Sparer und damit für Einlagen auf privaten Konten: Konstrukte wie Prämien-Sparverträge der Sparkassen belohnten Kunden dafür, lange Geld auf Konten zu halten oder anzusparen (der Versicherungsbote berichtete).

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Negativzinsen schaffen Nachhaltigkeits-Problem

Zinsen sicherten folglich auch die Nachhaltigkeit des Vorsorge-Sparens. Das zeigen nicht nur Zinsen und Prämien für Sparverträge als Möglichkeit des Zins-Sparens. Sondern auch Produkte der Lebensversicherer profitierten von günstigen Bedingungen der Vergangenheit.

Hohe Garantiezinsen galten lange als Haupt-Verkaufsargument für Lebensversicherungsprodukte mit Sparanteil: Zwischen Juli 1994 und Juni 2000 lag der Höchstrechnungszins als Orientierungswert für Kundenbeteiligung zum Beispiel kontinuierlich bei 4,00 Prozent. Fest verzinsliche Wertpapiere und ähnliche sichere Geldanlagen im Deckungsstock der Gesellschaften bedeuteten demnach auch ein gutes Zins-Geschäft für den Versicherungsnehmer. Eine ganze Vorsorge-Landschaft in Deutschland vertraute darauf, durch Zinsen Vorsorgelücken im Alter zu schließen. Damit jedoch ist in Zeiten der Null- und Minuszinsen Schluss.

Denn Sparen fürs Alter wird aktuell durch Negativzinsen bestraft, Vorsorgelücken lassen sich folglich auch nicht mehr durch Zinsen stopfen. Aus diesem Grund sprechen Experten wie der Wirtschaftswissenschaftler Matthias Beenken "von einem großen Problem", das aufgrund niedriger Zinsen "auf uns zurollt“ (der Versicherungsbote berichtete). Das Problem rollt als zunehmende "Negativzinsen-Welle" auf die Gesellschaft zu, könnte man in Ergänzung an die aktuelle biallo-Meldung ergänzen.

Geld-Parken kostete deutsche Banken letztjährig 2,4 Milliarden Euro

Im Zuge der Finanzkrise von 2008 nämlich sollte, gemäß geld-politischer Krisenintervention, Geld investiert und ausgegeben werden, anstatt es zu bunkern. Galt es doch, die Investitionsschwäche zu überwinden und deflationäre Entwicklungen zu stoppen. Aus diesem Grund mussten Banken und Geldhäuser ab dem 11. Juni 2014 erstmals Strafen zahlen für eingelagertes Geld bei der EZB. Seit dem 16. März 2016 lag der der Einlagesatz für gebunkertes Geld sogar bei -0,40 Prozent. Und seit dem 18. September 2019 liegt er bei -0,50 Prozent: Geld bei der EZB anzulegen, wird derzeit also bestraft.

Dass Banken tatsächlich enorme Summen zahlen, um Geld bei der EZB zu parken, zeigt eine aktuelle Meldung des Focus: Demnach kostete es die deutschen Geldhäuser allein von Mitte Dezember 2018 bis Mitte Dezember 2019 insgesamt rund 2,4 Milliarden Euro Zinsen, die einzig anfielen für gebunkertes Geld bei der EZB. Da kann es nicht ausbleiben, dass immer mehr Geldhäuser versuchen, dieses Geld von den Kunden zurückzuholen.

Die aktuelle "Negativzinsen-Welle"

Denn während vor einem halben Jahr lediglich 30 Geldhäuser hohe Einlagen auf privaten Giro- und Tagesgeldkonten mit Negativzinsen bestraften, hat sich der Befund zu Beginn des Jahres 2020 laut Zahlen des Verbraucherportals biallo.de drastisch gewandelt: Mittlerweile berechnen rund 190 Geldhäuser einem Teil ihrer Kunden Strafzinsen. Von diesen Geldhäusern langen 100 bisher bei institutionellen Kunden und Geschäftskunden zu. Jedoch: Knapp 90 dieser Institute haben die Strafzinsen für geparkte Gelder mittlerweile auch auf den Privatkundenbereich ausgedehnt, wie das Biallo-Team berichtet.

Das Verbraucherportal sieht demnach eine wahre „Negativzinsen-Welle“ auf die Verbraucher zurollen: Geld auf Konten zu halten, wird derzeit durch Negativzinsen bestraft. In der Regel betrifft es Tagesgeld- und Girokonten ab einem bestimmten Einlagevolumen, zum Beispiel ab 100.000 Euro. Der geforderte Zinssatz liegt bei den meisten Instituten zwischen 0,40 und 0,50 Prozent pro Jahr, stellen die Experten zudem auf ihrer Webseite heraus.

Negativzinsen: oft versteckt

Im Kontext der eigenen Erhebung kritisiert das Verbraucherportal: Der Negativzins wird oft versteckt. Grundsätzlich würden Banken den Begriff „Negativzins“ gern vermeiden und stattdessen vom so genannten „Verwahrentgelt“ sprechen. Erschwerend kommt allerdings hinzu: Bei auffallend vielen Banken und Sparkassen würde just dieses Verwahrentgelt gar nicht in der sogenannten Entgeltinformation gemäß Zahlungskontengesetz (ZKG) ausgewiesen.

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Eine Schuld sieht das Portal auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Denn das Verwahrentgelt zählt nach jetzigem Stand nicht zur Liste jener Dienste, die gemäß BaFin-Muster zur Erfüllung der Zahlungskonten-Richtlinie (Richtlinie 2014/92/EU) verpflichtend ausgewiesen werden müssen. Warum „die Verwahrung von Einlagen kein maßgeblicher Zahlungskontendienst“ sein soll, lässt sich laut Verbraucherportal hierbei nicht ergründen. Gerade zunehmende Negativzinsen durch immer mehr Geldhäuser und Banken machen eigentlich Transparenz beim Verwahrentgelt zum Gebot der Stunde.

Bundesfinanzministerium zweifelt an Rechtmäßigkeit der Negativzinsen

Freilich: Ob Negativzinsen überhaupt rechtmäßig sind oder ob zumindest die aktuelle Praxis rechtmäßig ist, scheint nach derzeitigem Stand gar nicht geklärt. Das zumindest legt eine Meldung der Passauer Neuen Presse nahe. Demnach sieht das Bundesministerium der Finanzen (BMF) auf Basis der geltenden Gesetzeslage "hohen rechtliche Risiken“, sobald Banken „innerhalb bestehender Verträge“ Negativzinsen von ihren Kunden verlangen.

Dies äußerte einer Sprecherin des Bundesfinanzministeriums, ohne die Hintergründe zu vertiefen. Stattdessen verwies sie auf eine entsprechenden Prüfung des Ministeriums und auf noch ausstehende Ergebnisse. Auch würde die BaFin schon jetzt "über ausreichende aufsichtsrechtliche Instrumente verfügen“, mit denen „etwaige systematische Verstöße gegen diese Rechtslage unterbunden werden könnten“. Konkretes im Kontext dieser Äußerung jedoch wurde ebenfalls nicht bekannt gemacht – nach jetzigem Stand also ist noch nicht bekannt, wodurch sich der Verdacht "systematischer Verstöße" begründen könnte.

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Ob die BaFin ebenfalls Handlungsbedarf sieht, ist nach derzeitigem Wissensstand jedoch fraglich. Denn im September 2019 hatte sich BaFin-Präsident Felix Hufeld auf einem Bankengipfel in Frankfurt noch explizit gegen ein von CSU-Chef Markus Söder gefordertes Verbot von Negativzinsen für Privatkunden ausgesprochen. Die ZDF-Tagesschau zitierte den obersten Finanzaufseher zum Verbot mit den Worten: "Ich würde der Politik nicht empfehlen, dieses Instrument in Erwägung zu ziehen.“

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