Viele Versicherungsmakler arbeiten zu abhängig von Abschlusscourtagen
Was hält das Jahr 2020 für Versicherungsmakler bereit, auf welche Trends und Sparten sollten sie setzen - und wo drohen Risiken für den Berufsstand? Dies erfragte der Versicherungsbote bei mehreren Maklerpools mit einem Fragenkatalog. Den Anfang macht Dr. Sebastian Grabmaier, Vorstandsvorsitzender bei der Jung, DMS & Cie. Group aus Wiesbaden.
- Viele Versicherungsmakler arbeiten zu abhängig von Abschlusscourtagen
- ..."Gesetzliche Rente lediglich Basisabsicherung"
Versicherungsbote: In welchen Sparten/Versicherungsarten erwarten Sie eine besonders positive Entwicklung in diesem Jahr, vielleicht sogar überraschend?
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Sebastian Grabmaier: Das Thema Berufsunfähigkeit ist in der Öffentlichkeit angekommen. Insofern erwarten wir in dieser Sparte eine starke Zunahme der Nachfrage. Ähnlich positiv dürfte sich der Bereich KV-Zusatz, vor allem in den Bereichen ambulant und Zahn, entwickeln. Positiv überraschen angesichts der Zinssituation könnten die Sparten Risiko-LV und Lebensversicherungen gegen Einmalbeitrag.
Wo wird es aus Ihrer Sicht 2020 kriseln? Sehen Sie vielleicht sogar „tote Pferde“, auf die man im Maklervertrieb besser nicht mehr setzen sollte? Der Niedrigzins setzt besonders die Lebensversicherer unter Druck, aber auch Sparten wie die PKV. Hat das Auswirkungen auf Ihr Neugeschäft, so dass Sie zum Beispiel verstärkt auf andere Policen und Produkte setzen wie z.B. das Sach-Komposit-Geschäft?
Als umfassender Dienstleister für den freien Vertrieb setzen wir grundsätzlich auf alle Sparten, also Leben, Kranken und Sach, denn trotz der Niedrigzinsen hat sich ja der Bedarf der Kunden nicht geändert. Allerdings müssen sich die Angebote ändern, hin zu Produktlösungen mit höherem Investmentanteil. Langfristig gibt es keine bessere Anlageform als investmentorientierte Produkte. Aber hier muss aber sicherlich ein Umdenken in den Köpfen vieler Vermittler stattfinden, die heute noch auf Produkte mit hohen Garantieanteilen setzen.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen speziell für Versicherungsmakler 2020? Und wo sehen Sie die Chancen im Maklervertrieb?
Die größten Herausforderungen sehe ich einerseits im regulatorischen Bereich – Stichwort LVRG2, also weitere Einschränkungen beim Vertrieb der Lebensversicherung. Hier wartet die Branche gespannt auf den angepassten Referentenentwurf. Andererseits ist auch das Thema Digitalisierung und damit Technik eine weiterhin große Herausforderung. Aber nicht nur Makler, auch die Versicherungsunternehmen müssen sich verstärkt dem Digitalisierungsthema annehmen.
Als große Chance sehe ich die nach wie vor gute Wirtschaftsentwicklung. In Deutschland herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Das heißt, die Menschen haben ausreichend finanziellen Spielraum, um sich abzusichern und vorzusorgen. Hier dürften vor allem die Absicherung biometrischer Risiken im Vordergrund stehen. Eine weitere Chance für den Vertrieb sehe ich in einer möglichen weiteren Garantiezinssenkung bei den Lebensversicherungen Anfang 2021. Das dürfte – wie immer bei Garantiezinssenkungen – zu einem anziehenden Jahresendgeschäft führen. Zudem könnte die Einführung der Rentenversicherungspflicht für Selbständige hervorragende Absatzchancen, etwa für die Basisrente, bieten.
Auf der DKM 2019 wurde auffallend häufig die zunehmende Abhängigkeit der Versicherungsmakler von großen Pools und der Rückgriff auf standardisierte Vergleichsprogramme diskutiert. Dies könne stark vereinfacht dazu führen, dass man sich eher dem Pool als dem Kunden verpflichtet fühle, von „Pseudomaklern“ ist die Rede. Wie positionieren Sie sich dazu?
Das ist doch Unsinn. Ganz im Gegenteil ermöglicht eine Poolanbindung an einen marktführenden Pool oder eine Plattform den Zugang zur gesamten Produktpalette des Marktes in den Sparten LV, KV und Sach und dazu Investment und Finanzierungen. Uns angebundene Vermittler können aus diesem Produktportfolio völlig frei den passenden Versicherungsschutz für ihre Kunden wählen. Zudem unterstützen die Vergleichsrechner bei der Produktauswahl und ermöglichen zudem einen schlanken, digitalen Vertragsabschluss. Aus unserer Sicht arbeiten die Anbieter von Vergleichsrechnern auf Basis nachvollziehbarer Kriterien und erlauben somit auch einen objektiven Marktvergleich. Für Kunden ist das nachgerade ideal und viel besser als bei einem Durchschnittsmakler, der drei bis zehn Anbindungen an Versicherungsunternehmen unterhält.
Die Nutzung von Vergleichsrechnern ist aber kein Muss, sondern lediglich ein Serviceangebot von uns für unsere Vertriebspartner. Unsere Vermittler können selbstverständlich auch die Angebotsrechner der Versicherer nutzen und sich selbst einen Marktüberblick verschaffen. Darüber hinaus stellen wir unseren angebundenen Vermittlern eigene Produktempfehlungen über sogenannte Masterlisten zur Verfügung, die unabhängig von den Kriterien der Vergleichsrechneranbieter erstellt werden. Eine Abhängigkeit des Maklers sehen wir hier also absolut nicht, zumal eine Anbindung ja grundsätzlich nicht exklusiv ist.
Zu viele Maklerbüros arbeiten am Rand der Existenz: Eine BVK-Studie zeigte jüngst, dass sie im Schnitt weniger verdienen als Vertreter. Der Provisionsdeckel für die Lebensversicherung könnte die Situation noch verschärfen. Was sind aus Ihrer Sicht die Ursachen hierfür?
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Wir beobachten, dass viele Makler noch zu abhängig von Abschlusscourtagen arbeiten. Sie werden daher durch ein mögliches LVRG2 noch weiter unter Druck geraten. Hinzu kommen bereits heute die deutlich verlängerten Stornohaftzeiten in der Lebensversicherung. Im Altersvorsorgebereich sind 96 Monate Haftung bei vielen Gesellschaften mittlerweile Standard. Makler müssen daher höhere Rückstellungen für mögliche Stornos bilden. Unsere Empfehlung an die Maklerschaft ist daher, ihren Produktmix frühzeitig anzupassen und verstärkt auf Produkte mit wiederkehrenden Erlösen zu setzen.
..."Gesetzliche Rente lediglich Basisabsicherung"
Versicherungsbote: In diesem Jahr stellt die Rentenkommission der Bundesregierung ihre Ergebnisse vor, wie die gesetzliche Rente über das Jahr 2025 hinaus reformiert werden soll. Das kann der Versicherungsbranche und Vermittlerschaft nicht egal sein. Welche Hoffnungen und Erwartungen haben Sie, wenn nun die Weichen für die Zukunft der Rente gestellt werden?
Sebastian Grabmaier: Das Wichtigste ist meines Erachtens, dass der Gesetzgeber noch klarer als bisher kommunizieren muss, dass die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr als eine Basisabsicherung sein kann und die Notwendigkeit privater Vorsorge wichtiger denn je ist. Zudem sollte die betriebliche Altersvorsorge – wie in anderen Ländern – weiter gestärkt werden. Das BRSG war hier nur ein erster kleiner Schritt.
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Verfolgt man den Diskurs zur Reform der Rente, schält sich heimlich ein Favorit heraus: ein Staatsfonds nach dem Vorbild Schwedens oder Norwegens als quasi vierte Säule der Altersvorsorge, der auch am Aktienmarkt investieren darf. Er findet parteiübergreifend Fürsprecher, wenn auch mit verschiedenen Modellen. Wie positionieren Sie sich dazu — und müssten Sie sich mehr Sorgen um das Altersvorsorge-Neugeschäft machen?
Die aktuelle Diskussion geht komplett in die falsche Richtung: Der Staat ist doch stets der schlechteste Vermögensverwalter. Die deutsche Rentenversicherung zeigt doch sehr anschaulich, dass Politiker jeder Couleur kaum widerstehen können, sich füllende Kassen für rentenfremde Wahlgeschenke zu verwenden, obwohl der Zuschuss aus Steuereinnahmen weiter steigen muss. Bei der Staatsfonds-Diskussion werden nun schon im Vorfeld unverhohlen verschiedenste Ideen eingebracht, welche politischen und weltanschaulichen Ziele man noch damit verwirklichen will, eine möglichst positive Rendite für die Rentner tritt damit in den Hintergrund. Und ein Staatsfonds aus Öl-Einnahmen ist auch nicht wirklich ein hilfreiches Beispiel, wenn man eben keine Öl-Einnahmen hat.
Nein, ganz im Gegenteil: Private Altersvorsorge ist nach wie vor der richtige Weg, aber kein Produkt, das jeder so einfach aus eigenem Antrieb kauft – das Thema muss vielmehr weiterhin und verstärkt verkauft werden. Und die persönliche Beratung ist hier weder durch innovative Technik noch durch einen neuen Staatsfonds zu ersetzen.
Die Nachwuchsprobleme der Branche sind offensichtlich, der Altersschnitt liegt bei 50 Jahren. Was tun Sie, um 2020 den Nachwuchs zu fördern?
Nachwuchsförderung bedeutet für uns zweierlei: Einerseits gilt es, jüngere Berater und Vermittler dort abzuholen, wo sie sich aufhalten – mit innovativer Technik im Internet. Das machen wir beispielsweise mit unserer digitalen Kundenverwaltungsplattform iCRM oder mit unserem digitalen Versicherungsordner allesmeins. Andererseits bedeutet Nachwuchsförderung für uns auch intensive und kompetente Schulung, um junge Vermittler fit für die Zukunft zu machen – in regulatorischen wie in produktspezifischen Belangen. Wir bieten daher intern viele Online- aber auch Präsenz-Schulungen durch unsere KompetenzCenter sowie durch unsere regionalen Vertriebsleiter und Sales Consultants auch vor Ort an. Zudem haben wir eine Kooperation mit der Akademie für Finanzberatung GOING PUBLIC! Uns angeschlossene Vermittler haben damit zu Vorteilskonditionen Zugriff auf das gesamte Bildungsangebot eines marktführenden Bildungsdienstleisters.
Mehrere Brancheninitiativen wie ZUKUNFT FÜR FINANZBERATUNG e.V. wollen den Ruf des Versicherungsvertriebs aufpäppeln: auch aufgrund mitunter einseitig negativer Presse, die zu Vertrauensverlust beiträgt. Was kann und muss aus Ihrer Sicht getan werden, um das Image der Branche zu verbessern?
Natürlich kann es immer helfen, Imagekampagnen zu starten, um das Bild des freien Versicherungsvertriebs in der Öffentlichkeit zu verbessern. Viel wichtiger ist es meines Erachtens aber, mehr Transparenz zu schaffen und offensiv zu zeigen, welche Leistungen ein Makler als Betreuer und Orientierungsgeber gegenüber seinen Kunden erbringt. Denn am Ende gibt es eben keinen besseren Werbeträger als einen glücklichen Kunden!
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Die Fragen stellte Mirko Wenig
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- ..."Gesetzliche Rente lediglich Basisabsicherung"