Versicherungsmakler müssen sich bewegen!
Was hält das Jahr 2020 für Versicherungsmakler bereit, auf welche Trends und Sparten sollten sie setzen - und wo drohen Risiken für den Berufsstand? Dies erfragte der Versicherungsbote bei mehreren Maklerpools mit einem Fragenkatalog. Heute antwortet Oliver Pradetto, Chef des Lübecker Maklerpools blau direkt.
- Versicherungsmakler müssen sich bewegen!
- Es ist gut, wenn sich Vermittlerzahl natürlich reduziert
Versicherungsbote: Wir wollen auf das Versicherungsjahr 2020 vorausblicken, soweit dies möglich ist. Können Sie kurz einen Ausblick geben, was Ihr Pool in diesem Jahr plant? Sind neue Projekte angedacht — welche?
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Oliver Pradetto: Für 2020 haben wir eine ganze Reihe technischer Neuheiten gelauncht und planen darüber hinaus einiges mehr. Als da wären die aktuelle Einführung von simplr banking, mit welchem wir die Bankdaten des Kunden für die Beratung durch unsere Makler verfügbar machen. Gleichzeitig bescheren wir damit den Kunden mehrere hundert Euro pro Jahr Preis- & Einkaufsvorteile.
Mit Deeplico haben wir einen Lizenzverkaufsrekord auf der Network Convention erzielt. Das neue Softwareangebot aktiviert Bestände und baut diese systematisch und automatisiert aus. Vermutlich werden wir das Werkzeug demnächst sogar mit einer Neukunden-Garantie versehen.
Im Analysebereich haben wir zwei neue Anbieter an unser System angebunden. Mit Insinno und Finanzplaner24 verfügen wir gleich über zwei Anbieter, die die neuen DIN-Normen sicherstellen. Darüber hinaus arbeiten wir an der Integration einer interaktiven Analyse auf Kundenbasis in simplr. In Kürze werden wir wohl Daten- & Dokumentenpflege für jegliche Direktvereinbarungen kostenfrei für einige Versicherer anbieten können. Das dürfte einen relativ interessanten Impact im Markt bedeuten.
In welchen Sparten/Versicherungsarten erwarten Sie eine besonders positive Entwicklung in diesem Jahr, vielleicht sogar überraschend?
Ich glaube im Gewerbebereich werden wir den Markt überraschen. Bisher hat hier die VEMA mit seinen Klauselbögen den Ton angegeben. Unsere Gewerbetochter bi:sure bringt nun eine völlig neue Form von Sidelettern heraus, die die Brillianz der Vema-Klauselbögen meines Erachtens aufgreift und an entscheidenden Stellen ein paar Schippen auflegt. Das ergänzen wir um die Schlagkraft von WIFO. Hier stehen uns Abwicklungskompetenzen und Deckungskonzeptbefugnisse zur Verfügung, mit denen unsere Partner künftig eine herausrragende Position im Bereich der Gewerbeversicherungen belegen.
…und wo wird es aus Ihrer Sicht 2020 kriseln? Sehen Sie vielleicht sogar „tote Pferde“, auf die man im Maklervertrieb besser nicht mehr setzen sollte? Der Niedrigzins setzt besonders die Lebensversicherer unter Druck, aber auch Sparten wie die PKV. Hat das Auswirkungen auf Ihr Neugeschäft, so dass Sie zum Beispiel verstärkt auf andere Policen und Produkte setzen wie z.B. das Sach- Kompositgeschäft?
Die PKV wird seit 20 Jahren totgesagt. Die Lebensversicherung wollte der Verbraucherschutz schon Anfang der 90iger beerdigen. Tatsächlich feiert die LV aktuell Absatzrekorde und weiß eigentlich selbst nicht so genau warum. Bei blau direkt sind wir nicht so sehr auf Produkte fixiert. Ich glaube, entscheidend ist nicht so sehr das Angebot an Bedingungen und Prämien als an Services für die Kunden. Es geht nicht um Produkte, sondern um das, was der Kunde sich wirklich wünscht. So lange Kunden alt oder krank werden, so lange sie Familien und Freunde haben, die sie beschützen wollen, so lange sind unsere Lösungsangebote kein totes Pferd. Wenn ich meine Tochter sichern will, interessiert es mich nicht, ob ich dafür wenig oder viel Zinsen bekomme und alt werde ich auch unabhängig davon, was im Welthandel zwischen China und den USA oder in Italien mit den Banken passiert.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen speziell für Versicherungsmakler 2020? Und wo sehen Sie die Chancen im Maklervertrieb?
In der Digitalisierung sehe ich das große Missverständnis unserer Branche. Fast alle fragen sich nur, welche Bedrohung die Automatisierung für den eigenen Job darstellt. Das halte ich für zweitrangig. Entscheidend ist es, dass die Digitalisierung die mögliche Nähe zum Kunden massiv voran bringt. Fraglich bleibt nur, wer diese Nähe besetzen wird. Das wird der Keyfactor.
Auf der DKM 2020 wurde auffallend häufig die zunehmende Abhängigkeit der Versicherungsmakler von großen Pools und der Rückgriff auf standardisierte Vergleichsprogramme diskutiert. Dies könne stark vereinfacht dazu führen, dass man sich eher dem Pool als dem Kunden verpflichtet fühle, von „Pseudomaklern“ ist die Rede. Wie positionieren Sie sich dazu?
Ich halte die Diskussion für total blödsinnig. Nur weil ein Arzt früher im Schamanen-Kostüm ums Lagerfeuer gehüpft ist, war er ja auch kein besserer Heiler als heute. Heute geht moderne Medizin eines niedergelassenen Arztes gar nicht mehr ohne ein Netzwerk an Spezialisten und Krankenhäusern, mit denen er sich die Heilungsbemühungen um den Patienten teilt. So sehe ich das auch in Bezug auf den Makler und seine Service-Dienstleister. Arbeitsteilung ist Kennzeichen einer modernen, effizienten und leistungsfähigen Dienstleistungsgesellschaft. Und nur weil man einen Pool lieber Verbund nennt und als Genossenschaft organisiert, ist der Makler nicht weniger abhängig.
Erst recht sehe ich das in Bezug auf die Software. Es gibt sicher gute Gründe, die Aktivitäten der FondsFinanz um Softfair herum zu kritisieren, aber zu unterstellen, der Makler verliere irgendwie seine Unabhängigkeit, wenn er das Angebot der Kollegen nutzt, ist absurd. Auch eine FondsFinanz ist doch kein korrupter Komödienstadl. Das ist ein modernes Wirtschaftsunternehmen, das die Souveränität auch konkurrierender Vertriebe und Pools akzeptiert und sich an Verträge hält. Im übrigen agiert Softfair viel zu professionell, um steuernd Einfluss auf die Darstellung von Tarifen zu nehmen. Da muss man bei aller Kritik - und jeder weiß, dass ich da in vorderster Reihe stehe - die Kirche im Dorf lassen. Ich hätte jedenfalls keine Bedenken, in Abhängigkeit zu geraten, wenn ich dort Kunde wäre.
Zu viele Maklerbüros arbeiten am Rand der Existenz: eine BVK-Studie zeigte jüngst, dass sie im Schnitt weniger verdienen als Vertreter. Der Provisionsdeckel für die Lebensversicherung könnte die Situation noch verschärfen. Was sind aus Ihrer Sicht die Ursachen hierfür?
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Durch Regulatorik gehen die Kosten seit Jahren hoch. Umgekehrt führt die zunehmende Transparenz des Marktes und das Niedrigszinsumfeld zu Druck auf die Provisionshöhen. Natürlich hemmt das die Einkommen. Die eigentliche Ursache liegt aber darin begründet, dass das Gros der Makler nie darauf reagiert hat. Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, muss sich die kaufmännische Organisation darauf einstellen. Mit modernen Prozesslandschaften kriegt man seine Kosten schnell in den Griff. Mit digitalen Kundenservices multipliziert man seinen Erfolg aufwandsneutral. Makler jammern aber lieber in Foren über ihren MVP-Hersteller oder träumen davon, das irgendein Verbund die Probleme auf magische Weise für sie löst, ohne dass sie sich bewegen müssten, während sie sich gleichzeitig als Makler-Profis feiern, nur weil sie mal drei Angestellte beschäftigen. Das ist unternehmerisches Versagen in Reinkultur.
Es ist gut, wenn sich Vermittlerzahl natürlich reduziert
Versicherungsbote: In diesem Jahr stellt die Rentenkommission der Bundesregierung ihre Ergebnisse vor, wie die gesetzliche Rente über das Jahr 2025 hinaus reformiert werden soll. Das kann der Versicherungsbranche und Vermittlerschaft nicht egal sein. Welche Hoffnungen/ Erwartungen haben Sie, wenn nun die Weichen für die Zukunft der Rente gestellt werden?
Oliver Pradetto: Ich gehe davon aus, dass die Vorsorgepflicht für Selbständige kommt. Ob das Gefahr oder Chance darstellt, wird sich noch zeigen.
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Verfolgt man den Diskurs zur Reform der Rente, schält sich heimlich ein Favorit heraus: ein Staatsfonds nach dem Vorbild Schwedens oder Norwegens als quasi vierte Säule der Altersvorsorge, der auch am Aktienmarkt investieren darf. Er findet parteiübergreifend Fürsprecher, wenn auch mit verschiedenen Modellen. Wie positionieren Sie sich dazu — und müssten Sie sich mehr Sorgen um das Altersvorsorge-Neugeschäft machen?
Klar. Wenn der Staat unter irgendeinem Vorwand mehr Geld in seine Finger kriegen kann, wird er das gerne tun. Sorge macht mir dabei weniger die Konkurrenz zu unseren freien Anlageangeboten, als die Tatsache, dass der Staat schon bei der großen Finanzkrise bestens seine Anlagekompetenz unter Beweis gestellt hat. Es waren schließlich die Landesbanken, die dort mit öffentlichen Geldern am meisten Federn ließen und vergessen wir nicht: Da in den Aufsichtsräten saßen und sitzen genau diejenigen, die jetzt den Staatsfonds verwalten wollen.
Die Nachwuchsprobleme der Branche sind offensichtlich, der Altersschnitt liegt bei 50 Jahren. Was tun Sie, um 2020 den Nachwuchs zu fördern?
Bei uns liegt der Schnitt neu hinzukommender Vermittler eher bei 40 und das ist für mich entscheidend. Wir haben die Zukunft bereits in unseren Reihen. Insgesamt braucht es keine Verjüngung unter den Beratern. Mit unseren digitalen Angeboten können unsere Partner locker das Zehnfache an Kunden abarbeiten. Es ist also ganz gut, wenn sich die Zahl der Vermittler auch auf natürlichem Weg reduziert. Das erspart soziale Verwerfungen und macht Kunden frei.
Mehrere Brancheninitiativen wie ZUKUNFT FÜR FINANZBERATUNG e.V. wollen den Ruf des Versicherungsvertriebs aufpäppeln: auch aufgrund mitunter einseitig negativer Presse, die zu Vertrauensverlust beiträgt. Was kann und muss aus Ihrer Sicht getan werden, um das Image der Branche zu verbessern?
Der Haupttreiber ist die Art, wie Kunden gewonnen werden. Struktur- & AO-Vertriebe trainieren gezielt, wie der vorherige Berater in Frage gestellt wird, um den Kunden zu gewinnen. Von dort wird das in die Reihen der Makler exportiert. So lange aber jeder Kunde in den Glauben versetzt wird, nur sein aktueller Berater sei akzeptabel, alle anderen zuvor aber Verbrecher, so lange hilft keine Initiative und keine Kampagne. Wenn wir ein besseres Image wollen, müssen wir bessere Services für den Kunden bieten. Die Kunden überzeugen, indem wir ihm mehr Leistung verschaffen, nicht indem wir die bislang erhaltene Leistung schlecht reden.
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Die Fragen stellte Mirko Wenig
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