Was machst du morgens als Erstes, wenn du ins Büro kommst?

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Völlig langweilig: Ich lese eine Reihe branchenspezifischer Pressespiegel und Seiten wie versicherungsjournal.de, um mich auf dem Laufenden zu halten. Bisher kostet ewa ja eher Geld als dass es welches einbringt – und so muss ich im ‚echten‘ Leben natürlich weiter meine Brötchen verdienen – was ich als Freiberufler im Bereich Unternehmenskommunikation tue.

Anbieter von privaten Arbeitslosenversicherungen gab es bereits vor der Jahrtausendwende – diese blieben erfolglos. Was hat euch zur Gründung von ewa bewegt und warum wird euer Geschäftsmodell von Erfolg gekrönt sein?

Wir entwickeln die erste privatwirtschaftliche Alternative zu Hartz-IV. Den ärgerlichen Vergleich zu dieser Arbeitslosenpolice aus den 1990ern werden wir nicht mehr los, seit er zuerst in der Süddeutschen Zeitung stand und dann von einem halben Dutzend anderer Medien abgeschrieben wurde. Der Vergleich ist natürlich völlig unsinnig. Warum hat sich eigentlich noch nie jemand gefragt, was das für eine Zauberpolice gewesen sein soll, mit der man sich 1996 gegen das finanzielle Risiko „Hartz IV“ versichern konnte, das erst 2005 eingeführt wurde? Das Risiko, gegen das wir unsere Kunden absichern, gibt es ja überhaupt erst seit Einführung der sogenannten Hartz-Gesetze, bis dahin war man über die ans Arbeitslosengeld anschließende Arbeitslosenhilfe deutlich besser abgesichert als heute durchs ALG-2. Wenn man mal ein wenig recherchiert, findet man außerdem schnell heraus, dass es diese Beispielpolice der Volksfürsorge zwar nicht mehr gibt, ähnliche Policen aber schon. Ihnen allen ist gemein, dass sie ausschließlich während des ALG-1-Bezugs bezahlen, aber eben nicht darüber hinaus – und somit nicht in dem Zeitraum, in dem die Absicherung viel wichtiger wäre. In ihrem kurzen Zeitfenster füllen sie dann – meist nach einer Karenzzeit – die Lücke zwischen altem Gehalt und Arbeitslosengeld und kosten schnell mal um die 100 Euro monatlich. Wenn Ihr mich fragt, sind diese Policen also völlig zurecht erfolglos.

Was mich aber fast noch mehr ärgert, ist die Grundhaltung, die bei einem solchen Vergleich mitschwingt. Warum sollte eigentlich etwas im Jahr 2020 keinen Sinn machen, nur weil es 1996 nicht funktionierte? Das ist so, als ob man 2010 Apple erklärt hätte, dass ihr iPad keine Chance hat, weil um die Jahrtausendwende kein Mensch das Siemens-Surfpad kaufen wollte. Unser Ansatz, nämlich einen Teil aller Versicherungsfälle durch Prävention proaktiv zu verhindern und dadurch die Police bezahlbar werden zu lassen, wird ja durch die heutigen technischen Möglichkeiten zur Datenanalyse überhaupt erst umsetzbar – und erst durch die seit 2005 nicht mehr ausreichende staatliche Absicherung nötig.

Habt ihr bereits einen Versicherungspartner finden können, mit dem ihr gemeinsam eine ewa-Police auf den Markt bringen werdet? Für wann ist ein Launch geplant?

Wir sprechen bereits mit potenziellen Risikoträgern und sind hier in den letzten Wochen ein gutes Stück weitergekommen. Zum Launch: Ein Angebot wie unseres ist kalkulatorisch durchaus anspruchsvoll, zumal es nicht sehr teuer sein darf, um für den Kunden attraktiv zu sein. Wir haben dahingehend inzwischen einige wertvolle Vorarbeit geleistet – auch dank der Unterstützung durch die FH Dortmund bzw. Prof. Dr. Bornhorn haben wir inzwischen ein mathematisches Grundmodell und eine erste Prämienindikation. Vor allem die Frage, inwieweit ein Jobverlustpräventionsangebot - ja, wir brauchen noch einen besseren Namen dafür - sich prämiensenkend auswirken kann, gestaltet sich schwierig. Ein potenzieller Risikoträger muss hier allerdings auch die Cross-Selling-Chancen sehen, die sich daraus ergeben, dass man ein Produkt im Portfolio hat, das kein anderer anbietet. Und letztlich steckt in der Vermittlung von Weiterbildungsangeboten mittelfristig natürlich immenses Potenzial – ein Feld, das in Deutschland bisher noch kaum besetzt ist – erst recht nicht durch die Assekuranz.

Neben strategischer (Versicherungs-)Partner werden zur Umsetzung einer Gründungsidee häufig auch ausreichend Kapitalgeber benötigt. Wie gestaltet sich die Suche nach entsprechenden Unterstützern? Welche Argumente sind aus eurer Sicht entscheidend, Investoren von einer Beteiligung an ewa zu überzeugen?

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Wir haben bisher nicht nach externen Kapitalgebern gesucht, bis auf ein paar Fördermittel des Landes NRW tragen wir die Kosten selbst. Für uns ist zunächst ein strategischer Versicherungspartner einfach wichtiger. Wir sind realistisch genug, keine eigene BaFin-Lizenz für unser Vorhaben anzustreben, deshalb steht und fällt das Ganze mit dem klaren Commitment eines Risikoträgers, der mutig - und vielleicht auch verrückt - genug ist, etwas wirklich Neues auszuprobieren. Die Investorensuche dürfte sich dann deutlich einfacher gestalten, als es bisher der Fall gewesen wäre. Ansonsten sind wir nicht in der Position, anderen Start-ups hierzu Tipps zu geben. Aus der Entfernung betrachtet scheint es aber verblüffend einfach zu sein, Investorengelder zu akquirieren, indem man erklärt, jetzt mit einer App alles besser zu machen und zum zwanzigsten Mal die Unfall- oder Haftpflichtversicherung neu zu erfinden. Unser Weg ist das nicht. Wir glauben hingegen, dass die Assekuranz tatsächlich gut dazu geeignet sein könnte, den Menschen mit einem Paket aus Prävention und Versicherung dagegen abzusichern, beruflich den Anschluss zu verlieren – und hier bisher ein sehr perspektivenreiches Segment – zumindest aus Kundensicht – völlig ignoriert.

Die Expertise der Jobcenter endet meist direkt an der Stadtgrenze

Mit dem ewa-Grundeinkommen möchtet ihr euren Kunden Zeit einräumen, sich „beruflich umzuorientieren – ohne Druck vom Jobcenter“. Wie wollt ihr das erreichen? Sind die Kunden in der Bezugsphase des ewa-Grundeinkommens nicht weiterhin als arbeitssuchend gemeldet und unterliegen somit den „Spielregeln“ des Jobcenters?

Unser Kunde wird im Versicherungsfall unsere Leistung STATT der des Jobcenters erhalten und wäre somit auch nicht deren Spielregeln unterworfen. Das unterscheidet unser Produkt übrigens nicht von einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Das derzeitige System sieht nicht vor, dass die staatlichen Sozialleistungen in nennenswerter Höhe aufgestockt werden könnten, sodass unsere Leistung tatsächlich die ALG-2-Zahlungen substituieren müsste – so wie es eine BU ja auch tun würde.

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Der Versicherte erkauft sich also im Anschluss an seinen individuellen Arbeitslosengeld-1-Anspruch bis zu zwei weitere Jahre, in denen er seine bisherigen Rücklagen nicht offenlegen geschweige denn abschmelzen muss. Vor allem muss er sich aber nicht den Weisungen des Jobcenters unterwerfen, also regelmäßig vorstellig werden, sich dort bewerben, wo der Sachbearbeiter es sinnvoll findet (der Kunde selbst aber vielleicht nicht) usw. Im Grunde genommen adressieren wir zunächst genau diejenigen, für die genau das eine echte Horrorvorstellung ist: Dass sie – obwohl sie immer gearbeitet haben – nach einem Jahr ALG-1 wie ein Almosenempfänger behandelt werden.

Neben Versicherungsleistungen zählen auch Weiterbildungsmaßnahmen, Bewerbungstrainings etc. zu eurem Leistungsangebot. Werdet ihr für eure Weiterbildungsangebote auf externe Partner zurückgreifen oder plant ihr diese durch eigene Experten bereitzustellen?

Der Plan ist tatsächlich, zunächst bereits vorhandene Angebote an einer Stelle zu bündeln und für den Nutzer transparent und vor allem: vergleichbar und bewertbar zu machen. Quasi ein Airbnb für Weiterbildungsangebote. Wer schon einmal versucht hat, verlässliche Informationen über die Qualität einzelner Anbieter und Angebote zu finden, weiß, wie schwer das ist. Die Expertise der Jobcenter bzw. der ARGE endet meist direkt an der Stadtgrenze, auch wenn es direkt dahinter ein viel passenderes Angebot gäbe, findet man es halt nicht. Eine Plattform, die diese Infos zentral sammelt, Angebote vorschlägt und vermittelt und vor allem: den Nutzern die Möglichkeit zum Austausch und zur Bewertung bietet, gibt’s bisher nicht. Derjenige, der hier ein wirklich nützliches Angebot macht, kann definitiv beim Kunden punkten. Gleichzeitig kennen wir die Situation unseres Kunden gut – und vielleicht sogar besser als er selbst. Unser Datenmodell bewertet ja das individuelle Risiko von Beruf A in Branche B und Region C – und ermöglicht uns so, bessere und passgenauere Vorschläge zu machen, als er sie bisher zum Beispiel von öffentlichen Einrichtungen oder einzelnen Bildungsanbietern erhält.

Angenommen der Staat würde doch ein Bedingungsloses Grundeinkommen einführen: Wäre euer Geschäftsmodell dann hinfällig? Und wenn ja, welchen Plan B gibt es?

Sollte der Staat tatsächlich ein für alle auskömmliches BGE einführen, würde unsere Police natürlich seeehr viel günstiger. Überflüssig würde sie dadurch aber nicht. Unser vorwiegendes Ziel ist ja, dass Beschäftigte den (digitalen) Wandel der Arbeitswelt meistern. Dabei fehlt vielen die nötige Orientierung. Das Problem würde auch durch ein BGE nicht völlig aus der Welt geschafft. Eine garantierte Absicherung würde ja – wenn man den Befürwortern folgt – eben NICHT dafür sorgen, dass niemand mehr arbeiten wollen würde. Unsere geplante Assistance-Dienstleistung hätte somit vielleicht sogar noch mehr Potenzial, wenn auch diejenigen versuchen würden, sich umzuorientieren, die es heute aus Angst vor einem beruflichen Wechsel und den damit verbundenen finanziellen Risiken eher nicht tun.

Und zum Schluss: Wo steht ewa in 5 Jahren?

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Sobald wir ausreichend Hühnerknochen gesammelt haben, werfen wir die gemeinsam mit unserer Lieblingsschamanin in die heilige Ecke ihres Tempels. Dann wissen wir mehr. Im Ernst: 5-Jahres-Prognosen sind – vor allem für Start-ups – völlige Kaffeesatzleserei. Ich fürchte, dass ich dazu nichts Kluges sagen kann.

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