Lebensversicherer bleiben unter Druck
Die deutschen Lebensversicherer haben im Jahr 2019 rund 9,5 Milliarden Euro in die Zinszusatzreserve (ZZR) gesteckt. Trotz veränderter Rechenformel könnte der Bestand bis 2030 auf bis zu 150 Milliarden Euro wachsen.
2011 war die Zinszusatzreserve eingführt worden. Sie sollte als Sicherheitspuffer dienen, damit die Gesellschaften auch in schwierigen Zeiten die vergleichsweise hohen Garantien aus Altverträgen bedienen können. Doch damals galten Zinsen zwischen zwei und drei Prozent als niedrig.
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Wegen der veränderten Marktbedingungen hatte die Versicherungswirtschaft 2018 Alarm geschlagen und auf eine Änderung der Rechenformel für die Zinszusatzreserve gedrängt. Die Bundesregierung erhörte die Rufe der Branche und veränderte die Rechenformel für die ZZR. Diese wird seither per Korridormethode berechnet und soll kurzfristige Schwankungen stärker berücksichtigen. Zudem sollen die Unternehmen künftig wenig in Versuchung geführt werden, ihre Bewertungsreserven aufzulösen. Die neue Formel wurde von der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gestrickt.
Zinszusatzreserve könnte bis auf 150 Milliarden Euro anwachsen
Während im vergangenen Jahr noch von Entspannung die Rede war und die Branche glaubte, die neuen Regeln zeigten Wirkung, kehrt nun wiederum Ernüchterung ein. Im Jahr 2018 waren rund sechs Milliarden Euro in die ZZR geflossen. Ursprünglich sollten jedoch 18 Milliarden Euro in die Spardose gesteckt werden. Auch der Referenzzins sank für 2018 um „nur“12 Basispunkte auf 2,09 Prozent. Nach der alten Berechnungsgrundlage wäre er hingegen um mehr als 30 Basispunkte gefallen.
Für 2019 mussten die Lebensversicherer rund 9,5 Milliarden Euro in die Zinszusatzreserve abführen. Vor Jahresfrist waren Branchenkenner von einem ähnlichen Niveau wie 2018 ausgegangen. Damit hätte die Branche erneut etwa sechs Milliarden Euro zurücklegen müssen. Schuld an der höheren Zuführung ist das Zinsniveau am Kapitalmarkt, dass im Verlauf des vergangenen Jahres neue Tiefpunkte erreichte. Dies schlägt sich eben auch in den ZZR-Anforderungen nieder. So sank der Referenzzins im vergangenen Jahr um 17 Basispunkte auf 1,92 Prozent. Das berichtet die Ratingagentur Assekurata. „Damit befinden sich alle Tarifgenerationen mit einem Garantiezins von 2,25 Prozent und höher in der Nachreservierung“, erläutert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. „Über alle Studienteilnehmer betrifft dies fast 80 Prozent der Bestände, wenngleich es zwischen den Lebensversicherern große strukturelle Unterschiede gibt.“
Garantien sinken weiter
Die Zinszusatzreserve sollte durch die neue Rechenformel eigentlich langsamer und geordneter anwachsen - so der Plan. Inzwischen liege die ZZR-Reserve bei 75 Milliarden Euro. Und: Die Berechnungsgrundlage hat sich anscheinend schon wieder überholt. Denn mit der aktuellen Berechnungsmethode könnte die Zinszusatzreserve in einem Negativ-Szenario bis zum Jahr 2030 auf bis zu 150 Milliarden Euro wachsen. Mit der alten Rechenformel wären es übrigens 200 Milliarden Euro. Im besten Fall würde die ZZR ihren Gipfel bei 100 Milliarden Euro haben und könnte ab 2026 schon wieder abgebaut werden. „Dann hätte die Branche heute bereits drei Viertel der insgesamt erforderlichen ZZR gestemmt, was unter unseren derzeitigen Zinsprognosen allerdings unwahrscheinlich ist.“, meint Heermann.
Wieviel und bis wann jeder einzelne Anbieter noch Reserven aufbauen muss, hänge jedoch nicht nur vom Zinsverlauf, sondern auch von der Bestandszusammensetzung und dem aktuellen Ausfinanzierungsgrad ab. Um die Mittel aufzubringen, müssen viele Unternehmen weiterhin Teile ihrer Bewertungsreserven auflösen. Damit das Tempo aus den Zuführungen genommen wird, könnte bald eine erneute Absenkung des Höchstrechnungszinses anstehen. Dies hatte auch die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) empfohlen. Die Mathematiker würden den Garantiezins auf 0,50 Prozent absenken. Einzelne Branchenteilnehmer erwarteten sogar einen noch niedrigeren Rechnungszins.
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Mittlerweile verzichten viele Unternehmen auf den Garantiezins und selbst die Bruttobeiträge werden in einigen Tarifen nicht mehr vollständig garantiert. Diesen Punkt hatte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zum Jahresbeginn aufgegriffen und bei Riester-Verträgen und der betrieblichen Altersvorsorge in bestimmten Fällen eine Abmilderung der Beitragsgarantie auf 80 Prozent vorgeschlagen. In die gleiche Kerbe schlägt auch Assekurata-Geschäftsführer. Denn Reiner Will erwartet, dass „die Diskussion um Kapitalgarantien im Niedrigzinsumfeld dadurch weiter an Fahrt gewinnen"