Home-Office: Versicherer berichten, dass Mitarbeiter produktiver arbeiten
Aufgrund der Corona-Krise haben viele deutsche Unternehmen ihre Angestellten ins Home-Office versetzt. Auch für die Versicherungsbranche war das eine große Herausforderung. Welche Startschwierigkeiten die Branche dabei hatte und wie die Umstellung von den Mitarbeitern angenommen wurde, erklärt uns Grzegorz Obszański, Manager bei Sollers Consulting.
Versicherungsbote: Viele Versicherer haben den Betrieb aufgrund der aktuellen Lage weitgehend auf Home-Office umgestellt. Ist es überhaupt möglich, eine komplette Gesellschaft von zu Hause arbeiten zu lassen?
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Grzegorz Obszański: Eine komplette Umstellung auf Telearbeit ist auf Dauer nicht möglich, aber man kann bei entsprechender technischer Vorbereitung schon sehr viel leisten. Wir setzen unsere Projektarbeit unter den gegenwärtig sehr schwierigen Bedingungen - fast möchte ich sagen - reibungslos fort, wir beenden Projekte und starten neue. Daran kann man sehen, was heutzutage alles möglich ist. Nach unserer Beobachtung verändert sich die Einstellung in dieser Hinsicht gerade enorm und wir sehen das sehr positiv. Zentral ist dabei die Kommunikation. Viele müssen sich erst noch daran gewöhnen, komplett remote zu kommunizieren. Ein sehr wichtiges Thema ist meiner Meinung nach die Mitarbeitermotivation. Es sind kreative Ideen gefragt, damit sich die Leute nicht allein fühlen und durch die Ausgangsbeschränkungen in ein Motivations-Loch fallen. Das können virtuelle Feierabend-Treffen sein, Kaffeepausen, firmeninterne Fotowettbewerbe und vieles dergleichen mehr. Ich glaube, dadurch wird der Zusammenhalt sogar noch gestärkt.
Welche Hürden müssen für eine Umstellung auf den Betrieb im Home-Office genommen werden?
Ein Versicherer muss seine Mitarbeiter mit den entsprechenden Tools ausstatten. Dazu zählen sowohl Kommunikations-Werkzeuge als auch die Möglichkeit, auf digitale Dokumente von zu Hause aus zuzugreifen. So gut wie alle Versicherer verfügen über eine Infrastruktur für Remote-Arbeit, allerdings war sie bislang nur für ausgewählte Leute ausgelegt. Nicht alle Mitarbeiter waren mit Laptops ausgestattet. Zu Beginn der Umstellung gab es auch Performance-Probleme. Man war nicht gut genug vorbereitet, um gleich ganze Häuser auf Home-Office umzustellen.
Welche Widerstände gibt es im Unternehmen respektive in der Führungsetage?
Ich sehe keine, eher im Gegenteil. Die Führungskräfte haben sich sehr schnell angepasst und auf die neue Situation reagiert. Das Verständnis für die jetzt notwendige andere Art zu arbeiten ist sehr hoch.
Wie sieht der Ablauf aus. Welche Schritte müssen konkret für die Neuausrichtung gemacht werden?
Der erste Schritt besteht darin, die Infrastruktur zu verbessern. Damit macht man den ersten und wichtigsten Fortschritt. Es ist dann zentral, die Koordination und Synchronisation der gemeinsamen Arbeit nicht schleifen zu lassen. Es geht hier um eine kulturelle Veränderung. Für viele Mitarbeiter ist die Umstellung eine ungewohnte Situation. Man muss die Mitarbeiter bei diesem Kulturwandel unterstützen. Weil wir bei Sollers Consulting schon seit langer Zeit remote arbeiten und dies für uns zum Alltag gehört, organisieren wir Workshops bei Versicherern, um ihnen Wege zu zeigen, wie in der jetzigen Zeit weiter effektiv gearbeitet werden kann.
Wie schnell kann der Umstieg erfolgen?
Der Umstieg ist größtenteils schon erfolgt und die Mehrheit der Versicherer arbeitet komplett remote. Wir werden in den nächsten Wochen sehen, ob die Effektivität darunter leidet. Manche Versicherer berichten uns sogar, dass die Leute produktiver arbeiten, weil es weniger Meetings gibt.
Ist das Arbeiten im Home-Office generell ein Zukunftsmodell?
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Ich bin überzeugt, dass Home-Office in Zukunft deutlich mehr verbreitet sein wird als vor der Pandemie. Wir sehen gerade, dass dies funktioniert. Es gibt aber noch einen weiteren Effekt: Die Digitalisierung wird in der Branche durch den Pandemie-Schock enorme Fortschritte machen, das gilt für die gemeinsame Arbeit genauso wie für den Vertrieb. Ich bin überzeugt, dass digitale Verkaufskanäle und Vermittler-Tools immer wichtiger werden. Für Makler und Einfirmenvertreter ist das direkte Kundengespräch zurzeit nicht möglich und es ist offen, wann sich für sie die Lage entspannt. Das bedeutet aber nicht, dass menschliche Beratung überflüssig wird. Man benötigt nur bessere Werkzeuge dafür. Man darf eines nicht vergessen: Wir sind immer noch Menschen. Als soziale Wesen ist menschlicher Kontakt unersetzlich. Von daher glaube ich nicht, dass wir komplett auf Home-Office umstellen werden. Im Gegenteil: Wenn sich die Lage normalisiert hat, wird man den Kontakt zu Kunden und Kollegen wieder viel mehr schätzen.