Das Coronavirus bringt auch viele Probleme für privat Krankenversicherte mit sich. Rund 1,1 Millionen Versicherte sind Selbstständige: Brechen die Einnahmen weg, können sie oft ihren Beitrag nicht mehr zahlen. Dabei wäre es gerade in Pandemie-Zeiten wichtig, gut krankenversichert zu sein.

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Deshalb wird nun darüber diskutiert, wie den Betroffenen geholfen werden kann. Und dabei zeigt sich ein seltener Schulterschluss von Verbraucherschützern und Versicherungsbranche. Sowohl der Bund der Versicherten (BdV) als auch der PKV-Verband als Dachverband der Versicherer fordern, den Standardtarif wieder zu öffnen, der 2009 für neue Privatversicherte geschlossen wurde. Die Bundesregierung hingegen verweist auf den Basistarif - doch dieser hat für die Versicherten viele Nachteile.

Basistarif: erschwerte Rückkehr

Wie das Versicherungsjournal am Freitag berichtet, will die Bundesregierung den Basistarif für die Betroffenen öffnen. Doch dieser ist ein ungeliebtes Stiefkind der Branche. Seit dem 1. Januar 2009 sind die Versicherer gesetzlich verpflichtet, einen Tarif anzubieten, der -unabhängig von Vorerkrankungen und einer Risikoprüfung- allen Versicherten offen steht. Um diese Tarife zu verhindern, zog die Versicherungslobby damals bis vor das Bundesverfassungsgericht.

Im Basistarif müssen die privaten Krankenversicherer ihren Versicherten vergleichbare Leistungen wie die gesetzlichen Krankenkassen gewähren. Wiederholt aber warnten Ärzteverbände und Verbraucherschützer, dass in manchen dieser Tarife Ärztehonorare gezahlt werden, die unter jenen in der gesetzlichen Krankenversicherung liegen. Für die Betroffenen kann das bedeuten, dass sie bei bestimmten Fachärzten nicht behandelt werden.

Ein weiterer Nachteil: Die privaten Krankenversicherer haben von vorn herein Sorge geäußert, dass besonders viele Alte und Kranke den Basistarif wählen, folglich hier die Kosten besonders hoch sind. Das entpuppt sich nun auch für die Betroffenen der Coronakrise als Problem. Denn wer einmal im Basistarif ist, kann nicht ohne Weiteres in seinen alten Tarif zurückkehren. Die Versicherer verlangen eine neue Gesundheitsprüfung, die Leistungsausschlüsse und höhere Prämien bedeuten kann.

Gleichwohl hat der Basistarif auch Vorteile. Bei finanziell Hilfsbedürftigen wird der Beitrag halbiert - oder die Bundesagentur übernimmt gar bis zu 100 Prozent der Kosten, wenn der Betroffene auf Grundsicherung angewiesen ist. Der maximale Beitrag auf den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenkassen gedeckelt, der allerdings nicht gering ausfällt. 2020 liegt er bei knapp 736 Euro.

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Gesetzentwurf der Bundesregierung soll einfachere Rückkehr erlauben

Die Bundesregierung will aber den betroffenen Versicherten eine Rückkehr in den Basistarif ermöglichen, wie der PKV-Verband auf seiner Webseite berichtet. "Geplant ist, dass Versicherte, die nach dem 16. März 2020 wegen Hilfebedürftigkeit in den Basistarif wechseln, mit ihren vormals erworbenen Rechten ohne erneute Gesundheitsprüfung in ihren Ursprungstarif zurückkehren dürfen. Voraussetzung ist, dass sie die Hilfebedürftigkeit innerhalb von drei Jahren überwunden haben und innerhalb von drei Monaten nach deren Ende die Rückkehr beantragen", schreibt der PKV-Verband auf der Webseite.

Politik stellt sich gegen Öffnung des Standardtarifs

Der Basistarif ist aber nicht der einzige Sozialtarif, der in finanzielle Not geratenen Privatpatienten helfen könnte. Und hier kommt der Standardtarif ins Spiel. Dieser ist oft günstiger als der Basistarif - und hat zudem den Vorteil, dass Alterungsrückstellungen gebildet werden, um spätere Prämiensprünge abzufedern. Das ist beim Basistarif nicht der Fall. Auch beim Standardtarif orientiert sich der Leistungskatalog an den gesetzlichen Krankenkassen.

Der Gesetzgeber aber hat den Standardtarif für alle geschlossen, die sich 2009 oder später einem privaten Krankenversicherer angeschlossen haben. Und hier zeigt sich ein seltener Schulterschluss des verbrauchernahen Bund der Versicherten (BdV) mit dem Dachverband der Privatversicherer. Beide appellieren an die Politik, den 1994 eingeführten Standardtarif auch für spätere Jahrgänge wieder zu öffnen.

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"Standardtarif hat sich bewährt!"

Der Standardtarif "hat sich bewährt und bietet eine hervorragende Lösung für Privatversicherte, die ihre Beiträge reduzieren müssen oder möchten", schreibt der PKV-Verband. "Allerdings hat die Politik diesen Tarif für alle Versicherten, die ihre Verträge seit dem 1. Januar 2009 unterzeichnet haben, geschlossen. Der PKV-Verband fordert seit Jahren, dass die Versicherungsunternehmen diese gut funktionierende Möglichkeit wieder für alle Versicherte anbieten dürfen".

Auch der BdV fordert, den sogenannten Standardtarif für PKV-Kundinnen und Kunden mit Versicherungsbeginn nach 2009 zu öffnen und die Altersgrenzen sowie die Vorversicherungszeiten befristet zu lockern. „Der Krankenversicherungsschutz ist der wichtigste Versicherungsschutz – besonders in der Corona-Zeit“, sagt BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. „Es ist höchste Zeit, dass die Große Koalition ihre jahrelange Blockadehaltung aufgibt und das Problem um den PKV-Standardtarif löst.“

Doch auch Versicherer zeigen ein Entgegenkommen, wie das Versicherungsjournal berichtet. So würden beispielsweise die Allianz, HUK-Coburg und R+V gestatten, vorübergehend in einen weniger leistungsfähigen Tarif zu wechseln - um dann später wieder ohne Risikoprüfung zurückkehren zu können. Darüber hinaus sind Beitragsstundungen möglich: Was aber im Zweifel die Schuldenlast der Betroffenen erhöht. Denn diese Beiträge müssen später nachgezahlt werden.

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Notlagentarif: nur Akutversorgung

Nicht zu empfehlen ist in diesen Zeiten der dritte Sozialtarif, den die Privatversicherer anbieten: der sogenannte Notlagentarif. Dieser wurde 2013 eingeführt und soll privat Krankenversicherten helfen, die ihre Beiträge aktuell nicht mehr bedienen und mit Zahlungen im Verzug sind. Das Problem: Die Versicherten haben hier nur Anrecht auf eine Notfallversorgung, etwa bei akuten Schmerzen und Schwangerschaft. Sie zahlen im Gegenzug einen verminderten Beitrag von rund 100 bis 125 Euro im Monat. Versicherte können den Notlagentarif in Anspruch nehmen, wenn sie mit Beitragszahlungen mindestens zwei Monate in Verzug sind.

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