Versicherungsbote: Sie waren in den letzten Tagen einer der Versicherer, der in Medien positiv genannt wurden: weil Sie, anders als viele Wettbewerber, für Betriebsschließungen infolge der Coronakrise aufkommen wollen. Aufgrund welcher Klauseln im Vertrag? Oder kann man das nicht so pauschal sagen, weil der Einzelfall entscheidet?

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Christoph Wetzel: Wir stellen das neuartige Coronavirus den in unseren Bedingungen für die gewerbliche Betriebsschließungsversicherung genannten Krankheiten und Krankheitserregern des Infektionsschutzgesetzes gleich, auch wenn dieses dort nicht namentlich genannt wird. Somit sind behördlich angeordnete Betriebsschließungen aufgrund des neuartigen Coronavirus mitversichert.

Kunden der HDI Versicherung, die den Baustein Betriebsschließung mit Bezug auf das Infektionsschutzgesetz abgeschlossen haben, durften darauf vertrauen, dass auch neuartige Krankheiten und Erreger, die wie in der aktuellen Pandemie zu behördlich angeordneten Betriebsschließungen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes führen, von ihrem Versicherungsschutz erfasst sind. Daher wird die HDI Versicherung, soweit die anderen Voraussetzungen der Bedingungen gegeben sind, Deckungsschutz aus diesem Baustein Betriebsschließung auch für behördliche Schließungsanordnungen gewähren, die anlässlich des neuartigen Coronavirus angeordnet werden.

Zahlen Sie auch für präventive Schließungen, also wenn kein Krankheitsfall im Unternehmen vorliegt? Viele Wettbewerber berufen sich darauf, dass hierfür kein Schutz bestehe.

Sofern eine zuständige Behörde eine Schließung anordnet gilt für das Unternehmen, soweit auch die anderen Voraussetzungen der Bedingungen gegeben sind, Versicherungsschutz aus der Betriebsschließungsversicherung. Krankheitsfälle im Unternehmen (intrinsische Gefahr) sind dafür nicht notwendig.

Welche Unternehmen sind von den Betriebsschließungen nun am stärksten betroffen?

Von den Kunden der HDI Versicherung sind am stärksten kleinere und auch größere Bäckereien, Hotels, Gaststätten und Restaurants betroffen.

Wie hoch schätzen Sie die Kosten für Ihr Haus aufgrund der Betriebsschließungs-Policen und der Coronakrise?

Aktuell lassen sich die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise für die HDI Versicherung nicht verlässlich abschätzen. Die Kosten für HDI sind unter anderem davon abhängig, wie lange die Krise noch andauern wird und auch, wie sich die Krise auf unsere Kunden - private wie gewerbliche - auswirken wird. Hier besteht erhebliches Maß an Unsicherheit.

Können Sie betroffenen Gewerbekunden Tipps geben - was sollten sie bei der Meldung eines Schadens beachten, damit keine Ansprüche verloren gehen?

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Die Versicherungsnehmer sollten die Betriebsschließung umgehend mitteilen, nach Möglichkeit die behördliche Anordnung zur Schließung beilegen und mitteilen, inwieweit ihr Betrieb dadurch beeinträchtigt ist.

...die Coronakrise zeigt uns die Grenzen auf

Versicherungsbote: Die Bayerische Landesregierung hat mit mehreren Versicherern nun einen Kompromiss ausgearbeitet, wonach maximal 15 Prozent der versicherten Summe zu je 30 Tagessätzen gezahlt werden. Viele Versicherer wollen das bundesweit anbieten - im Gegenzug sollen die Gewerbekunden auf rechtliche Schritte verzichten. Wie bewerten Sie einen solchen Kompromiss? Gibt es Policen, bei denen Sie sich ihm anschließen: oder sagen Sie, wir zahlen ja ohnehin für die Schäden unserer Kunden?

Christoph Wetzel: Die HDI Versicherung hat sich zusätzlich der Initiative der bayerischen Landesregierung angeschlossen. In Fällen, in denen HDI-versicherte Hotelbetriebe, die aufgrund der Corona-Krise keine Touristen oder nicht geschäftlich Reisende aufnehmen durften, schließen mussten, ohne dass eine behördliche Anordnung zur Schließung vorliegt, greift nun die entsprechende Regelung. Das heißt auch in diesem Fall, obwohl das Hotel weiter für Geschäftskunden geöffnet sein darf, erhält der Betrieb eine Entschädigung.

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Werden Pandemieschäden künftig ein wichtiger Baustein von Gewerbeversicherungen sein - oder erwarten Sie, dass diese aufgrund der aktuellen Erfahrungen gar nicht mehr versicherbar sein werden?

Pandemien war eigentlich nie Gegenstand einer Deckung bzw. sollten es nie sein. Die Corona-Krise zeigt uns nun Grenzen auf. Seitens des Verbandes und des Bundes und der Länder wird gerade darüber diskutiert, wie eine Pandemiedeckung in Zukunft aussehen könnte.

Daran anknüpfend: Allianz-Chef Oliver Bäte hat einen europäischen Notfonds für Pandemien und schwere Naturkatastrophen angeregt, an dem sich Privatversicherer und öffentliche Hand gemeinsam beteiligen. Wie positionieren Sie sich zu dem Vorschlag?

Wir stehen einem solchen Vorschlag offen gegenüber. Fakt ist, dass kein rein privatwirtschaftliches Modell in der Lage ist, das Risiko einer Pandemie, so wie wir sie jetzt erleben, aufzufangen. Hier muss eine gemeinschaftliche Lösung von Versicherungswirtschaft und Staat entwickelt werden, mit der sich eine solche Aufgabe bewältigen lässt. Wir unterstützen daher die Initiative des GDV, der dazu eine Projektgruppe ins Leben gerufen hat.

Wie stark schätzen Sie im Allgemeinen die Folgen der Coronakrise für Ihr Unternehmen - vielleicht auch mit Blick auf den internationalen Markt?

Hierzu lässt sich aktuell keine verlässliche Aussage treffen. In den vergangenen Wochen hat die Corona-Pandemie in einer Vielzahl von Staaten zu einem Herunterfahren des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens geführt. Derzeit ist die Dauer des globalen Ausnahmezustands unklar, so dass auch die wirtschaftlichen Folgen nicht abschließend einschätzbar sind. Aufgrund der andauernden Corona-Pandemie und der erheblichen Unsicherheit über die weitere Entwicklung des Wirtschafts- und Kapitalmarktumfelds hat der Talanx-Konzern am 21.04. seinen Ausblick für das Geschäftsjahr 2020 zurückgenommen.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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