Deutschlands Aktuare warnen aktuell, dass den Pensionskassen existentielle Probleme drohen. „Viele Pensionskassen brauchen mehr Risikotrag­fähigkeit, um die anhaltende Niedrigzinssituation und die beständige Verlän­gerung der Lebenserwartung bewältigen zu können“, sagt Friedemann Lucius, Vorstandsvorsitzender des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V. (IVS). Das Institut ist bei der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) angesiedelt.

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Der Grund dafür liege im Geschäftsmodell der Pensionskassen. Stark vereinfacht: Gewinne seien eher in Leistungserhöhungen geflossen als in den Aufbau von Eigenmitteln, die Beiträge der Mitglieder sollten möglichst effizient angelegt werden. Vielen Anbietern fehlt schlicht Geld, um die Zusagen der (angehenden) Rentnerinnen und Rentner zu erfüllen.

Keine neuen Probleme

Neu sind die Probleme nicht. Etwa ein Viertel der 135 Pensionskassen befand sich bereits vor der Corona-Krise unter strenger Beobachtung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), wie die Bundesregierung einräumen musste. Drei Anbieter sind bereits derart in Schieflage geraten, dass sie das Neugeschäft einstellen mussten und nur noch abgewickelt werden (der Versicherungsbote berichtete).

Auch Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin), hatte im Interview mit dem Versicherungsboten vor drei Monaten auf drohende Engpässe hingewiesen. „Pensionskassen sind aufgrund ihres Geschäftsmodells – ihre Leistungen bestehen bekanntlich fast ausschließlich aus lebenslang laufenden Rentenzahlungen – noch stärker von der anhaltenden Niedrigzinsphase betroffen als Lebensversicherer. Viele Kassen werden in den kommenden Jahren teils erhebliche Unterstützung ihrer Träger benötigen“, so Grund.

Zwei Optionen für mehr Eigenkapital

DAV-Experte Lucius skizziert zwei Möglichkeiten, wie Pensionskassen ihre Probleme angehen können. „Entweder die Pensionskassen senken ihre Annahmen darüber, was sie künftig am Kapitalmarkt erwirtschaften können. Dann müssen sie zwangsläufig die Reserven für die vorhandenen Garantiezusagen in erheblichem Umfang anheben. Oder sie gehen in den Kapitalanlagen höhere Risiken ein, um dauerhaft Erträge erwirtschaften zu können, wie sie in der ursprünglichen Tarifkalkulation einmal unterstellt worden waren.“

Vor allem letztere Option erfordert aber freie und unbelastete Eigenmittel, um Schwankungsrisiken an den Kapitalmärkten aufzufangen, wie Lucius weiter ausführt. „Wenn diese nicht vorhanden sind, müssen sie von außen bereitgestellt werden. Beide Varianten kosten Geld“, so der Versicherungsmathematiker. Diese zusätzlichen Mittel müssten letztendlich von den Trägerunternehmen aufgebracht werden, da sie als Arbeitgeber für die Zusagen der Pensionskassen einstehen.

Aber bereits Chefaufseher Grund hatte gewarnt: "Sorgen bereiten uns vor allem die Pensionskassen, bei denen der Arbeitgeber als Träger nicht mehr existiert. Auch gibt es Pensionskassen mit einer Vielzahl von Trägerunternehmen, bei denen es schwierig sein kann, ein einheitliches Vorgehen abzustimmen. Positiv ist jedoch, dass in vielen Fällen bereits eine finanzielle Unterstützung erfolgt ist oder zumindest für den Bedarfsfall in Aussicht gestellt wurde".

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Ganz ähnlich appeliert nun auch Aktuar Friedemann Lucius an die Trägerunternehmen: Sie seien nicht gut beraten, es auf eine Sanierung durch Leistungskürzungen ankommen zu lassen. „Dieser letzte Ausweg geht in der Regel mit einem vollständigen Verbrauch der Eigenmittel und damit einem weitgehenden Verlust der Risikotragfähigkeit der Kasse einher. Im schlimmsten Fall folgen ein Neugeschäftsverbot und die Abwicklung der Einrichtung", sagt Lucius laut Pressetext des DAV.