Versicherungsbranche - Die Coronakrise wird zu einem beschleunigten Kulturwandel führen
Die Domcura AG aus Kiel entwickelt als Assekuradeur eigene Deckungskonzepte für Privat- und Gewerbekunden, arbeitet dabei eng mit Versicherungsmaklern zusammen. Wie sich die Coronakrise auf den bereits 1980 gegründeten Finanzdienstleister auswirkt und welche Produkte sie hervorbringen könnte, darüber sprach der Versicherungsbote mit Rainer Brand, Vorstand Produkte und Betrieb der Domcura AG.
- Versicherungsbranche - Die Coronakrise wird zu einem beschleunigten Kulturwandel führen
- "Die Krise wird einen Kulturwandel beschleunigen"
Versicherungsbote: Wie stark wirkt sich das Coronavirus auf Ihre aktuelle Arbeit aus? Bzw. wie stark ist Ihr Haus von der Pandemie und dem Lockdown betroffen?
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Rainer Brand: Schon als sich abzeichnete, dass das Virus uns alle vor neue Herausforderungen stellen könnte, haben wir erste Maßnahmen ergriffen. Nach Empfehlungen zu Hygienemaßnahmen und der Verschärfung von Abstandsregeln fiel es uns leicht, die Unwägbarkeiten schnell als Chance zu ergreifen. Unsere konsequenten Investitionen in die digitale Infrastruktur haben sich sofort bezahlt gemacht. Da die notwendigen Strukturen bereits vorhanden waren, konnten wir schnell skalieren und zusätzliche Hardware anschaffen. Mit immensen Solidarleistungen der Belegschaft in der Einrichtung, Verteilung und Schulung konnten wir innerhalb einer Woche diejenigen, die lieber von daheim arbeiten wollten oder zur Risikogruppe zählen, ins Homeoffice verlagern.
Als ein tatsächlicher Lockdown erstmals realistisch erschien, hätten wir alle Kollegen von zu Hause arbeiten lassen können. Auf freiwilliger Basis nutzen diese Chance nun rund 75 Prozent unserer Mitarbeiter und wir sind froh darüber, dass wir komplett ohne Kurzarbeit oder ähnlich unliebsame Maßnahmen auskommen. Dabei läuft der Betrieb auch im Homeoffice reibungslos weiter – hier zeigen sich ein extremer Zusammenhalt in der Belegschaft und ein großes Verantwortungsbewusstsein füreinander. Ein Dank gilt hier auch unseren zahlreichen Kunden und Vermittlern, die großes Verständnis für die Situation aufbringen und zum Beispiel die Geräuschkulisse spielender Kinder meist schmunzelnd zur Kenntnis nehmen.
Suchen Sie in der aktuellen Krise proaktiv das Gespräch mit Kunden, Auftragsgebern und Partnern?
Selbstverständlich. Als Assekuradeur sind die Makler unser wichtigstes Sprachrohr zum Kunden. Hier sind wir ganz nah an unseren Partnern, suchen den Dialog und unterstützen, wo wir können. Insbesondere versuchen wir, unser digitales Know-how weiterzugeben und helfen aktiv dabei mit, dass unsere angeschlossenen Makler die Möglichkeiten der Videoberatung nutzen können. Hierfür arbeiten wir mit Flexperto als externem Dienstleister zusammen.
Themen seitens der Kunden werden hingegen nicht im größeren Stil an uns herangetragen. Das mag daran liegen, dass Sachversicherungen und insbesondere die Wohngebäudeversicherung als unser wichtigstes Produkt durch die Kunden kaum in ihrer Wichtigkeit in Frage gestellt werden. Bei finanziellen Engpässen reagieren wir aber unbürokratisch und schnell mit einem umfangreichen Maßnahmenkatalog, der von einer sofortigen Umstellung auf monatliche Zahlweise bis zur Stundung der Beiträge reicht.
Domcura entwickelt eigene Deckungskonzepte, auch im Dialog mit Anbietern, Vertrieb und Kunden. Erwarten Sie, dass sich infolge der Corona-Pandemie neue Produkte bzw. Leistungsbausteine etablieren könnten: Vielleicht nach der jetzigen Ausnahmesituation?
Erkenntnisse aus der Pandemie werden sicherlich in unseren beruflichen Alltag einfließen. Ob wir bei Domcura nun spezifische Leistungsbausteine zu Pandemien in der Sachversicherung benötigen, sei dahingestellt. Im gewerblichen Bereich ist das Corona-Risiko über die Betriebsschließungsklausel in unserer Inventur-Spezialpolice mit abgesichert. Im privaten Bereich wären vielleicht die Vermittlung von Einkaufsservices oder Atemmasken ein Ansatz für Krankenzusatzversicherer. Für uns ist die Frage eher die nach einem generellen Kulturwandel in einigen Bereichen. Insbesondere betrifft das Fragen zur digitalen Erreichbarkeit im Allgemeinen. Hier liegt für uns noch viel Potential verborgen, das es zu heben gilt – vom Einsatz von Apps und Online-Services bis zur Kommunikation in den Social-Media-Kanälen.
Erhalten Sie bereits Anfragen für neue Policen oder Leistungsbausteine, die auf direkte oder indirekte Pandemie-Risiken Bezug nehmen? Werden diese Risiken nach den aktuellen Erfahrungen überhaupt noch versicherbar sein?
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Bisher haben wir hier noch keine Anfragen erhalten. Wir gehen aber davon aus, dass sich insbesondere für die akut schwierigen Themen wie die Betriebsausfallpolicen im Gegenteil zukünftig ein deutlich größerer Markt eröffnet. Der Pandemiefall war bisher eher ein reines Theoriekonstrukt. Nun gilt es, hier die richtigen Schlüsse zu ziehen und entsprechende Produkte zu erarbeiten. Der Markt hierfür, bisher für uns gefühlt eher eine Nische, dürfte sprunghaft größer werden und somit ganz andere Kalkulationen zulassen.
"Die Krise wird einen Kulturwandel beschleunigen"
Versicherungsbote: Viele Menschen arbeiten aktuell im Homeoffice und müssen sogar nebenbei die Kinderbetreuung stemmen. Erwarten Sie, dass sich auch nach der Krise mehr Homeoffice durchsetzt? Bedarf es hier neuer Privat- und Gewerbe-Lösungen, etwa mit Blick auf den Cyber- und Unfallschutz fürs Heimbüro? Sie selbst bieten ja u.a. eine Büropolice an.
Rainer Brand: Das Coronavirus wird sicherlich nicht nur bei uns zu einem beschleunigten Kulturwandel führen. Der Trend geht schon seit Jahren zum mobilen Arbeiten und die Herkulesaufgabe, die nötigen Strukturen zu schaffen, wurde nun gestemmt. Diese nach der Krise verfallen zu lassen, wäre sehr fahrlässig. Gerade junge, gut ausgebildete Arbeitskräfte legen viel Wert auf flexible Arbeitsmodelle, die eine Planbarkeit von Büro und Familie ermöglichen. Wir tragen dem schon lange Rechnung, indem wir nicht nur entsprechende Arbeitszeiten für Eltern anbieten und die Priorisierung klar auf die „Kindernotfälle“ legen, sondern auch eine Elterngruppe mit regelmäßigem Erfahrungsaustausch mit dem Vorstand eingerichtet haben.
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Im Unfallbereich dürfte die Absicherung hier schon vorhanden sein. Denn neben den Berufsgenossenschaften sind es doch gerade die privaten Modelle, die 24/7 weltweit Schutz gewähren. Wer bei den Kunden punkten möchte, kann hier eventuell über Präventionsförderung nachdenken, dieses Feld muss man ja nicht nur den Krankenkassen überlassen.
Auch Cyberrisiken lassen sich schon für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen versichern. Was sicher spannend wäre, ist eine Bündelung zu einem neuen Produkt. Ich denke hier spontan an eine „Homeoffice Versicherung“. Was sind denn die wirklichen Risiken? Klar: Unfälle, Datenschutzverletzungen und Datenverlust durch Virenbefall sind da Thema. Aber der umgekippte Kaffeebecher auf dem Notebook des Arbeitgebers stellt ein echtes Problem dar, das sicher durch die meisten Privathaftpflichtversicherungen nicht gelöst wird. Denkt man dann noch an Verknüpfungen verschiedener Sparten, etwa unsere digitale Reisegepäckversicherung auf Blockchain-Technologie für die Absicherung auf Dienstwegen und -Reisen, kommen wir in ein Gedankenspiel, das auch für uns interessant ist.
Welche Rückmeldungen erhalten Sie aktuell von kooperierenden Gesellschaften und Versicherungsmaklern infolge der Coronapandemie? Mit welchen Fragen und Problemen treten diese an Sie heran?
Wir sind extrem dankbar, dass uns kaum Probleme und Anfragen erreichen, die vom Standard abweichen. Selbst Stundungsanfragen stellen bei uns derzeit die Ausnahme dar. Dasselbe gilt, zumindest bisher, für das Neugeschäft. Hier hatten wir mit spürbaren Rückgängen gerechnet, können diese jedoch nicht feststellen. Wo akute Bedarfe existieren, suchen wir gemeinsam Lösungen. Die Regierung propagiert das „Fahren auf Sicht“. Dies bewährt sich für uns ebenfalls.
Der BVK hat einen Art Schutzschirm für Versicherungsvermittler gefordert. Dabei können Vermittler - im Gegensatz zu vielen anderen Berufen - auch von daheim den Kontakt zu ihren Kundinnen und Kunden suchen und sind auch durch Bestandsprovisionen eher abgesichert. Erwarten Sie, dass nun viele Vermittlerbüros existentielle Probleme bekommen könnten?
Bisher hören wir von unseren Vertriebspartnern fast nur positive Signale. Die hohen Bestandsprovisionen, die sich ja insbesondere bei den Sachversicherungen finden, stellen hier sicherlich einen wichtigen Baustein dar. Es würde uns natürlich sehr freuen, wenn sich hier in Zukunft noch mehr Vermittler eine Expertise aufbauen, um über eine gute Mischung im Produktportfolio auch eine Krisensicherheit herzustellen. Wir weisen seit jeher unermüdlich darauf hin, dass die Sachsparte in entsprechender Größe einen fest kalkulierbares „Grundeinkommen“ durch den Kundenstamm sichert.
Sie treten auch als Bildungsdienstleister auf, unter anderem mit Webinaren. Erwarten Sie Auswirkungen der Coronakrise auf die Weiterbildung von Vermittlern?
Gut ausgebildete und kompetente Vermittler sind unser wichtigster Kontaktkanal zum Kunden – und das ausdrücklich deutlich über den Vertragsschluss hinaus. Ein Makler vor Ort, der mit Expertise im Schadenfall punktet und bei Bedingungswerkumstellungen auskunftsfähig gegenüber dem Kunden ist, wird auch in Zukunft nicht digital zu ersetzen sein. Mit dem entsprechenden Fachwissen sorgen die Makler dafür, dass alle Beteiligten im Leistungsfall schnell und unkompliziert ans Ziel kommen.
Natürlich sehen wir es da als unsere Pflicht an, für die nötige Sachkenntnis zu sorgen. Unsere Webinare sind deswegen keine reinen Vertriebsschulungen, sondern beinhalten praktische Themen, die tiefe Einblicke in die beratungsrelevanten Hintergründe bieten. Auch auf spontane Marktentwicklungen reagieren wir hier, so haben wir Ende März ausgiebig zum Thema „Kundenbetreuung während der Corona-Krise“ geschult. Vor allem deswegen nehmen in der Regel über 1.000 Vermittler alle zwei Wochen an unseren Angeboten teil.
Wir rechnen fest damit, dass digitale Weiterbildung ein größeres Thema wird und sehen uns hier durch die langjährige Erfahrung sehr gut aufgestellt. Den persönlichen Kontakt soll das jedoch nicht ersetzen, weswegen wir auch an neuen, persönlichen Formaten arbeiten.
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Die Fragen stellte Mirko Wenig
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